Anschober: “Es ist dramatisch”

Ausgangsbeschränkungen gelten ab Dienstag auch tagsüber.
“Bitte treffen Sie niemanden!“ appelliert Bundeskanzler Sebastian Kurz an die Bevölkerung: „Verbringen Sie nur Zeit mit Menschen, mit denen Sie im gemeinsamen Haushalt leben.“ Wer allein lebt, soll eine Person wählen, mit der während des Lockdowns persönlich Kontakt gehalten wird.
Seit 12 Tagen sind die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Trotzdem hat sich das Infektionsgeschehen nicht ausreichend stabilisiert. “Das macht weitere Verschärfungen notwendig”, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz am Samstag. Mit Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer präsentiert er die neuen Maßnahmen, die ab Dienstag gelten.
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Wie schon im Frühjahr definiert die Bundesregierung vier Gründe, aus denen man das Haus verlassen darf: Um Arbeiten zu gehen, notwendige Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu stillen (etwa Lebensmittel einkaufen), anderen Menschen zu helfen und um Bewegung an der frischen Luft zu machen.
Ab Dienstag werden alle Schulen auf Fernunterricht umgestellt. Kinder, die Lernunterstützung oder Betreuung brauchen, können weiterhin in den Volksschulen und Unterstufen betreut werden. Kindergärten bleiben offen, werden aber aber – wie schon im Frühling – als Notbetrieb geführt.
Auch die Geschäfte müssen, wie schon beim ersten Lockdown, ab Dienstag geschlossen bleiben. Zur Deckung des täglichen Bedarfs gibt es eine Ausnahme bei Supermärkten, Drogerien, Apotheken oder Tankstellen. Dienstleistungen, bei denen sich kein Abstand einhalten lässt (wie etwa Frisöre, Kosmetiker, Tätowieren), dürfen nicht durchgeführt werden.
Überall, wo es möglich ist, soll im Homeoffice gearbeitet werden.
In Alten-, Pflegen-, und Behindertenheime müssen alle Mitarbeiterinnen wöchentlich getestet werden. Auch Besucher müssen ein negatives Testergebnis vorweisen. Pro Woche ist nur mehr ein Besucher erlaubt. Auch in Krankenhäusern darf nur mehr ein Besucher pro Woche kommen und auch das nur, wenn der Patient zumindest sieben Tage.
Am 7. Dezember sollen Schulen und Handel wieder öffnen. “Die nächsten drei Wochen werden eine sehr harte Zeit für uns alle”, sagt Kurz, “aber wir müssen diesen Schritt gemeinsam setzten. Je konsequenter wir den Lockdown durchführen, desto kürzer werden wir ihn brauchen.”
“Schulen bleiben offen, für alle, die es brauchen”
“Ich möchte bewusst an die Bilder aus den Intensivstationen in anderen europäischen Ländern erinnern,” sagt Vizekanzler Kogler: “Es ist echt ernst.” Jeder, der in Österreich ein Intensivbett braucht, soll weiterhin eines bekommen. Er appelliert daran, so viel wie möglich zu Hause zu bleiben und auf Treffen zu verzichten.
“Die Kindergärten und Schulen bleiben für diejenigen, die es brauchen offen”, betont Kogler: Es gebe Betreuung und Lernunterstützung vor Ort, für alle, die es brauchen. Auch wer im Homeoffice konzentriert arbeiten muss, werde diese Möglichkeit in Anspruch nehmen müssen, so Kogler.
Die betroffenen Betriebe, die im zweiten Lockdown schließen müssen, sollen einen Umsatzersatz bekommen, Der wird sich von jenem für die Gastronomie allerdings unterscheiden. Kogler kündigt ein System an, in dem – je nach Betrieb – 20 Prozent, 40 Prozent oder 60 Prozent des entgangenen Umsatzes ersetzt werden.
Details zu Wirtschaftshilfen und Schulbetrieb werden von den zuständigen Fachministern Blümel und Faßmann in einer Pressekonferenz um 18:00 Uhr präsentiert.
