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„Der Ball ging an die Hochspannungsleitung“

13.06.2021 • 12:00 Uhr / 11 Minuten Lesezeit
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Hartinger

VFV-Sportdirektor Andi Kopf erzählt Anekdoten aus seiner Karriere.

Was sagen Sie zur 600-seitigen VFV-Chronik, die am 5. Juli erscheint?
Andi Kopf:
Die Chronik ist sensationell geworden, ein echtes Muss für jeden Fußball-Fan im Land. Ich kann da den beiden federführend Verantwortlichen nur von Herzen gratulieren: Was Autor Christian Rhomberg und unser Archivar Siegi Margreiter geleistet haben, kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Die beiden haben in jahrelanger, eigentlich jahrzehntelanger Detailarbeit viele Geschichten und Fotos zusammengetragen. Weil Siegi Margreiter bei uns in der VFV-Geschäftsstelle ein Büro hat, habe ich es hautnah miterlebt, mit wie viel Herzblut er arbeitet. Er will alles immer ganz genau wissen, zu jedem Foto die Geschichte dahinter erfahren. Vor Corona-Zeiten hat er auf der Suche nach Fotos viele Hausbesuche gemacht. So ein Nachschlagewerk, wie wir es bekommen, hat kaum ein Landesverband. Ich will keine Namen nennen, aber zuletzt hat ein Landesverband eine Chronik herausgegeben, die hatte kaum mehr als Schulheftstärke.

Wie wichtig ist die Chronik für den heimischen Fußball?
Kopf:
Die Chronik dokumentiert einhundert Jahre Fußball in Vorarlberg und bewahrt damit Erinnerungen, die ansonsten für immer verloren gegangen wären. Dieses Nachschlagewerk macht einem auch bewusst, dass wir jeden Tag einen kleinen Teil unserer Geschichte schreiben, die in Summe unser Leben, und im Großen gedacht, unseren Zeitgeist ausmacht. Die Spieler, auf die wir heute in dieser Chronik zurückblicken, waren einmal kraftstrotzend jung, so wie es die heutigen Spieler sind. Und eines Tages wird dann auf die Karrieren der heutigen Spielergeneration zurückgeblickt. Ich finde also, die Chronik ordnet vieles ein.

Andi Kopf in einer Altacher Schülermannschaft. Kopf ist der Junge mit Ball, der Dritte von links in der unteren Reihe ist Adi Hütter.  <span class="copyright">Privat</span>
Andi Kopf in einer Altacher Schülermannschaft. Kopf ist der Junge mit Ball, der Dritte von links in der unteren Reihe ist Adi Hütter. Privat

Ihre Highlights in Vorarlbergs Fußball-Historie?
Kopf:
Ich habe die Entwicklung des Fußballs hautnah miterlebt, vor allem auch die vom SCR Altach. Ich bin ein Altacher, war beim SCRA im Nachwuchs. Der überwiegende Teil davon waren noch die Zeiten im Riedle, wir hatten damals einen Platz mit einem einzigen Kiosk und zwei Kabinen für alle Mannschaften, von den Kleinsten bis rauf zum Eins. Einmal im Jahr hat man die Pfosten neu gestrichen, weil sie verrostet waren. Ich werde nie die Derbys gegen Hohenems vergessen, mit 1500, 2000 Zuschauern, die dichtgedrängt und ganz nah rund um den Platz standen. Die Atmosphäre war gigantisch, das klingt jetzt vielleicht etwas nostalgisch, aber so etwas gibt es heute nicht mehr. Es würde auch nicht mehr gehen, das ist ein typisches Beispiel dafür, dass jede Zeit ihren Charakter hat.

