Ringen um den passenden Deckel

Parteien haben unterschiedliche Ansätze um Energiepreise abzufedern.
Bemerkenswert schnell ist es in den vergangenen Tagen gegangen, dass die Regierungsparteien bei der Frage nach einer Deckelung von Energiepreisen von Ablehnung auf „wir schauen, wie wir es am besten machen können“ geschwenkt sind. Noch Ende vergangener Woche hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Nationalrat erklärt, gegen eine Deckelung zu sein. Und Vize Werner Kogler (Grüne) antwortete der „Presse“ in einem Interview am Samstag, Energiepreisdeckel „werfen mehr Fragen auf als sie Antworten geben“.
Dann kam Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die sich Anfang nächsten Jahres, mitten in der Heizperiode, mit ihrer absoluten Mehrheit in Niederösterreich einer Landtagswahl stellen muss – und verlangte am Sonntag in der Kleinen Zeitung eine Debatte über eine Deckelung der Strompreise.
In ihrem Windschatten folgten weitere ÖVP-geführte Länder: So zeigt sich der neue steirische Landeshauptmann Christopher Drexler aufgeschlossen für einen solchen Vorschlag. Auch in der Coronapandemie habe die Regierung zu Maßnahmen gegriffen, die sich zuvor niemand habe vorstellen können, so Drexler zu „Österreich“; die massiven Interventionen seien aber notwendig gewesen, argumentierte er: „So könnte auch ein Preisdeckel notwendig werden.“
Ähnliche Töne kommen aus Oberösterreich: „Mit Experten sollte über einen Preisdeckel nachgedacht werden“, erklärt der dortige Landeshauptmann Thomas Stelzer. Für ihn sei klar, dass es weitere Unterstützungen und Hilfen brauche. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner erklärte, dass es keine „Denkverbote“ geben dürfe.
Skeptischer zeigt man sich in Westösterreich, wo die Salzburger und Vorarlberger Landesparteien Zweifel anmelden – die in der Willensbildung der Volkspartei aber traditionell weniger Rolle spielen als die mitglieder- und wählerstarken Landesorganisationen im Osten.
Europäische Lösung sei notwendig
Der Kanzler und Parteichef selbst ist aktuell in Israel unterwegs, Vizekanzler Kogler laboriert an einer Coronainfektion –bei den Grünen verweist man darauf, dass eine europäische Lösung nötig sein würde.
Hinter den Kulissen wurde aber bereits am Montag in Wien ausgelotet, welche Optionen infrage kämen, um eine drohende Vervielfachung der Strom- und Gaspreise abzufedern, heißt es aus Regierungskreisen.
Ein mögliches Instrument dazu könnte ein System sein, wie es Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Sonntag in der Kleinen Zeitung vorgeschlagen hat: Statt pauschal die Energiekosten zu deckeln, soll jeder Haushalt einen bestimmten Anteil seines Vorjahresverbrauchs zum Nulltarif bekommen – den Rest aber zu Marktpreisen zahlen. So bliebe die Motivation, Energie zu sparen, erhalten.
NEOS: Preisdeckel “naiv”
Die wirtschaftsliberalen Neos stehen staatlichen Eingriffen in die Preisgestaltung naturgemäß ablehnend gegenüber. Niederösterreichs Landessprecherin Indra Collini bezeichnete „die Vorstellung, dass die Politik einfach die Preise deckeln kann, ohne dass es zu Problemen kommt“, als „reichlich naiv“. Neos möchten lieber Übergewinne der Energiekonzerne „in eine Art Ausgleich für soziale Härtefälle sowie in den Ausbau der erneuerbaren Energien“ gelenkt wissen. Beim Sprit fordern Neos und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) auf, Mitnahmeeffekte durch Mineralölkonzerne zu begrenzen. So würden Preise langsamer steigen.
FPÖ: Ende für Sanktionen
FPÖ-Chef Herbert Kickl fordert einen breiten Preisdeckel auf Energie, Treibstoffe und Grundnahrungsmittel. Wie dieser genau aussehen soll, wurde auf Anfrage nicht beantwortet. In bisherigen Anträgen forderte die FPÖ außerdem die Streichung der CO2-Abgabe, eine automatische Inflationsanpassung sämtlicher Versicherungs-, Familien- und Sozialleistungen, die Halbierung bis Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Treibstoffe sowie der Mineralölsteuer. Auf einen Preisdeckel folgen müsse ein „Ausstieg aus der Sanktions-Eskalationsspirale“, so Parteichef Kickl am Montag. Er stellt eine Volksbefragung in den Raum.
SPÖ: Spanien und Portugal als Vorbilder
Bei einer Mehrbelastung von 400 bis 600 Euro im Monat können sich „die Haushalte solche Preise einfach nicht leisten“, erklärt die SPÖ ihre Forderung nach einem Preisdeckel. Konkret soll der Gaspreis für die Stromerzeugung eine gesetzliche Obergrenze erhalten. Damit sollen die Strompreise „mit einem Schlag halbiert werden“. Als Vorbilder nennt die Partei Spanien oder Portugal. Dort ist der Preis bei 40 Euro pro MWh gedeckelt und kann bis 50 Euro ansteigen.
Die Energiepreise würden auch mit Deckel höher sein, der Anreiz zum Energiesparen bliebe, argumentiert die SPÖ. Das Argument des Preisdrucks sei aber ohnehin „zynisch“, so die SPÖ: Bei einer Preissteigerung von 500% und mehr könnten die Haushalte nicht mehr sparen, der Grundbedarf für Heizen, Warmwasser und Kochen kann bei diesen Preisen bei vielen nicht gedeckt werden.
Von Georg Renner und Max Miller
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