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Land gibt „Feindvermögen“ an Erben zurück

09.03.2022 • 21:38 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Außenansicht der Villa Wellenau, die 1976 abgerissen wurde.      v<span class="copyright">orarlberg museum</span>
Außenansicht der Villa Wellenau, die 1976 abgerissen wurde. vorarlberg museum

Objekte aus der Villa Wellenau in Lochau, die während der NS-Zeit beschlagnahmt worden war, werden nun restituiert.

Im Jahr 2003 hat das Land Vorarlberg beschlossen, alle Kulturgüter, die während der NS-Zeit den Eigentümern entzogen worden waren und sich heute im Eigentum des Landes befinden, den jeweiligen Rechtsnachfolgern zurück zu geben. Der Auftrag für die Provenienzforschung wurde dem vorarlberg museum übertragen.

Die Zuständigkeit dafür liegt seit Längerem beim Historiker Peter Melichar, der ab 1999 bei der Österreichischen Historikerkommission und später bei der Bergier-Kommission tätig war, die sich mit der Thematik befasste. Seit 2009 arbeitet Melichar am vorarlberg museum.

Villa Wellenau

Alle Objekte, die zwischen 1933 und 1945 ins Haus gekommen sind, habe er mit seinem Team, das aus zwei weiteren Mitarbeitern besteht, genau untersucht, erzählt Melichar. Beim Fall, der nun abgeschlossen werden konnte, handelte es sich um das Eigentum von britischen Staatsangehörigen, denen die Villa Wellenau bei Bregenz gehörte. Die Bewohner übersiedelten 1938 in die Schweiz und die Villa wurde samt Inventar als „Feindvermögen“ zwangsverwaltet. In diesem Fall handelte es sich nicht um jüdisches Eigentum, das beschlagnahmt wurde.

Als 1942 der Abwesenheitskurator die Villa Wellenau räumen ließ, um Bombenopfer einquartieren zu können, wurde das Mobiliar teilweise in Bregenz versteigert. Bei diesem Anlass erwarb Adolf Hild, der damalige Leiter des Gaumuseums Bregenz, des heutigen vorarlberg museum, einige Objekte, etwa 20 Gemälde und Zeichnungen und einen Teil einer Porzellansammlung.

Innenansicht der Villa.<span class="copyright"> vorarlberg museum</span>
Innenansicht der Villa. vorarlberg museum

Erste Hinweise, dass Objekte aus diesem Besitz im Haus sind, wurden 2009 in den Akten gefunden, erzählt Melichar. Der frühere Besitzer hatte allerdings Kontakte zum Museum und nie eine Rückgabe gefordert. Die beschlagnahmte Villa war bereits nach 1945 wieder übergeben worden. Wegen diverser Führungswechsel kam es dann in Hinblick auf die Objekte zunächst zu einer Verzögerung. Dann musste die rechtliche Seite geklärt werden: Wie ist die Rechtslage? Welches Erbrecht gilt, wer ist erbberechtigt?

Ab dem Jahr 2015 war die Situation dann einigermaßen klar, auch die offiziellen Beschlüsse von Aufsichtsrat und Landesregierung wurden rasch gefällt, berichtet der Historiker. Eine Schwierigkeit bestand dann allerdings darin, dass sich die beiden Rechtsnachfolger nicht einig über die Aufteilung der Objekte waren. Weitere Umstände wie Krankheiten und nicht zuletzt die Pandemie kamen hinzu, sodass sich die ganze Angelegenheit dann weiter in die Länge zog.

Ankauf

Die Kulturhäuser Betriebs-GmbH kaufte dann eines der zu restituierenden Gemälde, ein Bild von Fritz Krcal, für das vorarlberg museum an. Da es sich um das teuerste Werk aus dem Konvolut handelte, war damit der Hauptstreitpunkt zwischen den Erben vom Tisch.