Wann hat Sie der Fußball gepackt?
Kopf:
Ich stamme aus einer Fußballer-Familie und bin auf dem Fußballplatz groß geworden. Mein Vater hat das Riedle mitaufgebaut, er hat auch beim Umzug ins Schnabelholz geholfen. Er war selbst Funktionär in Altach, meine Onkel waren involviert, viel später war dann ja mein Bruder Karlheinz lange Obmann. Trotzdem war ich nicht von klein auf Fußballer. Ich war zuerst Kunstturner, bin dann mit acht Jahren zum Fußball gekommen, und von da an war das Riedle mein zweites zuhause. Meine Begeisterung für den Fußball hat mich sogar ein Schuljahr gekostet. (lacht)

Das heißt?
Kopf:
Meine Mutter musste mich oft noch um 22 Uhr vom Platz holen, ich war völlig fußball-verrückt, die Schule hat mich überhaupt nicht interessiert. Der Klassenvorstand meinte, wenn ich wenigstens zwischendurch mal die Hausaufgaben gemacht hätte, wäre ich locker durchgekommen. Aber ich hatte einfach keine Zeit. (lacht) Das war in der 2. Klasse Hauptschule. Meine Eltern wollten mir danach natürlich den Fußball verbieten. Ich kann mich noch gut erinnern, wie SCRA-Nachwuchsleiter Rainer Kopf und Trainer Josef Rainer meine Eltern bei uns im Esszimmer davon überzeugen konnten, dass ich, natürlich mit einigen Versprechungen meinerseits untermauert, weiterspielen sollte.

Wie ist es dann weitergegangen?
Kopf:
Hans Trittinger hat mich ins Eins geholt. Er hat bei einem Juniorenspiel zugeschaut, ich habe zwei Tore geschossen, und am nächsten Tag bin ich beim Eins ins Spiel gekommen. 1986 sind wir mit Günther Kerber als Trainer in die Regionalliga aufgestiegen. Später wurde Alfons Dobler Trainer, von dem ich am meisten mitgenommen habe, unter ihm wurde ich Stammspieler. Wir hatten eine lässige Mannschaft, ich spreche von der Generation Rade Plakalovic, der für viele eine Vaterfigur war, zu ihm haben wir aufgeschaut, dann spielten Kiki Ender, Gerhard Knauder, Gerald Kassegger im Tor, Elmar Morscher und und und.
Ihre eindrücklichsten Erinnerungen an Ihre Fußballkarriere?
Kopf: Unser Präsident Horst Lumper hat ja in der Vorwoche davon erzählt, dass in Au mitten auf dem Spielfeld ein Telefonmast stand. Ich kann eine ähnliche Geschichte erzählen, die ich mit Altach in Schruns erlebt habe. Über dem Platz in Schruns ging eine Hochspannungsleitung, unser schon erwähnter Torhüter Kassegger machte einen Ausschuss, dabei ging der Ball an die Hochspannungsleitung. Der Ball muss die Leitung voll getroffen haben, denn er wurde zurückgeschleudert, setzte vor Kassegger auf, ging über ihn drüber. Gerald hat noch versucht, den Ball im Nachfassen zu bekommen, konnte ihn aber nicht mehr ablenken. Der Ball ging ins Tor. Der Treffer zählte, weil Gerald den Ball berührt hatte. Wir sind wegen dieses Treffers aus dem VFV-Cup ausgeschieden. (lacht) Da fällt mir noch eine schmerzhafte VFV-Cup-Erinnerung ein.

Ja?
Kopf:
Wir standen 1990 mit Altach im VFV-Cup-Finale, es war das dritte Mal in kurzer Zeit, und trafen auf den FC Wolfurt. Wir waren haushoher Favorit, führten 2:0 – und waren uns danach zu sicher. Wolfurt hat ausgeglichen, wir mussten ins Elfmeterschießen, das wir verloren haben.

Haben Sie geschossen?
Kopf:
Ja, und so wie Rade Plakalovic habe ich verschossen. Ich war eigentlich ein Elfmeterspezialist, war bei allen Vereinen der standardmäßige Schütze, ich war später Spieler und danach Spielertrainer in Göfis und zum Schluss meiner Karriere in Wolfurt. Dazwischen war ich noch mal ein Jahr in Altach. Jedenfalls war das einer der ganz wenigen Elfmeter, die ich verschossen habe. Ausgerechnet in einem Finale.

