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Kleines Wahl-Doping, große Fragen

07.05.2022 • 19:13 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
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klaus hartinger

Satteinser Bürgermeis­ter wurde 2020 vom Wirtschaftsbund unterstützt.

Wie berichtet, hat der Wirtschaftsbund als Teilorganisation der ÖVP enorme Summen an Geld in die Wahlkampfmaschinerie der Mutterpartei gepumpt. Je naWie berichtet, hat der Wirtschaftsbund als Teilorganisation der ÖVP enorme Summen an Geld in die Wahlkampfmaschinerie der Mutterpartei gepumpt. Je nach Darstellung waren es zwischen 2014 und 2020 rund 900.000 Euro oder eineinhalb Millionen Euro, knapp ein Dutzend Ortsgruppen durften sich in den Gemeindewahljahren 2015 und 2020 über knapp 360.000 Euro freuen. Eine der Haupteinnahmequellen des Wirtschaftsbundes war das hauseigene Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“, mit dem man zwischen 2016 und 2021 rund 4,5 Millionen Euro lukriert haben soll. Die Einnahmen aus Inseraten, teilweise von landeseigenen Unternehmen, und die Zuwendungen an die Partei wurden offenbar nicht korrekt versteuert, wie aus Dokumenten einer Steuerprüfung hervorgeht. Der dienstfrei gestellte Direktor Jürgen Kessler hat an jeder Anzeige mitverdient. Es heißt, er habe Druck auf Unternehmen, aber auch auf Innungen und Fachgruppen der Wirtschaftskammer ausgeübt.

„Wir wurden immer wieder einmal angefragt, ob wir ein Inserat schalten. Druck hat es aber nie gegeben.

Gert Mayer,
Bürgermeister Satteins, früher Fachgruppengeschäfstführer in der Wirtschaftskammer.

Sachverhaltsklarstellung

In Anbetracht der genannten Summen erscheint die einmalige Zuwendung an die ÖVP-Ortsgruppe Satteins in der Höhe von 1500 Euro zunächst wie eine Marginalie. Die Begleitumstände werfen allerdings einige Fragen auf. Mitunter waren diese Fragen sowie kursierende Vermutungen auch der Grund dafür, dass die Liste „Satteinser Dorfteam“ auf ihrer Internetseite eine „Sachverhaltsklarstellung“ veröffent­lichte (siehe kleines Foto). Darin wird darauf hingewiesen, dass Bürgermeister Gert Mayer vor seinem jetzigen Amt in der Wirtschaftskammer als Fachgruppenleiter tätig war. Aufgrund dieser Funktion sei er auch mit Personen des Wirtschaftsbundes bekannt gewesen. Die besagten 1500 Euro habe er für seine Bürgermeisterkandidatur zum Zweck der Wahlwerbung erhalten. „Von den Machenschaften im Wirtschaftsbund hatte er zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich keine Kenntnis“, heißt es in dem Statement.
Wie kam es zum Wahlkostenbeitrag? „Ich habe gefragt und habe das Geld erhalten“, teilt der ÖVP-Ortsgruppenobmann und Bürgermeister auf NEUE-Anfrage mit. Mayer weist zudem darauf hin, dass er auch von der Landespartei einen Wahlkostenbeitrag in der Höhe von 1500 Euro bekommen habe. Die Gelder seien selbstverständlich allesamt zweckgebunden verwendet worden. Im Wahlkampf bezeichnete sich das „Satteinser Dorfteam“ übrigens noch als „einzige parteiunabhängige Fraktion in Satteins“.
Als Geschäftsführer der Fachgruppe Metalltechnik leitete Mayer auch die Geschicke der Ausbildungsplattform des Metall- und Elektrogewerbes namens Arge met. Wie die NEUE am Sonntag recherchiert hat, erschien in der „Juli 2020“-Ausgabe der Wirtschaftsbundzeitung ein halbseitiges Inserat der Arge met. Die Kosten für eine Anzeige dieser Größe belaufen sich laut Tarif auf 1600 Euro, also fast derselbe Betrag, den der Wirtschaftsbund der Ortsgruppe Satteins als Wahlkostenbeitrag spendierte.

