Kulturgeschichte und Kunst auf der Alpe

Beim Walserherbst wurde eine Land-Art-Arbeit von Matthias Würfel präsentiert.
Historie und Kunst standen im Mittelpunkt einer Wanderung im Rahmen des Walserherbsts, die am vergangenen Wochenende auf die Brandalpe in Damüls führte. Das Wetter war – wie so häufig in diesem Sommer – zwar nicht unbedingt ideal für Outdoor-Veranstaltungen. Der Regen war ständiger Begleiter. Dennoch waren es rund 40 Interessierte, die sich am Samstag in der Walsergemeinde im hinteren Bregenzerwald ausgehend von der Bergstation des Uga-Express auf die Spuren zeitgenössischer Kunst sowie Kulturgeschichte der Gegend begaben.

Der Damülser Walter Bertsch, Alpbesitzer und Eigentümer einiger Gebäude einer vermutlich mehrere Hundert Jahre alten Walsersiedlung auf der Brandalpe, machte auf dem Weg dorthin aufmerksam auf alte Grenzmauern oder Plätze, an denen einst vermutlich gesellschaftliche Zentren waren. Kurz vor der Siedlung, auf knapp 1750 Metern Seehöhe, hat der in Salzburg aufgewachsene und im Großen Walsertal lebende Architekt und Künstler Matthias Würfel seine Land-Art-Installation „Carlina ignis“ errichtet.

Übersetzen lässt sich der Name der Arbeit mit „Branddistel“ – und dass er Bezug auf den Ort nimmt, kommt nicht von ungefähr. Würfel lässt sich bei seinen Land-Art-Projekten immer auch von der Atmosphäre des Ortes inspirieren, wie er erklärte: „Was sehe ich, was spüre ich?“ Stille und räumliche Geborgenheit seien es etwa an diesem Ort gewesen, an dem er rund zwei Wochen verbracht hat.
Ein weiterer Aspekt, den er in seine Arbeiten einfließen lässt, ist auch die Kulturgeschichte der Landschaft. Aufgefallen ist ihm dabei auf der Brandalpe die große Distelpopulation. Aber auch eine Wesensanalogie stellt der Künstler her zwischen der zähen und robusten Distel und den zähen und robusten Ur-Walsern, die laut Erzählung die hochgelegenen Bergregionen besiedelten und bewohnbar machten.

Entstanden ist letztlich eine Distel-Trilogie – Keimling, Knospe, Blüte. Aus fast ausschließlich Naturmaterialien – Fichte und Alpenrose – baute Würfel drei große skulpturenartige und doch fragil wirkende Objekte, die sich ästhetisch ansprechend und stimmig in der Landschaft erheben. Auch die Dreiteilung kommt nicht von ungefähr. Sie bezieht sich laut Würfel auf eine „charakteristische ‚Drei‘ der Brandalpe“: So gliedere sich unter anderem die dortige Landschaft in drei Ebenen: „Blisaebni“, „Obre Böda“ und „Untre Böda“. Zudem habe es architekturgeschichtlich auf Alpen grundsätzlich drei Hauptgebäude gegeben, den Stall, die Hütte und die Heuborge.
„Carlina ignis“ wird nun der Natur überlassen – gegen die Kühe wurde eine Abzäunung errichtet. Wind, Sonne und Regen werden die Arbeit wie meistens bei Land-Art-Projekten verändern. Mit Fortschreiten der Zeit wird sich ihre Gestalt wandeln, wie viel dann letztlich davon übrigbleibt, wird sich spätestens nach dem nächsten Winter zeigen.

Nicht nur übriggeblieben, sondern zu großen Teilen renoviert ist indes ein Großteil der Gebäude der ehemaligen Walsersiedlung. Es ist dem Bemühen von Walter Bertsch zu verdanken, dass einige der Alphütten, Ställe und Heubargen in den vergangenen Jahren mustergültig saniert wurden und nun ein Stück sichtbare Kulturgeschichte darstellen. Einige der Gebäude konnten im Rahmen der Walserherbst-Veranstaltung auch von innen besichtigt werden – in einer der sanierten Alphütten gab es eine Stärkung.
Zurück ging es über die neue Hängebrücke über das Plattentobel, bevor am Abend Anton und Philipp Lingg in der Damülser Pfarrkirche noch den musikalischen Abschluss bildeten.
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