Horst Lumper hat auch erzählt, dass es ihm Jahre nachhing, dass er 1990 im ÖFB-Cup gegen den Meister FC Tirol eine riesige Chance auf das 1:1 vergab. Wie lange hing Ihnen der verschossene Elfmeter nach?
Kopf:
Sehr lange, eigentlich tut er das noch heute. (lacht) So was wird man nicht mehr los, weil es um einen Titel ging. Ich sehe heute noch, wie der Ball übers Tor geht. Ich ärgere mich grad wieder.

Andi Kopf als Spieler.<span class="copyright"> PRivat</span>
Andi Kopf als Spieler. PRivat

Wie war der Spieler Andi Kopf?
Kopf:
Ich war durchschnittlich talentiert, aber ehrgeizig und fleißig. Ich habe als Libero sehr strategisch gedacht und immer versucht, die Mannschaft zu lenken, erst recht, als ich in Göfis Spielertrainer war. Das funktionierte gut, weil ich das Spiel vor mir hatte, so konnte ich auf meine Vorderleute eingehen. Ich habe sogar vom Spielfeld aus die Auswechslungen bestimmt. Wir sind in Göfis Vorarlbergliga-Meister geworden, der Verein hat jedoch auf den Aufstieg verzichtet.

Als Sie 1991 eben nach Göfis wechselten, hatte der SCRA ein erstes Mal den Aufstieg in die 2. Liga geschafft. Hätte es Sie nicht gereizt, in der 2. Liga zu spielen?
Kopf:
Doch, natürlich, ich hätte auch einen Kaderplatz gehabt. Aber ich war mit 24 schon vierfacher Vater, wir hatten Drillinge bekommen – und da kann man kein so großes Wagnis eingehen. Ich hatte die HTL absolviert, ich habe also doch noch bemerkt, wie wichtig die Schule war, und arbeitete bei Hirschmann. Diese Stelle wollte ich nicht aufgeben.

Wie wurden Sie 2003 Sportlicher Leiter beim VFV?
Kopf:
Ich bin 2001 beim BNZ nebenberuflich U17-Trainer geworden, im Winter 2002/03 hat der Verband einen neuen Sportlichen Leiter gesucht und mir den Job angeboten, wofür ich bis heute sehr dankbar bin.

Macht es Sie stolz, die Entwicklung des heimischen Fußballverbands fast zwei Jahrzehnte lang mitgestaltet zu haben?
Kopf:
Absolut, ich habe beim VFV meine Erfüllung gefunden. Ich habe in Bregenz die Akademie aufgebaut, was eine riesige Herausforderung war. Ich war unter anderem als leitender Instruktor verantwortlich für die Trainer­ausbildung im Land und bin das heute noch, vom Kinderkurs bis zur UEFA-B-Lizenz. In den 18 Jahren haben sicher 1500 Trainer die Lehrgänge absolviert, deren Arbeit ich mit meinem Ausbildungskonzept geprägt habe. Das ist eine große Verantwortung gegenüber den einzelnen Personen und dem Vorarlberger Fußball als Ganzes, der ich mir immer bewusst war.

Ihre schwierigste Entscheidung?
Kopf:
Aus persönlicher Sicht, als ich 2018 entscheiden musste, ob ich beim VFV Sportdirektor bleibe oder die Akademie in der Mehrerau weiterführe. Im Zuge einer Strukturreform trennten wir die beiden Ämter. Mein Kopf sagte, dass ich den Posten des Sportdirektors wählen soll, mein Herz hing dagegen sehr an der Mehrerau. Ich wählte den ­Sportdirektor-Posten, und wir haben die Leitung der Akademie in die Hände von Didi Berchtold übergeben. So schwer es mir fiel, es war richtig. Denn ich sehe mich als Entwickler und als Entwickler, muss man loslassen können.

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