Eine Absage mit immensen Folgen

Schwärzler-Hoteldirektorin rechnet mit einem Drittel der üblichen Auslastung.
Die Festspiele können unter diesen Bedingungen nicht durchgeführt werden.“ Eine Entscheidung, die viele fürchteten, die sich aber bereits seit Längerem abzeichnete. Dafür gekämpft, dass das Festival in seiner gewohnten Art und Weise stattfinden kann, haben die Verantwortlichen dennoch bis zum Schluss. Nun gilt es mit den Folgen umzugehen. Denn die Bregenzer Festspiele sind kulturell, aber auch wirtschaftlich ein immenser Faktor im ganzen Bodenseeraum.
Das Kulturfestival bietet für Hotels in der Landeshauptstadt die Möglichkeit, in kurzer Zeit so viel Umsatz zu machen, dass auch noch im Rest des Jahres davon profitiert werden kann. Es ist quasi die Hauptsaison für alle im Umkreis verorteten Beherbergungsbetriebe. Jetzt wird vielen schmerzlich bewusst, was das Aus bedeutet. Oder aber, welches Glück sie die ganzen Jahre hatten, eine derartige Veranstaltungsreihe „im Rücken“ zu haben.
„Alle persönlich informiert“
Das Hotel Schwärzler in Bregenz ist eine der ersten Adressen während der Festspielzeit. Die vier Wochen von Mitte Juli bis Mitte August 2020 waren längst ausgebucht. „Ausgebucht zu einem sehr schönen Preis“, formuliert es Susanne Denk. Sie ist seit zehn Jahren Hoteldirektorin im Haus. Es wurden viele Festspiel-Packages (Übernachtung, Ticket, Dinner, Shuttle und mehr) gebucht, vor allem auch von Stammgästen. Jeder Gast wurde nach der Bekanntgabe der Absage persönlich angerufen und informiert. Allen wurde die Option geboten, kostenlos auf das kommende Jahr 2021 umzubuchen – zum gleichen Preis wie heurige Saison. Gästen, die sich trotzdem entschieden anzureisen, wurde eine kostenlose Verlängerungsnacht offeriert. Wieder andere, die über Buchungsplattformen reserviert hatten, stornierten kommentarlos. „Wir werden diese Personen trotzdem noch kontaktieren“, kündigt Denk an.

In früheren Jahren blieben einige Gäste eine Woche oder zehn Tage. Das verkürzte sich in der jüngsten Zeit drastisch. Zuletzt war die durchschnittliche Aufenthaltsdauer während der Festspiele drei Tage. Doch jetzt zeichne sich zumindest ab, dass die Gäste, die dennoch ihren Aufenthalt antreten, diesen auch verlängern. Nun nutzen sie die Zeit, um das Land kennenzulernen.
Wie viele Gäste schlussendlich anreisen, ist noch in der Schwebe. „Wenn ein Drittel trotzdem kommt, dürfen wir zufrieden sein“, sagt Denk. Die knackigen Preise während der Festspielzeit werden im Hotel Schwärzler definitiv nicht gesenkt. „Das ist nicht unser Weg. Wir werden vielmehr an Leistungen dazugeben“, kündigt die Hoteldirektorin an.
Umbau und Finanzielles
Das Hotel wurde jüngst für knapp 15 Millionen Euro umgebaut. „Selbstverständlich gibt es da noch Verbindlichkeiten. Aber die Banken wissen was passiert. Das wird funktionieren“, sagt Denk. Man habe natürlich alles überarbeiten müssen. Neue Businesspläne, neue Ziele.

