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Die angenehmste Art des Meditierens

08.05.2021 • 19:30 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Bunt und vielfältig wie der Laden sind auch die fertigen Kleidungsstücke.<br><span class="copyright">Stiplovsek</span>
Bunt und vielfältig wie der Laden sind auch die fertigen Kleidungsstücke.
Stiplovsek

Die Steigerung von Meditation ist für manche Stricken. Ruhig, sinnlich.

Anette Becks Wollladen in Lustenau heißt „Movaja“. Der Name klingt nach einer Wolle, die großartig, aber hierzulande noch unbekannt ist. Tatsächlich sind es die Namensanfänge ihrer drei Kinder: Moritz, Valentin und Jana.
Für die dreifache Mutter klingt der Name also hauptsächlich nach allem, was ihr wichtig ist, was ihre Verantwortung begründet: Machen, was man kann und gerne tut – wie stricken. Machen, was Menschen verbindet – einen Wollladen mit Strickabenden gründen. Es so tun, dass es möglichst wenigen Lebewesen schadet: weitgehend plas­tikfrei sein, ohne Plastiktaschen, meist ohne künstliche Fasern in der Wolle. Regional einkaufen, wo es geht: Die Inhaberin kauft auch selbstgefärbte Wolle von einer Bäuerin in Bürserberg, Tanja Moser, die eigene Kaschmir- und Mohairziegen hat.

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Wärme und Farben

Movaja ist also ein Wollladen. Die bunten, nach Farben sortierten Wollknäuel und Spulen verbreiten Wärme, Aufgeräumtheit, das Warten auf diejenige, die kommen wird, auf die Wolle zugeht und sagt: „Die ist es.“ Unter einem großen Tisch schläft der Hund – im Moment. Denn Movaja ist mehr als ein Wollladen. An diesem Tisch sitzen eigentlich regelmäßig Strickfans und solche, die es werden wollen, fachsimpeln, klären Fragen, bewundern Wolle, stricken. „Was für eine Wolle hast du genommen?“ „Welche Nadelstärke?“ „Wie verhält sich die Wolle?“ Stricken hat etwas Meditatives, ja, Therapeutisches, bestätigt die Ladeninhaberin. Es ist sinnlich und Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Material und den Vorstellungen im Kopf. Was herauskommt, muss herumgezeigt, bestaunt werden.
„Das Stricken, und wenn man ein Teil fertig hat, macht auch selbstbewusster“, hat die Inhaberin von Movaja beobachtet. „Die Haptik, das Produktive, die Farben, das Handwerkliche, das Reden, das alles erdet.“

Strickabende

Leider kann sie wegen Corona derzeit ihre Strickabende nicht abhalten. Es haben sich aber in der Zwischenzeit einige junge Frauen mit Interesse am produktiven Austausch gemeldet, sodass sie, sobald es wieder möglich sein wird, zwei Strickabende etablieren möchte, einen für die älteren Damen und einen für die jungen. Sie freut sich schon.
Beck ist studierte Kontrabassis­tin und hat nicht nur ihre drei Kinder großgezogen, sondern war beruflich mitverantwortlich für die musikalische Frühförderung in den ersten und zweiten Klassen der Lustenauer Volksschulen. „Es ist erstaunlich, was sich die Kinder alles merken“, sagt sie.

Trotzdem, irgendwann kam der Moment, wo sie den Mut hatte, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Sie strickt, seit sie jung ist. Mit 15 Jahren, erinnert sie sich, ist sie mit ihrer Freundin strickend im Schulunterricht gesessen. In der Zwischenzeit hat die heute 50-Jährige viel gestrickt. Schals, Jacken, Pullover, Strümpfe, Mützen. „Stricken könnte ich zehn Stunden am Tag.“

Kreativität und Leidenschaft treffen sich im Laden von Anette Beck.<br><span class="copyright">Stiplovsek</span>
Kreativität und Leidenschaft treffen sich im Laden von Anette Beck.
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Wolle aus Naturfasern

Inzwischen hat sie immer eine ganze Handvoll Projekte gleichzeitig und erzählt, sie habe sich vorgenommen, an jedem mindestens fünf Minuten am Tag zu stricken, um voranzukommen. Die Strickbegeisterte zeigt ihre verschiedenen Wollen: von Ito, einer ursprünglich japanischen Firma, über Pascuali aus Italien, Zitron und Malabrigo bis hin zu Knitting for Olive und dem niederländischen Sandnes Garn. Baumwolle in dünner Qualität, Seide, Leinen, ein Brennnessel-Mix oder ein Gemisch mit Papierfasern.

Viele verschiedene Farben stehen zur Auswahl.<br><span class="copyright">Stiplovsek</span>
Viele verschiedene Farben stehen zur Auswahl.
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Wahrscheinlich könnte sie in einem Experiment sogar die langen, lockigen Haare ihres Hundes verstricken. Ob sie daran schon gedacht hat? „Ich wollte von unserem Doodle immer mal nach dem Haarescheren was aufheben, aber mein Mann hat die Haare schnell entsorgt“, sagt die Strickbegeisterte und lacht. Alle ihre Garne sind mit höchster Sorgfalt ausgesucht und schmeicheln beim Tragen. „Ich habe alle Garne, die ich verkaufe, verstrickt, sodass man sehen kann, wie sie am Ende wirken und sich anfühlen.“ Die Lustenauerin strickt inzwischen nur noch von oben nach unten. „Das ewige Aneinandernähen, und am Ende sieht es erst nicht gut aus. Ich mache das Teil als Ganzes, dann sehe ich viel schneller, was es gibt.“

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Onlineshop

Ihre Erfahrung hilft ihr bei jedem zu strickenden Teil. Zum Beispiel bei den Farben. So gibt es für jede Qualität andere Nuancen. Etwa bei der selbstgefärbten Wolle aus Bürserberg. Weiche Farben sind es, warm und leuchtend. „Die deutschen Label färben viel geradliniger“, findet die Ladeninhaberin. Überhaupt, die Farben: Jede Kundin mag andere, es ist wichtig, dieselbe Wolle in ebendieser Farbe nachbestellen zu können, und sie ist froh, dass das mit ihren ausgesuchten Anbietern möglich ist.

Und Corona? Auch sie leidet unter den Folgen der Corona-Pandemie. Teilweise steht sie längere Zeit allein im Laden, bleiben gerade ältere Kundinnen weg. Derzeit baut sie einen Onlineshop auf, so dass sie ihre Wolle auch wird verschicken können. Und bis es besser wird? Einen guten Tee trinken – und stricken.

Movaja – Wolle, Seide & Mehr

Anette Beck

Staldenstraße 11,

Lustenau

Tel. 0664-5326979

anette.beck@gmx.at

Geöffnet Mo, Do, Fr 10-12.30 Uhr, 15 bis 18.30 Uhr, Di 15-18.30 Uhr

www.mojava.at