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Unterflurvariante vor dem Aus?

29.06.2022 • 20:33 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
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Lerch

Wirbel um Variantenstudie zum Bahnausbau zwischen Lochau und Wolfurt. Bürgermeister Ritsch kündigt massiven Widerstand an.

Eigentlich hätten die Zwischenergebnisse der „Variantenstudie ÖBB-Zielnetz 2040 Unteres Rheintal“ am kommenden Montag zunächst den Bürgermeistern der betroffenen Kommunen und Verkehrssprechern im Landtag präsentiert werden sollen. Erste Informationen sickerten jedoch schon gestern durch – und diese haben es in sich.

Denn die von ÖBB und Land in Auftrag gegebene Studie erteilt der seit vielen Jahren diskutierten Unterflurlösung zwischen Lochau und Wolfurt offenbar eine Abfuhr. „Die Machbarkeit einer kompletten Tieflage von Lochau bis Wolfurt wird aus Sicht der Bauphase als nicht gegeben gesehen“, heißt es wörtlich in dem Zwischenbericht. Stattdessen empfehlen die Experten eines renommierten Ziviltechnikbüros „Varianten in Niveaulage zu untersuchen“. Angedacht ist ein mehrgleisiger oberirdischer Ausbau. Die Strecken zwischen Lochau und Bregenz sowie Lustenau und Hard soll demnach zweigleisig werden, drei Gleise sind zwischen Bregenz und Lauterach-Nord angedacht. Allerdings hielten die Studienautoren fest, dass oberirdisch verlegte neue Gleise aufgrund beengter Platzverhältnisse „Eingriffe in Privatgrundstücke und Anpassung bestehender Infrastrukturen erforderlich machen”.


In Bregenz und den betroffenen Kommunen Lochau, Hörbranz, Wolfurt und Lauterach sorgen die Neuigkeiten aus dem fernen Wien für Unmut. Erst vor kurzem hatten alle fünf Bürgermeister gemeinsam eine „ernsthafte Auseinandersetzung“ mit einer unterirdischen Bahntrasse sowie eine frühzeitige Einbindung bei der Auswahl von Varianten gefordert. Um ihre Interessen zu bündeln und ihrem Anliegen mehr Gehör zu verschaffen, gründeten die Gemeindechefs die ­Interessensgemeinschaft „­Unterirdischer Bahntrassenausbau im Großraum Bregenz“ (IGUB).

<span class="copyright">hartinger</span>Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch.
hartingerBregenzer Bürgermeister Michael Ritsch.


Der Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch zeigte sich empört über den Inhalt des bekannt geworden Berichts. „Sollte es wirklich der Plan sein, die Züge mehrgleisig durch die Wohngebiete zu führen, wird die ÖBB mit dem größten Widerstand zu rechnen haben, den es in Vorarlberg je gegeben hat. Einen derartigen Eingriff in den Lebensraum von Zehntausenden Menschen werde er nicht zur Kenntnis nehmen, sagte Ritsch. Er hofft, dass bei den ÖBB und im Landhaus Vernunft einkehrt. Die Untersuchung ziele nur auf die billigste Variante ab. „Alles, was in Vorarlberg passiert, ist den Wienern ziemlich egal. Das darf sich die Landesregierung nicht gefallen lassen“, wettert Ritsch.

Mehrwert

Der Bürgermeister verweist einmal mehr darauf, dass eine unterirdische Führung der Trasse bereits 2003 in einer von der ÖBB, Bund, Land und Stadt Bregenz beauftragten Studie favorisiert wurde, zudem habe im Jahr 2021 eine Vorstudie der ARGE Rhomberg–Zierl–BDO die technische und finanzielle Machbarkeit sowie raumplanerische Vorteile bestätigt.
Für den Vorstand der streitbaren Initiative „mehramsee“, Pius Schlachter, ist es nicht verwunderlich, dass die ÖBB als Unternehmen der Republik Österreich „die Billigstvariante vorschlägt“. Allerdings hätten die Vorstudien gezeigt, dass die Untertunnelung nicht nur mach- und finanzierbar sei, sondern auch einen volkswirtschaftlichen Mehrwert habe. Für Schlachter ist der Auftrag an die Politik im Land damit klar: „Sie muss die Umsetzung der Unterflurlösung einstimmig einfordern.“ Das sei für den Standort Vorarlberg „betriebsnotwendig“.
Der ressortverantwortliche Landesrat Daniel Zadra (Grüne) wollte sich zu den bekannt gewordenen Präsentation inhaltlich nicht äußern. Es handle sich hier nicht um die Endversion, so Zadra gegenüber mehreren Medien.


