Forschung ethisch betrachtet

Katrin Paldán ist Vorsitzende der FH-Forschungsethik-Kommission.
Seit wann gibt es die Forschungsethik-Kommission an der Fachhochschule Vorarlberg?
Katrin Paldán: Wir haben den Auftrag, uns zu konstituieren, letztes Jahr im Oktober von Geschäftsleitung und Rektorat bekommen. Die Idee und den Auftrag an Professor Guido Kempter, eine Arbeitsgruppe einzurichten, gab es aber schon 2018. Diese Gruppe sollte überlegen, welche Aufgaben so eine Forschungsethik-Kommission hat und was ihre Handlungsgrundlage ist.
Was war der Grund für die Errichtung?
Paldán: Zwei Dinge. Wir haben als Fachhochschule Vorarlberg zwei Standbeine: Lehre und Forschung. Die Forschung finanziert sich letztendlich über Projekte und von Fördergebern wird immer mehr gefordert, ethische Aspekte in den Forschungsvorhaben mitzudenken. Aber auch für die Veröffentlichung in wissenschaftlichen Journalen muss eine Studie ethischen Kriterien entsprechen. Das andere ist, dass verantwortungsvolles Forschen beinhaltet, neben dem Fortschritt der Wissenschaft auch das Wohl der Gesellschaft im Auge zu behalten.
Gibt es auch an anderen Fachhochschulen derartige Kommissionen?
Paldán: Genau weiß ich es nicht, aber wir dürften eine der ersten Fachhochschulen sein, die das schon etabliert hat. Ich bin in Kontakt mit anderen Fachhochschulen, die das auch auf den Weg bringen und von unseren Erfahrungen lernen wollen.

Aus welchen Bereichen kommen die Mitglieder der Kommission?
Paldán: Es ist in der Satzung festgelegt, wie sich so eine Kommission zusammensetzen muss. Wir sind jetzt fünf Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder. Es ist jemand an Bord, der sich mit den Fragen Gleichstellung/Diversität beschäftigt. Alle Mitglieder können sehr viel Erfahrung mit Forschung an und mit Menschen vorweisen und sind im Bereich der empirischen Forschungsmethoden ausgewiesen. Es ist auch eine Informatikerin mit dabei, um die Sicht der technischen Fächer einzubringen. Alle Mitglieder haben sich bereits mit ethischen Fragestellungen auseinandergesetzt oder an anderer Stelle in Ethikkommissionen mitgewirkt. Zudem ist auch eine Person aus dem juristischen Bereich dabei, wobei wir die aktuell nicht direkt in der Kommission haben, sondern immer dann beiziehen, wenn es nötig ist.
Gab es schon Anfragen?
Paldán: Ja, gleich im Oktober ging es sehr gut los. Wir haben mittlerweile schon drei Anträge begutachtet und uns gemeinsam als Kommission verschiedene Ziele gesetzt. Unsere Kernaufgabe ist es, uns Forschungsanträge von Mitgliedern der Fachhochschule oder Projekte mit anderen Partnerorganisationen anzuschauen. Wir sind allerdings nicht für medizinische Forschungsvorhaben zuständig. Das ist Aufgabe der dafür zuständigen Ethikkommission des Landes. Für unsere Arbeit haben wir einen Kriterienkatalog erarbeitet. Diesen ziehen wir heran, wenn ein Prozess gestartet wird.
Wie läuft das dann ab?
Paldán: Zunächst wird ein Antrag gestellt. Das dafür nötige Formular ist schon relativ umfangreich. Der Forschende muss ein klares Bild davon haben, was die Fragestellung und die Zielsetzung ist. Wie ist die Art der Einbindung der teilnehmenden Personen, welche Instrumente benutze ich, … Unsere Aufgabe ist es, wissenschaftliche Untersuchungen an und mit Menschen mit zu erwartenden Folgen für den Menschen ethisch zu beurteilen und Stellungnahmen abzugeben. Den Kriterienkatalog haben wir auch veröffentlicht, weil uns Transparenz ganz wichtig ist.
ZUr Person
Katrin Paldán
Geboren 1980 in Bad Friedrichshall (D).
Studium der Sportwissenschaften an der Universität Stuttgart, Promotion. Studiengangsmanagerin und akademische Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart. Forschungstätigkeit an der Universität Duisburg Essen.
Seit 2019 am Forschungszentrum Nutzerzentrierte Technologien der FH Vorarlberg.
Seit 2020 Vorsitzende der Forschungsethik-Kommission der FH.
Was genau untersuchen Sie in den Anträgen?
Paldán: Wir schauen uns vor allem an, was die Fragestellung ist und machen eine allgemeine Einschätzung, ob die methodische Vorgehensweise geeignet ist, die Fragestellung zu beantworten. In welcher Art und Weise werden Menschen direkt in die Forschung eingebunden, wie werden sie erreicht, ist davon auszugehen, dass man wirklich alle Zielgruppen erreicht? Wir schauen auch auf das Thema Gerechtigkeit: Ist zum Beispiel der Aufruf zur Teilnahme niedrigschwellig, wird jemand ausgeschlossen.
Wie läuft dann der Prozess ab?
Paldán: Dieser Antrag geht bei mir ein und ich schaue dann zunächst, ob formal alles passt. Dann wird das Verfahren eröffnet und mindestens fünf Mitglieder, bei denen keine Befangenheit vorliegt, gehen den Katalog jeweils für sich durch. Dann kommen wir in der Gruppe zusammen, um zu diskutieren. Man schaut sich das Ganze hinsichtlich Fürsorge, Autonomie, technische Sicherheit, menschliche Sicherheit, Gerechtigkeit, Partizipation an.
Sie kommen dann zu einem Beschluss, oder?
Paldán: Genau, dann kommt ein Beschluss. Der kann drei Formen haben: Es kann sein, dass das Votum (wissenschaftliche Beurteilung, Anm.) erteilt wird, ohne dass ethische Bedenken geäußert werden. Es kann aber auch sein, dass das Votum unter Umsetzung bestimmter Auflagen gewährt wird. Wir unterscheiden zwischen Auflagen, die verbindlich zu erfüllen sind, und Empfehlungen. Die dritte Möglichkeit wäre, dass wir so schwerwiegende ethische Bedenken haben, dass wir zum einen der Person, die den Antrag eingereicht hat, nochmal die Chance geben, auf unsere zusätzlichen Fragen zu antworten. Unter Umständen gibt es auch einen ablehnenden Bescheid.

