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André Pilz über Polizeigewalt im Thriller

22.09.2022 • 20:25 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Der Vorarlberger Autor André Pilz.    <span class="copyright">Sieglinde Wöhrer</span>
Der Vorarlberger Autor André Pilz. Sieglinde Wöhrer

Am Dienstag liest der Vorarlberger Krimiautor André Pilz im Theater Kosmos aus seinem neuen Buch “Morden und lügen”. Im Interview spricht er über die Hintergründe.

Vor 16 Jahren wurde eine junge Frau ermordet. Den Täter hat man nie gefunden. Da taucht plötzlich die Mutter der getöteten Studentin beim Ich-Erzähler und mittelmäßigen Schriftsteller Jan auf, stellt Fragen und will Antworten. Mit dem Kripo-Beamten soll er nochmal reden. Erst lehnt Jan das ab, will nach so langer Zeit nichts mehr mit dem Fall zu tun haben. Doch dann lenkt er ein. Schon ahnend, dass die Mutter denkt, er könne in den Fall verstrickt sein. Die Geschehnisse aus der Vergangenheit kommen wieder hoch. Er fährt zurück in seine alte Studentenstadt, wo Angelika hinter dem Studentenheim ohne Zeugen mit einem Messerstich ins Herz getötet wurde.

Figuren aus zwei Welten

In der Stadt kommt die Geschichte ins Rollen und wird mit einem zweiten Handlungsstrang rund um eine erfolgreiche Bloggerin und Aktivistin verknüpft. Zwei sehr unterschiedliche Hauptfiguren prallen aufeinander und vertreten leidenschaftlich ihre Standpunkte: Der Ich-Erzähler ist 44, die Aktivistin Haddah ist 20, eine Schwarze mit Diskriminierungserfahrung.
Erst über mehrere Ecken werden die Verbindungen der Figuren sichtbar. Auch Haddah sucht in der Vergangenheit, wo im selben Jahr wie Angelika zwei afrikanische Studenten von der Polizei in der Stadt angeblich in Notwehr erschossen wurden. Aber die Figur glaubt das nicht und forscht nach.

Hintergründe

Bewegt zu diesem Buch hat den Autor ein Mord einer jungen Frau, der vor dem Haus seiner damaligen Freundin geschah und nie aufgeklärt wurde. Über Jahre hinweg beschäftigte sich Pilz mit ähnlichen Geschehnissen und Fällen, bis er schließlich versucht habe, eine Geschichte über einen ungeklärten Mordfall zu schreiben, sagt André Pilz im Interview.

In „Morden und lügen“ hat er einen Erzähler erschaffen, der nicht ganz klar ins „Gut-Böse-Schema“ eingeordnet werden kann. „Oft im Krimi ist das so klar deklariert, wer was ist.“ An Kriminalfällen faszinieren ihn die Rätsel: „Man beschäftigt sich mit der Frage: Wer ist der Täter?“ Ein Krimi sei spannend und habe auch Unterhaltungswert, „andererseits kann man an solchen Geschichten auch bestimmte gesellschaftliche Probleme darstellen, ohne zu predigen“, erklärt Pilz, der in seinem Buch ganz bewusst auch das Problem von Polizeigewalt und Rassismus in die Geschichte eingeflochten hat. Ein Thema, das „vor allem in deutschsprachigen Krimis nicht so oft vorkommt“. Denn meistens komme die Polizei sehr gut weg, und „ganze Themenfelder werden quasi ausgeblendet“, beschreibt der Autor und bezieht sich im Gespräch auf reale Fälle, in denen Menschen systematisch diskriminiert werden.
Wie beispielsweise im Fall Bakary J., in dem ein Gambier im Jahr 2006 von Wega-Beamten in einer Lagerhalle in Wien gefoltert worden war und einer der Beamten bereits nach Bekanntwerden des Falls in den Inlandsgeheimdienst befördert wurde. „Diese Geschichten kommen in Krimis meiner Meinung nach nicht vor, stattdessen werden solche Typen vom System sogar noch belohnt.“

Parallelen in der Wirklichkeit

Mit dem Buch will Pilz die Leser aufwühlen, zum Nachdenken und auf moralisch verwerfliche Verhältnisse hinweisen. „Einer der Hauptpunkte in dem Roman ist, dass Menschen in der Gesellschaft nicht gleichwertig sind.“ Im Buch ist nach dem Mord an der deutschen Studentin das ganze Land gefesselt, während sich kaum jemand um die zwei ermordeten südafrikanischen Studenten kümmert. Parallelen sieht Pilz auch in der Realität, wo das Interesse sich oft danach richte, wer das Opfer ist. „Ganze Fälle würden verschwinden, wenn nicht Organisationen oder Aktivisten darauf aufmerksam machen würden.“

Man merkt, dass man in einer Zeit lebt, wo die Menschen, die am Rand waren oder diskriminiert worden sind, dass die jetzt auch ihre Stimme erheben und ihren Platz einfordern. So eine Person ist diese Haddah, sie macht das auch recht laut und brachial“, sagt Pilz.

Am Montag, dem 26. September, erscheint der neue Thriller „Morden und lügen“ im Suhrkamp Verlag. Am Dienstag ist die Premierenlesung im Theater Kosmos.

Buchcover von Morden und lügen  <span class="copyright"> Suhrkamp Verlag</span>
Buchcover von Morden und lügen Suhrkamp Verlag