Reaktionen

Zwischenergebnisse der Bahnausbau-Studie sorgen für herbe Kritik bei Parteien- und Interessensvertretern.

Kein gutes Haar an dem gestern ans Licht der Öffentlichkeit gelangten Zwischenbericht der Bahnausbau-Studie lässt auch der Lauteracher Bürgermeister Elmar Rhomberg. „Ich kann nicht ganz glauben, dass uns dieses Papier am Montag präsentiert wird. Das hätte dann schon eine gewisse Sprengkraft. Das wäre nicht das, was sich die Bürger und die Region vorstellen.“ Ein drittes Gleis in Lauterach hätte massive Auswirkungen auf die Bahnanwohner. „Das würde heißen, dass es zahlreiche Enteignungen braucht.“

<span class="copyright">hartinger</span>Lauteracher Bürgermeister Elmar Rhomberg.
hartingerLauteracher Bürgermeister Elmar Rhomberg.

Neos

Michael Sagmeister, Neos-Fraktionsobmann in Bregenz, zeigt sich „schockiert und mehr als verwundert“. „Jetzt will die ÖBB von Wien aus entscheiden, was für unsere Stadt und die Menschen gut ist und welche Pläne weiterverfolgt werden sollen.“ Der Stadtvertreter erwartet sich deutliche Worte von den zuständigen Landesräten Daniel Zadra (Grüne) und Marco Tittler (ÖVP). Der Neos-Mandatar spricht von einem „Schlag ins Gesicht“ für all jene Bürger, die sich die Unterflurlösung wünschen.

<span class="copyright">Mathis fotografie</span>Michael Sagmeister, Neos-Fraktionsobmann in Bregenz
Mathis fotografieMichael Sagmeister, Neos-Fraktionsobmann in Bregenz

SPÖ

Die Sache stößt allerdings nicht nur innerhalb Vorarlbergs auf massive Kritik. Auch der Vorarlberger SPÖ-Nationalratsabgeordnete Reinhold Einwallner reitet für seinen Parteikollegen Risch aus. Er sieht Mobilitätsministerin Leonore Gewessler (Grüne) gefordert, die in dieser Angelegenheit schleunigst die Notbremse ziehen müsse. „Mit den vorliegenden Plänen ist der Lebensraum von Menschen und Tieren gefährdet. Diesem Vorhaben tatenlos zuzusehen, entbehrt jedwedem Grundsatz der Grünen Partei.“

<span class="copyright">paulitsch</span>SPÖ-Nationalratsabgeordnete Reinhold Einwallner.
paulitschSPÖ-Nationalratsabgeordnete Reinhold Einwallner.

IV Vorarlberg

Auch Martin Ohneberg, Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Vorarlberg, ließ in einer Aussendung wissen, was er von einem oberirdischen Bahnausbau hält. „Es darf nicht immer nur der Plan mit dem geringsten Aufwand zum Zug kommen, sondern die zukunftsfähigste Lösung mit dem besten Ergebnis für die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Umwelt“, so Ohneberg. Der zweigleisige Ausbau zwischen Lochau und Bregenz und ein dreigleisiger Ausbau zwischen Bregenz und Lauterach-Nord sei enorm wichtig für die Wirtschaft zur Verladung der Güter und sichere damit eine gute Logis­tik am Standort. Ein gänzlich oberirdischer Ausbau sei jedoch nur die Minimallösung, so der Industrievertreter.

<span class="copyright">Hartinger</span>Martin Ohneberg, Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Vorarlberg.
HartingerMartin Ohneberg, Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Vorarlberg.