Allgemein

Ein Stein kommt selten allein

06.04.2021 • 11:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Ein Steingarten muss nicht aussehen wie ein Trockengebiet. Das Gegenteil beweist Erika Nägele. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Ein Steingarten muss nicht aussehen wie ein Trockengebiet. Das Gegenteil beweist Erika Nägele. Klaus Hartinger

Steingärten sind so individuell wie ihre Besitzer und machen weniger Arbeit.

Einen Steingarten anlegen heißt nicht zwangsläufig, fast alles mit Steinen zuzudecken. Einen Steingarten anlegen bedeutet nicht unbedingt, nur Halbwüsten- und Wüstenpflanzen zu setzen. Oder Gräser. Ein Steingarten muss nicht aussehen wie ein Trockengebiet. Im Gegenteil.

Ein Steingarten kann auch aussehen wie bei Nägeles in Fraxern, die sagen: „Die Natur ist ein Wunder.“ Die dieses Wunder Jahr für Jahr, Jahreszeit für Jahreszeit im eigenen Garten bestaunen. Schon morgens durchs Küchenfenster, mit der ersten Tasse Kaffee in der Hand. Von dort ist der Steingarten gut zu sehen, in all seiner Pracht. Sobald alles blüht, blüht es auch dort: Winterlinge, Schneeglöckchen, Krokusse, Narzissen, Primeln, Anemonen, Polsterpflanzen, Enzian, Küchenschelle, Erika, Seidenkraut – „dann wachsen und blühen alle Frühlingspflanzen, die es gibt“, sagt Erika Nägele. Der Stolz ist ihr anzumerken. „Was mir in die Hände kommt, wird gepflanzt.“

Winterlinge, Schneeglöckchen, Krokusse, Narzissen, Primeln, Anemonen, Polsterpflanzen, Enzian, Küchenschelle, Erika und Seidenkraut sind gepflanzt worden.<span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Winterlinge, Schneeglöckchen, Krokusse, Narzissen, Primeln, Anemonen, Polsterpflanzen, Enzian, Küchenschelle, Erika und Seidenkraut sind gepflanzt worden.Klaus Hartinger

Natur führt Regiment

Natürlich packt sie auch im Steingarten an, wie im restlichen Garten. Überwuchert eine vorwitzige Pflanze einen Stein, wird sie zurückgeschnitten. Mag sie nicht mehr recht blühen, wird sie durch eine andere ersetzt. Unkraut hat Nägele in diesem Jahr bereits gezupft.

Aber im Großen und Ganzen vertraut sie darauf, dass die Natur selbst Regiment führt. Und das tut sie. „Jedes Jahr sieht der Steingarten ein wenig anders aus“, verrät die Hobbygärtnerin, die lange Jahre der Flora-Jury angehört hat. Ein den Nägeles durchaus willkommener Effekt. Abwechslung gehört beim Gärtnern schließlich dazu, ebenso Überraschungen.

<span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Klaus Hartinger

Auf lange Sicht hat Erika Nägele den Steingarten angelegt, weil die starke Hanglage ihre eigenen Probleme mit sich bringt: Die Erde rutscht mit der Zeit und dem Regen ab. „Die Pflanzen und Steine halten die Erde im Hang. Das klappt wirklich wunderbar.“ Als sie das Areal angelegt haben, hat die heute 75-Jährige unterarmgroße Steine aus dem Wald geschleppt, mit der Sackkarre haben sie diese dann zu ihrem Bestimmungsort gebracht. „Diese Steine sind teilweise ausgehöhlt und haben interessante Strukturen. Ich wollte keine Gleichmäßigen aus dem Steinbruch“, sagt sie.

<span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Klaus Hartinger

Wenig Arbeit

Der zweite Sinn, den ihr Steingarten für sie erfüllt, ist der, dass er vergleichsweise wenig Arbeit macht. Immer weniger im Laufe der Zeit. Gegossen wird dort gar nicht – es sei denn, es ist einmal wirklich sehr heiß. Auch gedüngt wird nicht. Was dort wächst, holt sich selbst das, was es braucht. „Ich bin zwar noch topfit. Aber wir wollten doch ein Stück Garten haben – gerade am Hang –, wo wir kaum Hand anlegen müssen“, erklärt die mehrfache Mutter und Großmutter.

<span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Klaus Hartinger

Dann denkt sie nach und sagt, sie sei wirklich glücklich. Mit ihrem Mann. Mit ihrem Leben. Mit ihrem Garten sowieso. Erst recht, wenn sie schon morgens aus dem Küchenfenster schaut und die Farbenpracht in ihrem Steinbeet sieht. Blau, gelb, weiß, rot, lila, dunkelrot, violett, hellblau. „Meine Mutter war ein sehr zufriedener Mensch. Sie hat immer gesagt: ,Es ist, wie es ist, und so, wie es ist, ist es recht.‘ Das habe ich mir zum Vorbild genommen“, erzählt die Seniorin.

<span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Klaus Hartinger

Das ist auch und gerade in dieser Krisenzeit besonders zu spüren. Erika Nägele jammert nicht, dass sie derzeit ihre Enkel kaum sieht. Dass sie derzeit nicht ins Pflegeheim gehen kann, um wie sonst alten Menschen Gesellschaft zu leisten. Dass sie überhaupt kaum aus dem Haus kommt. Stattdessen sagt sie, dass sie und ihr Mann die Zeit zusammen im Haus, auf dem Balkon und im Garten genießen. Die beiden freuen sich tagtäglich an ihren Blumen, nicht zuletzt auch an denen im Steingarten.