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Wallner: „Lasse mich nicht denunzieren“

25.04.2022 • 22:00 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
FPÖ-Chef Christof Bitschi übte scharfe Kritik am Landeshauptmann. <span class="copyright">Hartinger</span>
FPÖ-Chef Christof Bitschi übte scharfe Kritik am Landeshauptmann. Hartinger

Opposition erneuerte Rücktrittsaufforderung an Landeshauptmann.

Fast fünfeinhalb Stunden wurde am Montag im Vorarlberger Landtag über die Wirtschaftsbund-Affäre debattiert. In der Sondersitzung, die von der Opposition beantragt worden ist, um einen Antrag zur Stärkung des Landes-Rechnungshofs sowie für mehr Transparenz bei den Parteifinanzen zu diskutieren, nahm auch Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) zu den kolportierten Vorgängen im Wirtschaftsbund und der Volkspartei Stellung. Seine Parteikollegen – allen voran Klubobmann Roland Frühstück – rückten zur Verteidigung aus und stellten sich hinter den Landeshauptmann. Die Grünen hielten sich als Koalitionspartner mit Rücktrittsaufforderungen an den Landeshauptmann zurück, sprachen jedoch vom „Sumpf der ÖVP“ und forderten einen „umfassenden Systemwechsel“.

“ÖVP-Machenschaften”

Den Beginn in der Debatte machten jedoch die Vertreter der Opposition. Die Sondersitzung anlässlich der „Machenschaften der ÖVP“ sei ein „sehr historischer Moment“, meinte FPÖ-Klub­obmann Christof Bitschi zum Auftakt. Die Angelegenheit habe als Steuercausa ihren Anfang genommen. Durch neue Enthüllungen habe die Sache jedoch immer weitere Kreise gezogen und sei zu einem „Parteifinanzierungsskandal“ geworden. Wenn Wirtschaftstreibenden im Gegenzug für Inserate Unterstützung zugesagt worden sei, wie ein anonymer Wirtschafts­treibender in einer eidesstattlichen Erklärung berichte, dann handle es sich um Korruption. Jeder einzelne Punkt in der Affäre sei einen Rücktritt wert, sagte Bitschi. Die ÖVP-Machenschaften hätten dem Land gro­ßen Schaden zugefügt. Sozialdemokratin Manuela Auer schlug in dieselbe Kerbe. Es gehe um nichts anderes als den „wohl größten Politik­skandal in der Nachkriegszeit“ in Vorarlberg. Schon seit vielen Jahren werde seitens der Opposition auf das „System ÖVP“ hingewiesen.

Für die Neos trat Klubobfrau Sabine Scheffknecht ans Rednerpult. <span class="copyright">Hartinger</span>
Für die Neos trat Klubobfrau Sabine Scheffknecht ans Rednerpult. Hartinger

Neos-Klubobfrau Sabine Scheffknecht bezeichnete den Wirtschaftsbund als „Cashcow“ der Volkspartei. Auch sie nahm Bezug auf die eidesstattliche Erklärung. Wenn diese stimme, dann gehe es um Korruption auf oberster Ebene. Der Umgang der Volkspartei mit der Affäre ist aus Sicht der Neos-Chefin mangelhaft. So sei etwa die Finanzgebarung immer noch nicht öffentlich gemacht worden. Es werde nur zugegeben, was ohnehin bekannt geworden sei. Ebenso habe man mit dem ehemaligen Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser „den Bock zum Gärtner“ gemacht. Rüdisser soll die Affäre im Wirtschaftsbund als interimistischer Landesobmann aufarbeiten. Scheffknecht hätte sich hier „unabhängige Personen“ gewünscht, denn Rüdisser sei Teil des Systems gewesen.

Anfragen und Anträge

Deutlich schärfer als erwartet fiel auch die Kritik des grünen Regierungspartners aus. So wies Wirtschaftssprecher Bernhard Weber darauf hin, dass seine Partei ebenfalls schon seit Jahrzehnten auf die Missstände im Wirtschaftsbund aufmerksam mache. Immer wieder habe es dazu Anfragen und Anträge im Landtag sowie im Wirtschaftsparlament gegeben. Es brauche nun einen Systemwechsel. Unterstützung gab es für Weber von Parteikollegin und Klubobfrau Eva Hammerer. Sie verwies auf das geplante Reform- und Transparenzpaket in Sachen Parteifinanzen. Die Pläne dafür seien von den Grünen „der Volkspartei auf den Leib geschneidert“, denn in Sachen Transparenz „geht bei Ihnen von selbst gar nichts“, meinte die Klubobfrau in Richtung der ÖVP-Mandatare.

