Lustenau, eine große Stickerei

Schau zeigt den Einfluss der Stickereiwirtschaft auf Lustenau auf.
Das Erbe der Stickereiwirtschaft ist in Lustenau allgegenwärtig. Wie in keiner anderen Gemeinde hat das Gewerbe seit rund 150 Jahren Ortsbild, Architektur und das alltägliche Leben geprägt. Deutlich wird das in der aktuellen Schau im Dock 20, die in Kooperation mit dem Historischen Archiv entstanden ist. Über 400 sogenannte Stickerhäuser wurden ausgeforscht und fotografisch dokumentiert, dazu liefern Baupläne und andere historische Dokumente Informationen zu der Entwicklung des Gewerbes – die sich wiederum auf die Architektur niederschlug.

Begrüßt wird der Besucher mit einem übersichtlichen Plan der Gemeinde, in dem alle Stickerhäuser markiert sind. Die Darstellung lässt erkennen, dass über das gesamte Gemeindegebiet verteilt gearbeitet wurde. Kurator Oliver Heinzle vom Historischen Archiv meinte bei einer Führung, dass Lustenau damals wie eine einzige dezentrale Fabrik funktionierte – so würde es auch Architekt Wolfgang Fiel beschreiben, der neben anderen Experten am Katalog mitgewirkt hat. Im Grunde genommen sind Stickerhäuser Gebäude, in denen zugleich gestickt und gelebt wurde. Doch wurden in den Plan vereinzelt auch Fabriken oder Exportbetriebe aufgenommen, wie Heinzle erklärte. Er wohnt übrigens selbst in einem Stickerhaus, wie er verriet.
Zur ausstellung
„Bauerbe Lustenauer Stickerhäuser – Eine Bestandsaufnahme“.
Bis Sonntag, 18. April, im Dock 20, in der Pontenstraße 20 in Lustenau. Freitag bis Sonntag, 15 bis 19 Uhr geöffnet.
Die Menge der Stickerhäuser und die Zeitspanne, in denen sie errichtet oder im Zuge technischer Entwicklungen umgebaut wurden, ist groß. Wie also diese Fülle darstellen? Die gelungene Lösung ist eine zweispurige Foto-Bahn, die an der Wand fast durch den gesamten Ausstellungsraum verläuft. Die Bühnenbildner Valentin Hämmerle und Jan Klammer haben zudem mehrere Stationen gestaltet, die Hintergründe zum Thema liefern. Fotografiert wurden die Häuser von Lukas Hämmerle, der bei dieser Aufgabe von Max Fetz unterstützt wurde.
Stickerei-Boom
Zuerst gab es Handstickmaschinen, in Vorarlberg wurden die ersten zwei Exemplare 1869 in Lustenau aufgestellt. Bald darauf gab es viele Lustenauer, die sich als Lohnsticker ein Zubrot verdienten, denn in frühen Jahren waren diese oft noch Kleinbauern, wie Heinzle informierte. Und so wurden ab 1870 meist alte Bauernhäuser zusätzlich zum Stadel mit einem Anbau versehen, um dort die Maschinen unterzubringen, die sich auch im späteren Verlauf stets im Erdgeschoss befanden – die Geschosse darüber wurden als Wohnraum genutzt. Das älteste Bauernhaus, aus dem später ein Stickerhaus wurde, wurde vermutlich vor 1808 gebaut.

An der Foto-Leiste gut zu erkennen sind die abwechselnden Phasen, in denen mehr oder weniger produziert wurde, was Auswirkungen auf die Bautüchtigkeit hatte. Ein regelrechter Boom setzte in den 1880er-Jahren ein. Von der großen Überschwemmung 1988 unterbrochen, setzte sich die Hochphase etwa ab Mitte der 1890er-Jahre fort, so Heinzle. Vermehrt löste nun das Sticklokal auch den Stadel ab, meint der Archivar. Um 1903 hielten die größeren „Schiffle“-Stickmaschinen Einzug, und so musste auch in den Häusern mehr Platz geschafft werden, was sich auf ebenfalls deren Bau und Umbau auswirkte. Gut erhaltene Baupläne zeigen diese Entwicklung auf.

Im weiteren Verlauf der Geschichte veränderten sich stetig Baustil und Formensprache, wobei in der Schau auch individuelle Lösungen herausstechen. In einer Station wird ein eigenwilliges Gebäudeteil-Konglomerat präsentiert, das aus zahlreichen Um- und Zubauten resultiert. Heute stellt sich unter anderem die Frage der Nachnutzung der Stickerhäser und Fabriken, so wurden aus einem Exemplar etwa schöne Wohnlofts. Eigentlich wurden nach 1985 kaum mehr Stickerhäuser gebaut, so Heinzle – doch das jüngste Haus dieser Art stammt noch von 2014. In dieser Schau ist jedenfalls gut zu erkennen, wie sehr Lustenaus Stadtbild von dem Stickerei-Gewerbe geprägt ist.