Der zweite Lockdown sei auch aufgrund der dunklen Jahreszeit schwieriger, als der erste im Frühling. Wenn die gemeinsame Anstrengung jedoch gelingt, so Kogler, könne man Weihnachten hoffentlich mit Familien und Freunden verbringen.
Anschober: “Es ist dramatisch”
Gesundheitsminister Rudolf Anschober verwies auf die ähnlich schlechte Entwicklung in anderen Ländern. Seit dem 23. Oktober steigt die Infektion in Österreich besonders dramatisch an. Im ersten Lockdown im Frühjahr sei es gelungen, die Bewegungen in Österreich um 50 Prozent zu reduzieren. Das sei durch die bisher geltenden Maßnahmen nicht gelungen. “Wir haben die Verantwortung, die Notbremse zu ziehen”, so Anschober. “Der Bremsweg von einer Maßnahme bis zur Auswirkung in den Spitälern beträgt rund zwei Wochen.”
“Das österreichische Gesundheitssystem kommt in vielen Bereichen an seine Grenzen”, sagt Anschober und verweist auf immer knapper werdende Ressourcen in den Spitälern. “Es ist unsere letzte Chance einen Kollaps in den Spitälern zu verhindern.”
“Polizei wird druchgreifen”
Innenminister Karl Nehammer wirbt für Verständnis für Polizisten, die die Einhaltung der Verordnung in den nächsten Wochen durchsetzen müssen. “Das Coronavirus ist eine Zumutung”, sagt Nehammer, “Es zipft jeden an, sich an die Maßnahmen zu halten – das ist uns bewusst. Aber es braucht jetzt einen gemeinsamen Schulterschluss.”
Die Polizei werde bei Missachtung zuerst in eine Dialog treten, aber auch dort durchzugreifen, wo es notwendig ist: “Weil es um viel geht”, so Nehammer.
Verordnungsentwurf seit Vormittag bekannt
Zuvor wurden die Parlamentsparteien und Sozialpartner am Samstag vormittag über den Entwurf der neuen Verordnung informiert. Der sieht drastische Änderungen vor. Vorab bekannt wurden etwa die neuen Ausgangsregeln. Weiterhin gilt an öffentlichen Orten die Pflicht zum Ein-Meter-Abstand, in Innenräumen zusätzlich die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.
Derzeit gelten sie von 20 bis 6 Uhr, ausgenommen sind Wege zur Arbeit, zum Einkauf, zur Erholung und zur Hilfeleistung. Das wird auf den ganzen Tag ausgeweitet, um private Besuche weitgehend zu unterbinden – ebenso die Besuchsregel. Man wird sich nur noch mit einer Person aus einem anderen Haushalt treffen dürfen.
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Wie schon im Frühling muss der Handel wieder großflächig zusperren. Offen bleiben nur Supermärkte, Drogerien, Apotheken, Tankstellen, Post und Trafiken. Auch der Betrieb von Werkstätten, der Agrarhandel, und der Verkauf von Tiernahrung ist weiterhin erlaubt. Die Öffnungszeiten bleiben auf 6 bis 19 Uhr limitiert.
Körpernahe Dienstleistungen dürfen nicht mehr durchgeführt werden. Frisörsalons, Kosmetik- oder Massagestudios müssen schließen. Was der Regierung dem Vernehmen nach große Kopfschmerzen bereitet: Ein so großzügiger Umsatzersatz, wie ihn die vom bereits bestehenden Teil-Lockdown betroffenen Wirte erhielten, ist für den Handel praktisch undenkbar. Während Gastrobetriebe 80 Prozent des Umsatzes von November 2019 vom Staat ersetzt bekommen, wenn sie dafür keine Mitarbeiter kündigen, ist das angesichts der enormen Umsätze im Handel praktisch unleistbar. Somit ist klar, dass hier ein eigenes Hilfsschema herhalten muss, wenn Geschäfte wieder im großen Stil geschlossen werden.