Grünen-Wirtschaftssprecher Bernhard Weber. <span class="copyright">Hartinger</span>
Grünen-Wirtschaftssprecher Bernhard Weber. Hartinger

Bei diesen war der Ärger über die Anschuldigungen – vor allem seitens der Opposition – deutlich spürbar. Landesrat Christian Gantner ließ nach so mancher Wortmeldung seine Faust heftig auf den Tisch fahren. Am Rednerpult bekräftigte er, dass er dem Landeshauptmann „zu 100 Prozent“ vertraue. Von ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück gab es „ein klares Ja zu mehr Transparenz“. Es brauche aber auch ein klares Ja für weniger Populismus, meinte er in Richtung der Opposition. Deren Vertreter hätten in der Debatte „verbal gespuckt, gekratzt und gehetzt“. Es könne nicht sein, dass ein unbescholtener Spitzenpolitiker vorverurteilt werde, nachdem verbotenerweise ein Steuerakt aus dem Untersuchungsausschuss in Wien an die Medien gespielt worden sei.

Dazu werde ein Misstrauensantrag gegen den Landeshauptmann gestellt, ohne dass überhaupt ein einziges Verfahren abgeschlossen sei. Diese Vorgangsweise sei von der Bundesebene bekannt, aber werde nun wohl auch in Vorarlberg salonfähig, meinte Frühstück mit Blick auf Neos-Nationalrat Gerald Loacker, der auf der Besuchergalerie saß. Der Klub­obmann betonte zudem, dass der Wirtschaftsbund eine Teilorganisation der ÖVP sei – mit eigenen Strukturen und Verantwortlichen. Wenn der Abschlussbericht der Steuerprüfung vorliege, werde man jedoch angemessen reagieren.

Roland Frühstück, Klubobmann der ÖVP, warf der Opposition Populismus vor. <span class="copyright">Hartinger</span>
Roland Frühstück, Klubobmann der ÖVP, warf der Opposition Populismus vor. Hartinger

Landeshauptmann Wallner zeigte er sich verärgert über die Vorwürfe des anonym gebliebenen Wirtschaftstreibenden. „Ich lasse micht nicht denunzieren“, sagte er dazu. Er habe nie ein Inserat verkauft oder eine Gegenleistung in Aussicht gestellt. Allerdings sei es schwer, sich gegen anonym geäußerte Vorwürfe zu wehren. Wallner stellte ebenfalls klar, dass der Wirtschaftsbund eine eigenständige Teilorganisation der ÖVP ist. Die Finanzbehörden hätten ihn daher auch nicht zu den dortigen Vorgängen befragt, sondern sich an die zuständigen Vereinsverantwortlichen gewandt. Es könne nicht sein, dass ihn die Opposition für jede Buchung des Wirtschaftsbunds verantwortlich mache, „als wäre ich der Buchhalter der Nation“.

Opposition kritisiert „Verwässerung“

Nur eine Nebenrolle hat am Montag der eigentliche Grund für die Sondersitzung des Vorarlberger Landtags gespielt: ein Antrag der Oppositionsparteien für mehr Prüfrechte des Landes-Rechnungshofs, mehr Personal für die Kontrollinstitution sowie eine Evaluierung der bestehenden Kontrollmöglichkeiten des Landtags. Einstimmig angenommen wurde dabei die Forderung, eine Arbeitsgruppe zu installieren, der Abgeordnete jeder Fraktion sowie Experten angehören sollen. Diese erhält dann die Aufgabe, die bestehenden Kontrolloptionen des Landtags auf ihre Effektivität hin zu untersuchen und mögliche Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten.

Uneins waren sich die Regierungsparteien und die Opposition jedoch, was die Prüfrechte für den Landes-Rechnungshof sowie eine bessere personelle Ausstattung betrifft. Im Antrag wurde gefordert, dass bis zur Sommerpause eine Regierungsvorlage vorgelegt werden solle, „die umfassende Prüfrechte für den Landes-Rechnungshof bezüglich der Finanzen und sonstigen Gebarung der Parteien und ihrer Vorfeldorganisationen vorsieht“. Dafür sollte dem Rechnungshof auch mehr Personal – mindestens drei Vollzeitstellen – zur Verfügung gestellt werden.

Diese Vorschläge wurden von Schwarz-Grün abgelehnt. Stattdessen wurde mit den Stimmen der Koalition ein Abänderungsantrag angenommen. Dieser sieht vor, dass noch im Mai ein Entwurf für die Novellierung des Parteienförderungsgesetzes vorgelegt und mit der Opposition diskutiert werden soll. Dabei soll es ein generelles und direktes Einschaurecht für den Landes-Rechnungshof in die Gebarung der Parteien und aller ihrer Teilorganisationen geben. Nicht zuletzt soll es für die Kontrollinstanz auch mehr Personal geben. Hier müsse man aber erst schauen, wie viele Stellen tatsächlich nötig sein werden, betonte ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück. Die Opposition stimmte den Änderungen nicht zu. Sie sahen ihren Antrag dadurch verwässert. Die Regierungspartner verstanden die Kritik nicht. Die Änderungen seien gegenüber dem Ursprungsantrag sogar noch einmal eine Verschärfung, waren sie überzeugt.

Wallner stellte jedoch klar, dass er keinen Sachverhalt kenne, bei dem Wirtschaftsbund oder Landespartei gegen das Parteiengesetz verstoßen hätten. Allerdings sei er nicht mit allen kolportierten Vorgängen in der Teilorganisation zufrieden. Künftig müsse sauber, transparent und fair gearbeitet werden.