Dornbirner (75) radelte von Helsinki nach Berlin

Walter Jochum (75) aus Dornbirn hat sich auf Skandinavien-Radtour begeben – 2500 Kilometer lang.
Reisebericht
Walter Jochum präsentiert allen Interessierten seine landschaftlich spannende Radreise durch Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland.
Wo: „Wirtschaft“ Dornbirn. Wann: Montag, 8. November 2021 um 19 Uhr. Anmeldung unter: walter.jochum@a1.net oder 0664-5396112.
Drei Wochen Badeurlaub an einem Fleck – das ist nichts für Walter Jochum. Der 75-jährige Dornbirner begeistert sich von jeher weniger für das Ankommen sondern viel mehr für das Reisen. Und um möglichst viele und gründliche Eindrücke auf seinen Touren durch aller Herren Länder zu gewinnen, wählt er stets das Rad als fahrbaren Untersatz. Im Juli diesen Jahres begab er sich auf Skandinavien-Tour. Nur er, sein Fahrrad, 60 Kilogramm Gepäck und ein Navigationsgerät.
Zugegeben, um Distanzen von bis zu 2500 Kilometern zu überwinden, ist Jochum längst auf ein E-Bike umgestiegen. Nichtsdestotrotz bedarf es wohl einer gewissen Fitness. „Man sollte vorher schon etwas getan haben. Ich war mehr oder weniger immer sportlich“, formuliert es der Rentner bescheiden. Jochum jedenfalls wusste, was auf ihn zukommt. Weit über ein Duzend Reisen dieser Art, hat er bereits bestritten.

2500 Kilometer
Helsinki, Turku, Stockholm, Telleborg, Malmö, Kopenhagen, Rostock, Berlin – so lautete die Route über 2500 Kilometer, die so lange auf sich warten ließ. Längst geplant uHelsinki, Turku, Stockholm, Telleborg, Malmö, Kopenhagen, Rostock, Berlin – so lautete die Route über 2500 Kilometer, die so lange auf sich warten ließ. Längst geplant und wegen der Pandemie immer wieder verschoben. „Finnland hat wiederholt das Einreiseverbot für Touristen verlängert. Im Juli hat es dann endlich geklappt“, erzählt Jochum. Unterkünfte und Fährüberfahrten hatte er des Öfteren stornieren und neu buchen müssen. Ein Aufwand, der sich für den Reisebegeisterten gelohnt hat. Rückblickend waren es die Natur und die Einsamkeit, welche Jochum begeistert haben.
Finnland an sich ist schon außerordentlich dünn besiedelt. „Als würde man in Dornbirn wegfahren und erst wieder in Patenen ein Haus sehen.“ Hin und wieder sei ihm ein Elch begegnet. „Bären nicht, obwohl es die dort geben soll“, sagt er und ist wohl ganz froh, dass ihm solche Begegnungen erspart geblieben sind.

28 Tage
Knapp einen Monat, genauer 28 Tage war Jochum unterwegs. Einmal übernachtete der 75-Jährige bei einer pensionierten Orthopädin. „Eine herrschaftliche Villa. Wunderbar eingerichtet. Mit Schwimmbad im Freien“, erinnert er sich. Am Abend habe sie sich bei ihm abgemeldet, um Freunde zum Kartenspielen zu treffen. „Ich fragte, wo sie denn hinfährt, denn da wo ich herkam, hatte ich seit einer Ewigkeit kein Haus mehr gesehen. Und tatsächlich fuhr sie eineinhalb Stunden, eine Strecke, zum Kartenspielen. Im Winter nimmt sie den Skidoo“, erzählt Jochum. Die Einsamkeit ist für ihn kaum vorstellbar.

