“Die Natur gibt dir vor, wo deine Grenzen sind”

Markus „Mäx“ Khüny ist der letzte Intarsienkünstler in Vorarlberg und hat das traditionsreiche Handwerk modernisiert. Ein wichtiger Faktor bei der Arbeit ist immer auch die Natur.
Es ist eine generationenübergreifende Leidenschaft: Bereits seit fast einem Jahrhundert beschäftigt sich Markus Khünys Familie mit Holzintarsien. Angefangen hat es beim Urgroßvater. Im Winter, wenn es sonst nicht viel zu tun gab, beschäftigte er sich mit den aufwendigen Einlegearbeiten, damals noch mit einer Laubsäge.
Der Nächste in der Reihe war der Großonkel, der dünnere Holzfurniere verwendete und diese statt mit der Säge mit dem Skalpell bearbeitete. „Er hat viel gemacht“, war eine kleine Berühmtheit“, sagt Markus.

Der 53-Jährige lernte die Technik gemeinsam mit seinem Vater vom Großonkel und fand Gefallen daran. Aber: „Mit meinen damals 15 Jahren hatte ich anderes im Kopf und hätte niemals gedacht, dass ich die Sachen noch mal angreife.“
Seit 20 Jahren dabei
Meistens kommt es anders, als man denkt: „Seit 20 Jahren bin ich wieder sehr intensiv dabei und brenne auch dafür“, freut sich der Bludenzer.
Zurück zur Leidenschaft fand er über einen eher ernsten Gedanken: „Ich habe mir überlegt, was eigentlich eines Tages von mir zurückbleibt“, so Markus. „Nach damaligem Stand wäre das außer dem Namen nicht viel gewesen. Also habe ich darüber nachgedacht, was ich eigentlich kann, und so ging es mit den Intarsien wieder los.“

Emotionen erwünscht
Mittlerweile hat Markus das alte Handwerk modernisiert. Er tobt sich kreativ aus, gestaltet unterschiedlichste Motive, nimmt auch mal den Computer zu Hilfe, wenngleich nicht beim ganzen Prozess: „Am PC nutze ich nur ein Programm, das mir Pixel in Flächen umrechnet. Ansonsten geschieht alles per Hand.“ Und das besonders gerne nach Kundenwunsch: „Ich mag es sehr, wenn die Leute mit etwas auf mich zukommen, an dem ihre Emotionen hängen“, betont der Künstler. Das kann alles sein: Das geliebte Kind, der geerbte Oldtimer, ein Pferd, ein Baum – Hauptsache, das Motiv hat eine Bedeutung für den Kunden.
Wie geht es dann weiter? „Zunächst wird das beste Foto des Motivs ausgewählt – in dieser Sekunde beginne ich dann auch schon, praktisch in Holz zu denken. Welche Furniere habe ich im Keller, welche Farben könnten passen, welche Maserung, wie kann ich das Gewünschte am ästhetischsten umsetzen?“, erklärt der Bludenzer seinen kreativen Schaffensprozess.
Geduld ist gefragt
Die tatsächliche Umsetzung verlangt dann vor allem Genauigkeit, eine ruhige Hand und viel, viel Geduld: An einem Porträt etwa sitzt Markus schon mal 60 bis 70 Stunden. „Eigentlich ein Wahnsinn“, sagt er, „wenn man die Arbeitszeit bezahlen würde, wäre so ein Bild heute quasi unbezahlbar.“ Es ist eine aufwendige Arbeit: Zunächst gibt es eine sogenannte Grundplatte, auf der das Motiv aufgezeichnet wird, anschließend schneidet Markus die Schablonen aus und positioniert sie auf den zu verwendenden Furnieren, bis die Maserung passt und die einzelnen Teile wiederum ausgeschnitten werden können. Dann geschieht das Ganze noch mal spiegelverkehrt, denn: „Die Formen werden jeweils aufeinandergeklebt. Man arbeitet eigentlich bis zum Schluss spiegelverkehrt: Auf der Hinterseite wird zusammengestückelt, damit sich vorne eine gerade Fläche ergibt.“

Sind alle Elemente aneinandergelegt und -geklebt, kommt Markus Juen, ein befreundeter Tischler, ins Spiel: Er übernimmt das Abschleifen, Zuschneiden und Lackieren des fertigen Bildes, gerahmt und dem Kunden übergeben wird es dann wiederum vom Künstler.