Was das Finanzielle betrifft sei es zu früh, den Ausfall zu beziffern. Aber es wird – gleich des Gästerückgangs – ein Drittel oder die Hälfte des üblichen Umsatzes sein. Auf der anderen Seite seien die Lohnkosten niedriger, weil weniger Mitarbeiter im Dienst sind. Sieben Wochen war das Hotel geschlossen. „Und wenn geschlossen ist, kommt gar nichts rein“, verdeutlicht es Denk.
Das Schwärzler hat sich nach dem Umbau zu einem noch größeren Unternehmen entwickelt, mit „nomalerweise“ über 50 Mitarbeitern. Aus 75 sind 106 Zimmer geworden. Die meisten Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit übernommen. Es gab wenige, von denen sich das Hotel trennte. „Darunter solche, die sich sowieso umorientieren wollten“, erzählt Denk.
Andere große Betriebe würden laut Hoteldirektorin sogar erst Mitte Juni oder sogar im Juli aufsperren. Rein rechnerisch sei das sinnvoll. Aber ihr Anliegen sei es, die Mitarbeiter zurückzuholen. „Es tut niemandem gut drei Monate in Ungewissheit zu Hause zu sein.“
Am 4. Mai gab es daher ein „Soft Opening“. Lediglich, um ein paar Geschäftsleute zu beherbergen. Schlüsselarbeitskräfte, die dringend eine Unterkunft suchten. Heimische Firmen fragten an und Denk wollte niemanden woandershin schicken. Anfangs waren es vier, jetzt sind es an die 20 Gäste. Mittlerweile hat auch das Restaurant geöffnet. Anfangs natürlich nicht.
Visiere und Tischsets
Mit nächsten Freitag startet dann der „normale“ Hotelbetrieb. Im Hinblick auf die Quadratmeter-Regelung sieht Denk keine Schwierigkeiten. Auch nicht, wenn das Hotel voll belegt sein sollte. Der Garten kann auch für den Restaurantbetrieb genutzt werden. Auch der Seminarraum kann in Anspruch genommen werden, da generell im Sommer keine Seminare stattfinden. Abgesehen davon wollen nicht alle Gäste jeden Abend im Hotel essen. Beim Frühstück kommen sie nacheinander, nicht alle auf einmal.
Das Serviceteam im Schwärzler trägt Visier, „damit der Gast ein Lächeln sieht.“ An der Rezeption gibt es Plexiglaswände. Alles Ausgaben, die jüngst getätigt werden mussten. „Es ist aber enorm wichtig, sich an die Vorgaben zu halten. Konsequent, ohne Ausnahme“, betont Denk. Man sei jedenfalls gerüstet, ändert täglich die Anforderungen. Die größte Herausforderung sei, dass das Hotel das österreichische Umweltzeichen trägt und klimaneutral ist. In einem langen Prozess sei daran gearbeitet worden, dass die Zimmer plastikfrei werden und keine Portionspackungen verwendet werden. „Bei meinem ersten Einkauf fürs Frühstück war wieder alles abgepackt, das hat uns regelrecht wehgetan. Aber es bessert sich“, sagt Denk. An das Mittagsbuffet müsse man sich herantasten. Folie über jedem Salat sei auch nicht das, was sich die Leute vorstellen.
Die Speisekarte wurde auf Tischsets abgedruckt, die nach jeder Belegung weggeworfen werden. „Das produziert Müll, ist aber einhundert Prozent hygienisch. Ich bin kein Freund laminierter Speisekarten. Und unsere Lederausführung hält das ständige Desinfizieren nicht aus“, zeigt Denk auf.
Sie glaubt dennoch nicht, dass die Maßnahmen für die Gäste problematisch sein werden. „Wir haben mittlerweile alle gelernt damit umzugehen. Besucher kommen herein und fragen, wie sie sich verhalten sollen. Die Situation wird ernst genommen“, berichtet sie.

Leeres Pfingswochenende
Stornos. Nun müssen sie nur noch kommen, die Gäste. Generell wurde nämlich jede Urlaubsbuchung bis in den Juni hinein storniert. Alle internen Seminare, alle Veranstaltungen – mit oft internationalem Publikum – wurden gecancelt. Nach und nach trudeln nun neue Buchungen aus Österreich ein. Und auch die deutschen Nachbarn würden langsam die Planung wieder aufnehmen. Aber das wird erst Mitte Juni aktuell sein. „So ein leeres Pfingsten gab es bei uns wohl noch nie“, sagt Denk.
Das Schwärzler beherbergte zu Festspielzeiten auch die Politprominenz. Diese wird heuer geschlossen ausbleiben. „Den Bundespräsidenten werden wir vermissen. Zum einen, weil er ein besonderer Mensch ist, zum anderen, weil er uns so gut durch diese Krise begleitet hat“, sagt die Hoteldirektorin. Minister, Künstler und Akteure fallen ebenfalls als Gäste aus. „Die Absage der Festspiele lässt sich nicht kompensieren“, sagt Denk einmal mehr. Doch sie sieht die Situation auch als Chance für die Branche, um sich weiterzuentwickeln. Sie ist sich sicher, dass die Region langfristig davon profitieren kann.
Kampagne und Programm
Inzwischen sollen bundesweit, aber auch in Vorarlberg über Kampagnen Gäste ins Land gelockt werden. „Vorarlberg hat noch mehr zu bieten als die Festspiele. Und wir sind in der privilegierten Lage, in dieser Region verortet zu sein“, sagt Denk. Aber auch die Hoteldirektorin selbst musste sich etwas einfallen lassen. Schon als sich die Absage ankündigte, kontaktierte Denk die Verantwortlichen der Festspiele. Mittlerweile gingen daraus kleine Engagements hervor. „Schließlich hängen auch die Künstler in der Luft.“ Und so werden für die kulturaffinen Gäste Mitglieder des Vorarlberger Symphonieorchesters im Hotel musizieren. Am Abend, im Garten oder in der Lounge. Das Programm wird derzeit ausgearbeitet. Nicht nur Klassik wird es auf die Ohren geben, auch Swing und Jazz ist geplant. Im besten Fall zieht das Konzept dann auch neue Gäste an.