120 im Schnitt
Für eine Reise im Sommer, startet der Dornbirner im Winter davor mit der Für eine Reise im Sommer startet der Dornbirner im Winter davor mit der Planung. Dabei bestimmt er seine Ziele und welche Stationen er auf den Wegen dorthin passieren will. Auch die Topografie will beachtet sein. Wo sind Höhen, wo Tiefen, und wie ist das konditionell zu bewältigen. Im Schnitt legt er 120 Kilometer pro Tag zurück. Am Schluss reserviert er alle Unterkünfte über eine große Buchungsplattform. Ein Zelt hat er nicht dabei.
Jochum tourt am liebsten alleine. In einer Gruppe müsste man zu viele Interessen unter einen Hut bringen. Außerdem entsteht der Kontakt zu Einheimischen leichter als Alleinreisender als in einem Grüppchen, welches meist unter sich bleibt, weiß er aus Erfahrung.
Auf der anderen Seite ist er eben alleine und muss mit Pannen und anderen unvorhergesehenen Ereignissen klarkommen. Wie gut, dass Jochum ein geschickter Tüftler und technisch versiert ist.

60 Kilogramm Gepäck
Erfahrungen lehrten ihn, auf Nummer sicher zu gehen. So hat er mittlerweile stets einen zweiten Akku oder ein Ersatz-Navi dabei. Jochum setzt seit acht Jahren auf das Bike eines Vorarlberger Fahrradherstellers. 70.000 Kilometer hat das Gefährt mit Heckantrieb schon auf der Uhr. Der Vorteil: Der Motor gewinnt beim Bergabfahren Energie zurück, der Akku lädt sich wieder auf. Außerdem haben derartige Motoren einen starken Vortrieb, sodass sie sich für den Transport von Lasten eignen. Das kommt Jochum zugute, hat er doch 60 Kilogramm Gepäck dabei – inklusive sämtlicher Ersatzteile wie Ketten(glieder), Mäntel oder Schläuche sowie Werkzeug.

13 Radtouren mit dem E-Bike
13 Touren mit dem E-Bike hat Jochum bisher gemeistert. Davor einige „ohne Strom“. Angefangen hat alles vor etwa 20 Jahren, mit dem Start in die Pension. „Bis dahin bin ich mein Leben lang geschäftlich im deutschsprachigen Raum mit dem Auto unterwegs gewesen. 120.000 bis 150.000 Kilometer pro Jahr, und doch habe ich nichts gesehen“, stellt er fest. Ab da wollte er die Welt mit dem Rad abfahren.
Port Saint du Rhone am Mittelmeer, Konstanza am Schwarzen Meer. Budapest, London, Prag, Bratislava, Venedig, Rotterdam. Estland, Lettland, Littauen, St. Petersburg. Die Liste ist lang, die erreichten Destinationen vielerorts.
Die größte Herausforderung bei solchen Mammut-E-Bike-Touren ist laut Jochum übrigens die Rückfahrt. Ein E-Bike im Flugzeug – das ist nicht erlaubt. „Ein ‚normales Rad‘ kann man per Luftfracht aufgeben. Ein Akku darf jedoch nicht mit an Bord.“
Also muss er eine Frächterfirma beauftragen. Und so kam es, dass der Dornbirner einst per Transportschiff vom Schwarzen Meer auf der Donau gen Wien reiste. „Spannende fünf Tage.“

Ein großes Ziel
Jochum steckt bereits mitten in den Vorbereitungen für die nächste(n) Tour(en) im kommenden Jahr. Von Moskau nach Helsinki und weiter ans Nordkap soll es Jochum steckt bereits mitten in den Vorbereitungen für die nächste(n) Tour(en) im kommenden Jahr. Von Moskau nach Helsinki und weiter ans Nordkap soll es 2022 gehen. Und das nicht völlig im Alleingang. Auf der letzten Etappe wird er von seinem Sohn begleitet. Danach fehlt nur noch eines: der französischen und spanischen Küste entlang bis nach Gibraltar. „Dann bin ich quasi einmal von Nord nach Süd geradelt. Das wäre doch was“, ist Jochum begeistert.