Neue Details zu Amazon-Plänen in Dornbirn

Aktionsradius könnte weitaus größer werden als bisher angenommen.
Die Post und Amazon sind so etwas wie ziemlich beste Feinde. Denn der Online-Gigant ist nicht nur der größte Kunde des teilstaatlichen Unternehmens, sondern aufgrund des kontinuierlichen Ausbaus der Eigenzustellung zunehmend auch Konkurrent. Neben den drei bestehenden Verteilzentren im Umland von Wien baut Amazon nun in Linz, darüber hinaus sind Standorte in Graz und Dornbirn geplant.
In der Messestadt, genauer gesagt im Industriegebiet Pfeller, möchte Amazon auf einem 33.000 Quadratmeter großen Grundstück bauen. Wie berichtet hat sich das für Amazon tätige Immobilienunternehmen Go Asset mit der Eigentümerin, der Gebrüder Ulmer Holding, bereits auf die Option eines Baurechtsvertrags geeinigt. Das Projekt sorgt seit geraumer Zeit für Unruhe in Dornbirn. Sämtliche Fraktionen sehen die geplante Amazon-Ansiedlung kritisch, da diese wohl viel Verkehr und vergleichsweise wenig Arbeitsplätze bringen wird.

Postgewerkschaft seiht Arbeitsplätze in Gefahr
Alarm schlägt naturgemäß auch die Postgewerkschaft. Der Vorarlberger Personalvertreter Franz Mähr rechnet mit Arbeitsplatzverlusten, sollte der Onlinehändler in Vorarlberg die Zustellung seiner Lieferungen tatsächlich selbst übernehmen. Zudem gibt er zu bedenken, dass der Aktionsradius von Amazon weitaus größer werden könnte, als bisher bekannt war. Wie er aus Insiderkreisen gehört habe, plane Amazon, von Vorarlberg aus in den süddeutschen Raum und ins Tiroler Oberland zu liefern, von Touren in die Schweiz sei ebenfalls die Rede. Mähr spricht von 400 Lieferfahrzeugen. „Das sind mehr als die Post in Vorarlberg hat, dazu kommt die Anlieferung der Ware mit Lkw. Das wird eine Megageschichte. Was das für den Verkehr bedeutet, kann man sich ausrechnen“, sagt Mähr im NEUE-Gespräch.

Amazon hält sich bedeckt
Amazon will sich zu all diesen Details auf NEUE-Anfrage nicht äußern. Auch zu einem möglichen Zeithorizont machte das Unternehmen keine Angaben. „Logistikprojekte brauchen Zeit, und wir können ein Projekt erst bestätigen, wenn es ein gewisses Stadium erreicht“, so ein Amazon-Sprecher. Dennoch gebe es Kernregionen in Österreich, in denen die Kapazität nicht ausreiche. „Es wäre sinnvoll, dort die Flexibilität unseres Netzwerks irgendwann zu erhöhen, um näher an die Kunden zu rücken. So können wir die Zeit und die Entfernung reduzieren, um sie mit den Produkten zu versorgen, dort, wo sie diese brauchen“, heißt es in der schriftlichen Beantwortung der Anfrage.
Die Auslieferung der Pakete und die Routenplanung übergibt Amazon übrigens an lokale Lieferpartner. Laut dem Postgewerkschafter hat Amazon bereits einzelne Frächter in Vorarlberg zu Gesprächen eingeladen. „Amazon lockt mit Konditionen, die allerdings nur am Anfang lukrativ sind“, behauptet Mähr.

Zuständiger Stadtrat scharf kritisiert
Von der Stadt- und Landespolitik erwartet sich der Postgewerkschafter eine klare Ansage, ob Amazon im Land nun gewünscht sei oder nicht. „Der zuständige Stadtrat Fässler bringt sich wahrscheinlich bei jeder Hundehütte mehr ein als bei der Ansiedlung von Amazon“, wettert Mähr.
Diese Äußerung sei an Dummheit nicht zu überbieten, gibt der harsch kritisierte Stadtrat (ÖVP) für Stadtentwicklung und Stadt- und Verkehrsplanung zurück. „Wir müssen für ein ordentliches Verfahren sorgen. Herr Mähr kann nicht von uns verlangen, dass wir uns über geltende Gesetze hinwegsetzen“, so Fässler. Auch den Vorwurf von Stadtratskollegin Juliane Alton (Grüne), nicht mit den Grundstückseigentümern gesprochen zu haben, will der ressortzuständige ÖVP-Stadtrat nicht so stehen lassen. „Wir sind seit Monaten in Kontakt. Als wir zum ersten Mal von dem Projekt hörten, haben wir sofort den Telefonhörer in die Hand genommen. Wir haben den Eigentümern in der Folge auch angeboten, gemeinsam nach anderen Lösungen zu suchen.“ Wie bereits berichtet, favorisiert die Stadt im betreffenden Gebiet die Ansiedlung von produzierenden Betrieben.