Wie sind die bisherigen Beschlüsse ausgefallen?
Paldán: Wir haben Voten erteilt unter Nennung einiger, meisten waren es zwei, drei, Auflagen, die zusätzlich erfüllt sein müssen. Die Anträge waren recht unterschiedlich, aber wir haben immer gesehen, dass es der Erfüllung von Auflagen benötigt, um die Bedenken, die wir hatten, auszuräumen.
Mit wie viel Arbeit rechnen Sie in Zukunft?
Paldán: Wir sind ziemlich schnell mit ersten Anträgen konfrontiert worden. Jetzt hat es sich wieder beruhigt. Wir wollen auch Studierenden das Angebot machen, ihre Masterarbeiten zu sichten. Wenn das greift, kann das natürlich ein sehr hoher Aufwand werden. Für Studierende ist es aber schon eine Herausforderung, rechtzeitig so weit zu sein, diesen Antrag zu stellen. Da bin ich selber gespannt, wie das angenommen wird. Im Moment rechne ich damit, dass hauptsächlich von unseren Forschungszentren etwas kommt, und da habe ich den Eindruck, eher aus dem Bereich Soziales und Gesundheit. Ich glaube, wir müssen noch ein bisschen Aufmerksamkeit in den technischen Departements, in der Wirtschaft und der Gestaltung schaffen.
Wie haben die Antragsteller auf Ihre Beschlüsse reagiert?
Paldán: Die drei waren sehr dankbar und haben das als wertschätzende und hilfreiche Rückmeldung gesehen. Diese Frage hat uns aber natürlich auch im Vorfeld beschäftigt, dass das letztendlich nicht gut aufgenommen wird. Wir waren daher selber neugierig, wie das aufgenommen wird, aber bislang wurde sehr positiv darauf reagiert. Wir geben uns aber auch Mühe, das gut zu begründen und liefern auch Vorschläge, wie die Auflagen umgesetzt werden können.