Vom Quereinsteiger zum Publikumsliebling

Der Bundespräsident ist omnipräsent – nicht nur am Nationalfeiertag.
Es ist ein ungewöhnlicher Werdegang, der den Tiroler mit estnischen und russischen Zuwanderern in die Hofburg spülte. Als der renommierte Professor für Volkswirtschaft, der in frühen Jahren an die SPÖ angedockt hatte, 1994 von Peter Pilz zu den Grünen gelockt wurde, hätte er wohl nie zu träumen gewagt, welche Rolle er dereinst als Staatsoberhaupt spielen würde.
Alexander Van der Bellen war Quereinsteiger, doch er wurde rasch vom Experten zum Parteichef. Von 1997 bis 2008 war er Bundessprecher der Grünen, von 1999 bis 2008 amtierte er als Klubobmann im Nationalrat. Nie spielte er sich als „Alleinherrscher auf“, gerne überließ er Mitstreitern die Bühne. 2008 übergab er das Grüne Szepter einer Frau, Eva Glawischnig, vier Jahre später wechselte er in den Wiener Gemeinderat. 2015 war Van der Bellen 71 Jahre alt. Er trat nicht mehr an zur Wiener Wahl sondern konzentrierte sich aufs Private: Im selben Jahr heiratete er Doris Schmidauer, langjährige Weggefährtin bei den Grünen. Seine künftige Lebensplanung blendete das Rampenlicht der Politik aus.
Es sollte anders kommen. Ein zehrendes, monatelanges Ringen gegen Norbert Hofer (FPÖ) ließ ihn 2016 in die Hofburg einziehen. Insbesondere auch die Stimmen der Jugend flogen dem gelassenen, greisen Großvater zu. Der Rest ist Geschichte. Auch viele, die ihn nicht gewählt hatten, waren ihm dankbar dafür, dass er das Schiff Österreich ruhig durch die schwarz-blauen und türkis-grünen Wellen mitsamt allen Gewitterstürmen steuerte. Die „elegante Bundesverfassung“, die ihn dabei stützte, wurde zum geflügelten Wort.
Elegant drückt sich Van der Bellen auch vor der Frage, ob er sich in gut einem Jahr, dann 78 Jahre alt, noch einmal eine Kandidatur antun wird. Eine Mehrheit an Stimmen der Wähler wäre ihm diesmal von Anfang an ziemlich sicher, und Gattin Doris spielt angeblich mit. Eine endgültige Antwort wird er wohl auch heute, bei seinem Auftritt zum Nationalfeiertag nicht geben.