öffentliche Interessen wahren
Keine Kenntnis hat Stadtrat Fässler davon, dass Amazon – unbestätigten Informationen zufolge – von Dornbirn aus auch nach Süddeutschland, Tirol und in die Schweiz liefern möchte. „Allerdings haben wir uns auch gefragt, ob der Markt in Vorarlberg groß genug ist für ein Verteilerzentrum.“ Auf eine entsprechende Anfrage seitens der Stadt habe es vom Projektwerber allerdings geheißen, dass nur innerhalb Vorarlberg ausgeliefert werde.
Stadträtin Juliane Aton spricht sich bekanntermaßen vehement gegen die Ansiedlung aus. Ihrer Meinung nach sollten in diesem Fall nicht nur die Interessen des Eigentümers gewahrt werden, sondern auch jene der Öffentlichkeit. Sie erwarte sich, dass sowohl das Land als auch die Stadt von ihrem Einspruchsrecht Gebrauch macht. Bei dem Gebiet handle es sich schließlich um einen der letzten unverbauten Korridore zwischen dem Bodensee-Rheintalgebiet und der Berglandschaft.
Eine umfangreiche parlamentarische Anfrage an den zuständigen Landesrat Marco Tittler brachte am Freitag SPÖ-Landtagsabgeordnete Manuela Auer ein.

Das will Landtagsabgeordnete Manuela Auer (SPÖ) von Landesrat Marco Tittler (ÖVP) wissen:
1. Wie beurteilen Sie die geplante Ansiedlung von Amazon hinsichtlich der Ziele,
die Ihr Ressort in Sachen Wirtschaftsstandorts- und Arbeitsmarktpolitik
verfolgt?
2. Wie stehen Sie in Ihrer Funktion als Wirtschaftslandesrat zur Ansiedlung von
Amazon an diesem Standort?
3. Welche Möglichkeiten sehen Sie, im Falle einer Ansiedlung die
„steuerschonenden“ Praktiken eines Unternehmens wie Amazon zu
unterbinden und derartige Konzerne zu einem gerechten Beitrag zum
Gesamtsteueraufkommen zu motivieren?
4. Welche aktuellen Zahlen zur Verkehrsbelastung auf der L200 rund um den
Kreisverkehr Dornbirn Nord liegen Ihnen vor?
5. Mit welcher zunehmenden Verkehrsbelastung durch ein Amazon-Logistik-
Center für die L200, den Kreisverkehr Dornbirn Nord und die umgebenden
Straßen in Dornbirn Haselstauden und Schwarzach rechnen Sie?
6. Welche Maßnahmen sind durch die Landesstraßenverwaltung an der L200
Kreuzung Dr. Walter-Zumtobel-Straße geplant bzw. angedacht?
7. Welche Maßnahmen sind in Zusammenarbeit mit der Marktgemeinde
Schwarzach und der Stadt Dornbirn vorgesehen, um potentiellen
Ausweichverkehr wegen Überlastung der L200 und L190 durch die
Ortsdurchfahrt Haselstauden und Schwarzach durch Anliefer- und
Zustellverkehr zu vermeiden bzw. zu verhindern?
8. Welche Auflagen können von der Bezirkshauptmannschaft hinsichtlich der
durchgehenden Anlieferungen zum Lager gemacht werden, um Zeitfenster
und Beschränkungen für die Anlieferung vorzuschreiben?
9. Laut Homepage der Grundstückseigentümer ist ein Bahnanschluss für ein
Betriebsgleis im Betriebsgebiet Dornbirn Nord möglich. Zur Entlastung der
Umwelt und der Straßen ist dieses Gleis sehr zu begrüßen. Amazon hat laut
heutigem Stand keinen Bahnanschluss für die Anlieferung eingeplant. Welche
Möglichkeiten hat das Land, dem Unternehmen im Falle einer Ansiedlung an
diesem Standort einen Bahnanschluss vorzuschreiben?
10.Haben Sie als Wirtschaftslandesrat Gespräche mit der Bürgermeisterin der
Stadt Dornbirn und den Eigentümer*innen des Grundstücks über einen
Erwerb bzw. ein Baurecht zugunsten des Landes Vorarlberg und der Stadt
Dornbirn geführt, um produzierende Betriebe ansiedeln zu können? Wenn ja,
mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?
11.Welche Möglichkeiten hat das Land, bei derartigen Ansiedlungsvorhaben
regulierend einzugreifen?
Postmanagement zurückhaltend.
Die Post, die ihr Verteilzentrum in Wolfurt erst vor kurzem um 27 Millionen Euro ausgebaut hat, hält als größter Kunde von Amazon den Ball noch flach. „Auch wenn nun Amazon die Eigenzustellung forciert, wird der Paketmarkt generell wachsen. Und das bedeutet, dass wir weiterhin in neue Logistikstandorte oder in den Ausbau bestehender Standorte investieren und dadurch auch unseren Personalstand erhöhen“, teilt Sprecher Michael Homola mit.
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