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klaus hartinger

„Kein Zusammenhang“

Einen Zusammenhang zwischen dem Inserat und der Zuwendung des Wirtschaftsbundes weist Mayer entschieden zurück. „Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.“ Auch eine schiefe Optik könne er nicht erkennen. Die Frage, ob Wirtschaftsbunddirektor Kessler Druck ausgeübt habe, verneint Mayer. „Wir sind immer wieder einmal angefragt worden, ob wir ein Inserat schalten. Manchmal haben wir das gemacht, manchmal nicht. Druck hat es nie gegeben.“
Ein Blick ins Archiv der „Vorarlberger Wirtschaft“ verrät, dass weder 2019 noch 2021 ein Inserat der Fachgruppe Metalltechnik oder der Arge met abgedruckt wurde.
Durchaus zu hinterfragen ist auch die Sinnhaftigkeit des Inserats. In der Anzeige wurde nämlich um Lehrlinge geworben. Ist die „Vorarlberger Wirtschaft“, die laut Eigendefinition „ein Magazin für Unternehmer, Entscheidungsträger und Politiker ist“, denn das geeignete Medium für die Lehrlingssuche? Der frühere Fachgruppen- und Arge-met-Geschäftsführer meint schon, doch sein Argument überzeugt nicht. Das Magazin liege überall auf, sagt er knapp.

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dietmar mathis

Verwunderung und Kritik

In der Fraktion „Grünes Satteins-Offene Liste“ zeigt man sich irritiert. „Wir wundern uns über diese Geldflüsse, vor allem, weil das Dorfteam und insbesondere Gert Mayer im Wahlkampf und danach immer Parteiunabhängigkeit betonten und sich von der ÖVP distanzierten“, so Fraktionsführerin Klaudia Tschavoll-Wurzer auf NEUE-Anfrage. Sie erwartet sich mehr Ehrlichkeit und Transparenz gegenüber dem Wähler.

Undurchstige Geldflüsse

Wie berichtet, erhielten neben dem „kleinen Fisch“ Satteins zwölf weitere Ortsgruppen Geld für Wahlkämpfe, darunter die Städte Bludenz, Bregenz, Dornbirn und Feldkirch. Aber auch Mitgliedern in kleineren Gemeinden wie Hörbranz und Zwischenwasser wurde unter die Arme gegriffen. Die Höhe der Summen fiel teilweise sehr unterschiedlich aus. So erhielt etwa die ÖVP Rankweil mit insgesamt 61.500 Euro mehr Geld als die Ortsgruppe im wesentlich größeren Feldkirch (50.000 Euro). Überhaupt die größte Finanzspritze bekam die ÖVP in Lustenau (70.000 Euro).

Kriterien unklar.

Warum manche Ortsgruppen besser bedient wurden als andere bzw. es für manche keine zusätzlichen Mittel gab, ist unklar. Wie Karlheinz Rüdisser, Interimsobmann des Wirtschaftsbundes, mitteilt, habe etwa die Anzahl der Mitglieder auf den Listen eine Rolle gespielt. Nähere Details lägen ihm derzeit nicht vor, so Rüdisser. Eine Auffälligkeit gibt es in Bludenz, wo sich 2020 ein knappes Rennen zwischen Vizebürgermeister Mario Leiter (SPÖ) und Politikneuling Simon Tschann (ÖVP) anbahnte. Die Wahlkampfunterstützung des Wirtschaftsbundes steigerte sich von 8000 Euro im Jahr 2015 auf 30.000 Euro im Jahr 2020. Wer die Ausgaben der „Vorarlberger Wirtschaft“ des Jahres 2020 durchblättert, wird darin auffällig viele Inserate von Unternehmen aus dem Raum Bludenz finden. Kritische Beobachter sehen darin einen Hinweis auf versteckte Parteienfianzierung.

Finanzreferent Rauch

Auf die Frage, warum die ÖVP in Rankweil mehr Mittel als die Feldkircher Volkspartei bekommen hat, weiß Gemeindechefin Katharina Wöß-Krall keine Antwort. Das habe nicht sie selbst verhandelt. Kein Verständnis hat sie für die Aussagen von Christoph Metzler, Ex-Gemeinderat der Grünen. Dieser vermutet, dass der in Rankweil ansässige Fruchtsafthersteller Rauch hinter den satten Zuwendungen steckt. Rauch bekomme beispielweise einen Rabatt auf Kanalgebühren, dafür zeige man sich erkenntlich, so Metzler. Finanzreferent des Wirtschaftsbundes ist Unternehmenschef Jürgen Rauch, früher hatte dessen Vater Franz Rauch diese Funktion inne.