Veranstaltungen
Im Veranstaltungsbereich darf weiter an religiösen Zusammenkünften teilgenommen werden. Begräbnisse sind auf 50 Personen limitiert. Im künstlerischen Bereich sind weiter Proben erlaubt. Weiterhin gilt laut dem Verordnungsentwurf an öffentlichen Orten die Pflicht zum Ein-Meter-Abstand, in Innenräumen zusätzlich die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.
Homeoffice
Wie eine Auswertung anonymisierter Handy-Daten durch Google zeigt, ist seit Allerheiligen die Anwesenheit an Arbeitsstätten um rund ein Drittel gesunken – wohl auch eine Folge, dass die Regierung abermals die Empfehlung ausgesprochen hat, wo möglich aus dem Homeoffice zu arbeiten. Nur: im Frühjahr betrug dieser Rückgang mehr als die Hälfte. Daher steht auch zur Debatte, wo Homeoffice möglich ist, diese Art zu arbeiten zwingend zu verordnen. Das hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) auch im Frühling getan – die Regelung überlebte dank Protesten der Wirtschaftskammer aber nur wenige Tage. Weiter auf sich warten lässt aber ein umfangreiches Gesetzespaket, das die arbeitsrechtlichen und steuerlichen Bedingungen im Homeoffice klären soll. Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hat es für März in Aussicht gestellt.
Eigene Verordnung für Schulen
Für Schulen und Kindergärten gilt diese Verordnung nicht. Sie werden gesondert behandelt. Dieser liegt zwar noch nicht vor, es soll aber schon fix sein, dass alle Schulen ebenfalls bis inklusive 6. Dezember auf Fernunterricht umstellen und es nur für den Notfall eine Betreuung (und keinen Unterricht) vor Ort geben wird. Auch die Kindergärten dürften großteils schließen. Während sich führende Wissenschaftler für eine Schließung aussprechen (mit Ausnahme von Betreuung jener Kinder, auf die zuhause niemand aufpassen kann), hat die Corona-Kommission des Bundes dagegen votiert. Die Regierung wird aber wohl der Empfehlung der Wissenschaftler folgen: Ab Dienstag sind alle Schulen geschlossen. Schrittweise hochfahren will man sie ab 6. Dezember.
Besuche in Spitälern
In Krankenanstalten und Altenheimen bringt die geplante Verordnung Einschränkungen, nachdem es in Spitälern zuletzt keine zahlenmäßigen Beschränkungen für Besuche gab. Nunmehr ist nur mehr ein Besuch pro Woche und Patient möglich – und das auch nur, wenn der Erkrankte oder Verletzte mehr als sieben Tage aufgenommen wird. Ausnahmen gibt es für Schwangere. Mitarbeiter müssen einmal pro Woche einen Antigen- oder molekularbiologischen Test absolvieren.
Der Lockdown endet laut Entwurf am 6. Dezember – vorausgesetzt, die Neuinfektionen gehen bis dahin zurück. Da es sich um einen Entwurf handelt, sind Änderungen noch möglich. Morgen wird der Hauptausschuss des Nationalrates mit der Verordnung befasst. Die Ausgangsregeln und die Bestimmungen für den Veranstaltungsbereich müssen dort nach zehn Tagen auch wieder bestätigt werden, daher sollen sie vorerst nur bis 26. November gelten.
Samstag, 14. November 2020
13 Uhr Pressegespräch mit Experten zur aktuellen Corona-Lage in Österreich mit Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), und Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich (GÖG)
16.30 Uhr Pressekonferenz mit Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer zu notwendigen Maßnahmen um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern
18 Uhr Pressekonferenz mit Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher, Finanzminister Gernot Blümel und Bildungsminister Heinz Faßmann zu weiteren Details aus ihren Bereichen
Ort: Kongresssaal, Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2, 1010 Wien
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