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Gleichstellung ist weiter Großbaustelle

02.07.2021 • 20:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Der Gleichstellungsbericht wurde von Studienautorin Sabine Juffinger, ÖGB-Geschäftsführerin Manuela Auer, Landesrätin Katharina Wiesflecker und AK-Vizepräsidentin Jessica Lutz (v.l.n.r.) präsentiert. <span class="copyright">VLK/Serra</span>
Der Gleichstellungsbericht wurde von Studienautorin Sabine Juffinger, ÖGB-Geschäftsführerin Manuela Auer, Landesrätin Katharina Wiesflecker und AK-Vizepräsidentin Jessica Lutz (v.l.n.r.) präsentiert. VLK/Serra

Hohe Teilzeit-Quote bei Frauen und niedrige Verdienste nach wie vor großes Problem.

Etwas Positives, aber auch viel Verbesserungswürdiges gibt es in Vorarlberg in Sachen Gleichstellung. Das geht aus dem am Freitag präsentierten Vorarlberger Gleichstellungsberichts 2021 hervor. Die zuständige Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) nannte die Ergebnisse „ernüchternd“. Die Situation werde sich allerdings nur verbessern, wenn man dem komplexen Problem auch auf vielschichtige Weise begegne. So sei nicht nur sie als Frauenlandsrätin gefordert, sondern die gesamte Landesregierung. Ebenso brauche es einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs etwa über die Bewertung der Arbeit von Frauen. Denn die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern klafft fast nirgendwo in Europa stärker auseinander als in Vorarlberg. Auch die hohe Zahl von Frauen in Teilzeitbeschäftigung gibt den Verantwortlichen Grund zur Sorge.

Auf dem Vormarsch

Sabine Juffinger, eine der Studienautorinnen, startete beim Pressegespräch ihre Ausführungen jedoch mit einem positiven Ergebnis der Untersuchung. So habe es im Bildungsbereich seit 1971 „eine Revolution“ gegeben. Damals hatten 80 Prozent aller Frauen über 15 Jahre lediglich einen Pflichtschulabschluss als höchste Ausbildung. Bis 2018 sank diese Zahl auf 25,5 Prozent, während der Anteil der höheren Abschlüsse deutlich anstieg. In manchen Bereichen haben die Frauen die Männer diesbezüglich sogar überholt. „Zwei Drittel aller Maturantinnen und Maturanten sind Frauen“, brachte es Juffinger auf den Punkt. Die Entwicklung sei „sehr, sehr erfreulich“. Zugleich gibt es aus Sicht der Expertin aber auch einen Wermutstropfen. Denn bei der Wahl des Ausbildungsweges gebe es immer noch die klassischen Rollenbilder. Männer seien vermehrt in den technischen Berufen zu finden, während Frauen eher im hauswirtschaftlichen, fürsorglichen oder pädagogischen Bereich tätig seien. Bei den Lehrberufen lasse sich jedoch eine Veränderung feststellen. Dort gewinne die Metalltechnik bei den weiblichen Lehrlingen an Beliebtheit. Es tue gut, die positive Entwicklung zu sehen, betonte Juffinger.

Metalltechnik wird bei Mädchen immer beliebter. <span class="copyright">Symbolbild/apa</span>
Metalltechnik wird bei Mädchen immer beliebter. Symbolbild/apa

Weniger erfreulich ist für die Expertin jedoch die hohe Teilzeit-Quote der Vorarlberger­innen. Diese beträgt 51,5 Prozent und ist die höchste in Öster­reich. Ein Großteil der Teilzeitarbeit entfalle dabei auf Frauen mit Kindern. Die Teilzeit-Quote bei Müttern liegt bei 82,1 Prozent. Dadurch seien sie vielfach auch alleine für die unbezahlte Familien- und Sorgearbeit zuständig. Die Gründe für die hohe Zahl an Frauen, die nur in Teilzeit arbeiten, sind vielschichtig. So sei beispielsweise das Kinderbetreuungsangebot trotz Fortschritten in den vergangenen Jahren weiterhin ausbaufähig.

Höhere Löhne

Ein weiterer Faktor ist die Nähe zur Schweiz. Dadurch würden auch von den Vorarlberger Unternehmern höhere Löhne gezahlt – vor allem in den technischen Berufen. Davon würden wiederum Männer profitieren. Dies führe oftmals dazu, dass es für Familien leistbar sei, wenn Frauen lediglich Teilzeit arbeiten.

Aufklärungsarbeit

ÖGB-Landesgeschäftsführerin Manuela Auer forderte in diesem Zusammenhang einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Ebenso müsse Aufklärungsarbeit betrieben werden. Denn viele Betroffene wüssten nicht, dass durch die Teilzeitarbeit Altersarmut drohe. Nicht zuletzt müsse auch über die Bewertung der Arbeit diskutiert werden. Es müsse in den Gesundheitsberufen, in der Pflege und auch bei den Dienstleistungen mehr bezahlt werden. Dem stimmte auch Landesrätin Wiesflecker zu. Allerdings seien diese Berufe vielfach auch steuerfinanziert. Da brauche es das Bekenntnis dazu, die Budgets etwa in der Pflege oder in der Pädagogik entsprechend zu erhöhen.

Die Einkommensschere klafft in Vorarlberg besonders weit auseinander. <span class="copyright">APA</span>
Die Einkommensschere klafft in Vorarlberg besonders weit auseinander. APA

Die Studienautorinnen haben im Gleichstellungsbericht ebenfalls mehrere Handlungsempfehlungen definiert, die sich nicht nur an das Land Vorarlberg richten. Sabine Juffinger regte an, bei den Bemühungen um Gleichstellung auch neue und unkonventionelle Wege zu beschreiten. Sie verwies dabei auf das Beispiel Neuseeland. Dort habe die junge Premierministerin Jacinda Ardern sich dafür eingesetzt, dass Lehrlinge unabhängig von ihrem Beruf den gleichen Lohn erhalten. Möglich sei es auch, Wirtschaftsförderungen daran zu koppeln, ob in den Unternehmen Väter in Karenz gehen können. Es brauche dafür aber viel Mut und Kraft seitens der Politik, um weiterzukommen.