Im Herbst 2021 konnte der Restitutionsfall abgeschlossen und ein Vertrag formuliert werden. Im Jänner dieses Jahres wurde er von allen Beteiligten und den Vertretern des Landes unterzeichnet. Die Rückerstattung der Kulturgüter findet derzeit statt, wie das Museum in einer Aussendung mitteilt.

“Erfreulich”

Für Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink ist es laut der Aussendung erfreulich, dass mit dem Abschluss des Restitutionsfalles Wellenau landesseitig von einem weiteren konkreten Schritt der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit berichtet werden kann. Sie erinnert auch daran, dass erst kürzlich die digitale Erinnerungslandkarte DERLA vorgestellt wurde, auf der die Orte des NS-Terrors in Vorarlberg sowie Orte der Erinnerung an die Opfer erfasst sind.

Gerade im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen des Ukraine-Krieges betont Schöbi-Fink die Notwendigkeit, die Bewusstseinsvermittlung für die demokratischen Grundwerte als permanenten Auftrag zu sehen und sich im Rahmen der Impulsprojekte zur Erinnerungskultur auch weiterhin aktiv mit den Grauzonen der eigenen Geschichte zu beschäftigen.

Provenienzforscher Peter Melichar.   <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Provenienzforscher Peter Melichar. Klaus Hartinger

Restitutionen aus dem Museum gab es schon ab 1946, informiert Melichar. Während der NS-Zeit waren große kirchliche Sammlungen beschlagnahmt worden, darunter aus dem Gallusstift oder der Mehrerau, die später zurückgegeben wurden. Auch Objekte aus den Sammlungen zweier Familien waren ins Museum gelangt. Deren Rückforderungen wurden ebenso erfüllt. Der damalige Verwalter in Bregenz habe die Sachen verpackt und verschickt, erzählt der Historiker. Dabei sei es zu Verwechslungen gekommen, sodass sich zwei Objekte aus diesem Besitz noch im Haus befinden. Hier versuche man ein Einvernehmen mit den Erben herzustellen. Um große Werte gehe es dabei nicht, allerdings sei auch die Symbolik wichtig, betont der Experte.

Nicht ganz geklärt ist etwa die Herkunft einer schönen Wappenscheibe, die derzeit in einer der Ausstellungen im Museum zu sehen ist. Im Rahmen der Provenienzforschung hat Melichar ein Schreiben gefunden, in dem steht, dass sie aus einer Sammlung Rothschild stammen soll. Der Historiker hat sich an das Rothschild-Archiv in London gewandt. Ein Nachweis, dass sie aus diesem Besitz stammt, ist noch nicht erfolgt. „Das ist nicht immer ganz einfach“, verdeutlicht der Experte die Problematik.

Problematische Ankäufe

Die Provenienz ist allerdings nicht nur bei den eigenen Werken ein Kriterium, sondern auch bei Ankäufen, erläutert der Experte: „Jedes Gemälde aus der fraglichen Zeit muss genau geprüft werden.“ Daher habe man auch Abstand genommen vom Erwerb von Gemälden, deren Herkunft entweder problematisch oder nicht geklärt sei. In den vergangenen zehn Jahren sei das im Haus zwei Mal passiert.

Während sämtliche während der NS-Zeit ins Haus gekommenen Bestände genau untersucht sind, ist das mit den nach 1945 erworbenen noch nicht in dem Ausmaß passiert, erzählt Melichar. Dort habe man sich auf die wertvolleren konzentriert. Kein „typischer Entziehungsfall“, aber dennoch auffällig, ist ein Bild von Angelika Kauffmann. Das Werk war in den 1930er-Jahren rechtmäßig in einem deutschen Museum und wurde dann in eine deutsche Botschaft nach England gebracht. Dort wurde es versteigert, von einem Schweizer erworben, über den es dann nach Bregenz kam. „Wir haben auch mit dem deutschen Museum korrespondiert“, berichtet Melichar, „aber die haben keine Ansprüche gestellt.“