Handwerk stirbt aus
n Vorarlberg ist Markus Khüny derzeit der einzige, der Intarsien – oder genau genommen Marketerie, wie die Technik auf Holz angewandt heißt – herstellt. „Das finde ich sehr schade“, sagt der 53-Jährige. „Natürlich befriedigt die Kunst in erster Linie meine Kreativität, aber es liegt mir auch sehr am Herzen, das Handwerk weiterzugeben. Ich will nicht, dass es ausstirbt.“ Um dem entgegenzuwirken, hat er zum Glück schon eine Idee: „Im Sommer werde ich im Atelier arbeiten, einem vorne offenen Stall, wo jeder zuschauen kann. Dort möchte ich auch Workshops anbieten, bei denen jeder ein kleines Stück in nur einem Tag fertigen kann. Ich halte mit der Technik nicht hinter dem Berg, ich will ja, dass es weitergeht.“ Er habe das Gefühl, dass das Wort „Intarsie“ innerhalb zweier Generationen schon fast verloren gegangen sei. „Handwerk ist eben auch teuer, die Leute können es sich heutzutage nicht mehr oft leisten. Aber zur Zeit des Jugenstils etwa hatten Intarsien Hochkonjunktur.“
Ruhige Hand
Doch welche Voraussetzungen benötigt man eigentlich, um das Handwerk zu erlernen? „Geduld, eine ruhige Hand, etwas Feinmotorik. Man sollte ein bisschen mit dem Messer umgehen können und Kraft in den Fingern haben.“ Räumliches und farbliches Vorstellungsvermögen seien ebenso gefragt wie innere Ruhe: „Die Arbeit hat einen sehr meditativen Charakter, nach 15 Minuten bin ich in einer anderen Welt“, beschreibt Markus einen Aspekt, den er besonders mag.
Aber nicht nur die Ruhe fasziniert ihn am Intarsienlegen, sondern insbesondere die Arbeit mit Natur und Mensch. „Mit einem Kunden interaktiv zu werden, ihn kennenlernen und mit ihm in die Tiefe gehen zu dürfen, ist extrem spannend“, so Markus. Es gehe darum, unterschiedliche Vorstellungen in ein bestmögliches Ergebnis zu bringen: „Wenn der Kunde zu mir kommt und beispielsweise einen Nussbaum als Motiv haben will, dann schaut das Bild, das er von einem Nussbaum im Kopf hat, ziemlich sicher anders aus als meines. Aber am wichtigsten sind immer die Emotion und die Natur“, verdeutlicht der Künstler.
Die Natur? Ja, klar: „Dieser Aspekt hat mich immer gereizt. Hauptberuflich komme ich aus der Metallerbranche. Holz ist aber ein ganz anderer Werkstoff, es ist lebendig. Begrenzt an Farben, aber unglaublich viefältig mit Maserungen. Daraus ein wie gemalt aussehendes Bild zu formen, ist sehr reizvoll.“
Furnier sagt Nein
Ohnehin ist die Natur bei jedem Bild der Chef: „Oft habe ich eine bestimmte Vorstellung davon, mit welchem Furnier ich diesen und jenen Teil eines Bildes umsetze. Es kann dann aber durchaus passieren, dass das Furnier sagt, Nein, und nicht zu meiner Idee passen will. Dann muss ich es eben zur Seite legen.“ Markus hält kurz inne und fügt grinsend hinzu: „Die Natur gibt dir vor, wo deine Grenzen sind.“
Diese erkundet er auch abseits des Arbeitens gerne. „Im Freien hole ich mir Ruhe und Kraft. Am liebsten radle ich über Forstwege. Viele davon wurden einst geschlagen, um Holz zu transportieren, werden jetzt aber kaum mehr genutzt und wachsen schon fast wieder zu. Da kann man viele Wildtiere beobachten. Ich glaube, man braucht dieses Bodenständige und Natürliche auch, um Intarsien umsetzen zu können. Wenn man keinen Bezug dazu hat, sieht ja jeder Baum gleich aus.“
Wie ein alter Baum überleben auch Markus Khünys Kunstwerke die Zeit. Sie sind nichts, das man wegwirft oder bei einem Umzug stehen lässt, man kann sie über Generationen weitergeben. Oder, wie Markus sagt: „Es ist viel im Wandel, aber diese Bilder sind etwas, das bleibt.“