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“Ich bin leider positiv gestimmt”

22.10.2022 • 20:06 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Bis zu 500 Soldaten gibt es in Vorarlberg. <span class="copyright">Steurer</span>
Bis zu 500 Soldaten gibt es in Vorarlberg. Steurer

Vorarlbergs Militärkommandant Gunther Hessel über die aktuelle Situation des Bundesheers.

Wie viele Soldaten hat das Bundesheer in Vorarlberg?
Gunther Hessel:
Wir haben in Vorarlberg circa 200 Berufssoldaten. Das sind Soldaten jeglichen Alters und jeglichen Dienstgrades, ohne die Grundwehrdiener. Wenn man die Rekruten dazu nimmt, haben wir bis zu 500 Soldaten in Vorarlberg.

Welche Aufgaben hat das Bundesheer in Vorarlberg?
Hessel:
Ein wichtiger Punkt ist, dass wir über das österreichische Bundesheer sprechen. Das heißt, dass das gesamte österreichische Bundesheer mit den vielen speziellen Fähigkeiten im Bedarfsfall in allen Bundesländern zur Verfügung steht – also auch in Vorarlberg. Es können also starke Pionierkräfte, ABC-Abwehrteile, das Jagdkommando, Hubschrauber und Infanteriekräfte leicht und schnell zur Verfügung gestellt werden. Denn genau so ist das Bundesheer konzipiert. Das ist anders als beispielsweise bei der Landespolizei.

Ist das Denken bei manchen Menschen hier noch zu regional beschränkt?
Hessel: Es ist schon immer wieder zu beobachten, dass man sehr auf die zwei militärischen Elemente in Vorarlberg schaut – das Militärkommando in Bregenz und das Hochgebirgsjägerbataillon 23. Das hat schon auch seine Relevanz. Denn wenn eine Katastrophe oder eine Terrorlage eintritt, dann müssen die Kräfte, welche unmittelbar zur Verfügung stehen und räumlich ganz nahe sind, zum Einsatz kommen. Regional zu denken, hat also eine Berechtigung. Allerdings kann man regional keine so hochspezialisierten Elemente wie ein Jagdkommando oder eine ABC-Abwehr haben. Diese müssen zentral bereitgehalten werden, um sie im Bedarfsfall in die Regionen zu schicken.

Brigadier Gunther Hessel ist seit 2020 Militärkommandant in Vorarlberg. <span class="copyright">VLK/Serra</span>
Brigadier Gunther Hessel ist seit 2020 Militärkommandant in Vorarlberg. VLK/Serra

Könnte man also sagen, dass vor Ort die Ersthelfer sind, die im Notfall sofort zur Verfügung stehen, und die Spezialisten sind konzentriert an einem Ort, aber im Notfall rasch überall einsetzbar?
Hessel:
Das kann man so sagen, aber es geht nicht nur um die Ersthelfer und Spezialisten, sondern auch um die Masse. Stellen Sie sich vor, es gäbe gleichzeitig drei oder vier Terroranschläge in Vorarlberg, bei denen vielleicht auch Versorgungseinrichtungen betroffen sind. Dann sind wir mit unseren Vorarlberger Soldaten sofort irgendwo im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz. Aus anderen Teilen des Bundesgebiets kommt dann eine Masse an Soldaten als Verstärkung. Es geht also um die Ersthelfer und die Qualitätssteigerung durch Spezialisten, aber es geht auch um die ersten Soldaten, die vor Ort im Einsatz sind, und dann die Auffüllung durch eine Masse von Soldaten.

Welches sind die Aufgabenschwerpunkte in Vorarlberg?
Hessel:
Im Militärkommando haben wir die Militärmusik und einen Baupionierzug. Diese sind nicht für die militärische Landesverteidigung vorgesehen, aber beide sind ausgebildet, um im Katastrophenfall und im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz sofort in den Einsatz gehen zu können. In Bludesch ist unser Hochgebirgsjägerbataillon 23, welches in erster Linie für die Landesverteidigung vorgesehen ist. Das sind die Soldaten, die einem Aggressor gegenüberstehen – vor allem bei schwierigen Umfeldbedingungen im Hochgebirge. Sie können auch überregional eingesetzt werden. Gibt es zum Beispiel eine Krise im gebirgigen Gelände in der Steiermark und unser Hochgebirgsjägerbataillon 23 hat gerade Rekruten, die schon gut ausgebildet sind, dann können diese dorthin verlegt werden.

Zur Person

Brigadier Gunther Hessel stammt ursprünglich aus Maria Alm im Salzburger Pinzgau. Bevor er 2020 Militärkommandant in Vorarlberg wurde, war er unter anderem Militärvertreter in Brüssel und hat das Projekt sowie die Weiterentwicklung der Schul- und Akademiestrukturen im Bundesheer geleitet.

Wie ist es um die Ausrüstung des Bundesheers im Land bestellt?
Hessel: Beim Jägerbataillon 23 wäre uns sehr geholfen, wenn wir für alle Soldaten hochwertige Schutzausrüstung hätten. Im Bereich der Motorisierung wären noch geschützte Fahrzeuge und vor allem geländegängige Kleinfahrzeuge nötig. Beim Baupionierzug bräuchte es hochwertigere Ausstattung und nicht die, die seit 30 Jahren verwendet wird. Es gibt im Bundesland punktuell hochwertige Elemente wie etwa Aufklärungsmittel, aber da müsste noch weiter aufgestockt werden.

Immer wieder wird mittlerweile über das Thema Blackout gesprochen. Mit dem Konflikt in der Ukraine gibt es einen Krieg fast vor der eigenen Haustüre. Hat sich die Bedrohungslage in den vergangenen Jahren geändert?
Hessel:
In unseren Papieren zur Bedrohungsanalyse, die jährlich erneuert werden, haben wir immer schon vor Blackouts, Pandemie oder der Zunahme von Naturkatastrophen gewarnt. Der Ukraine-Konflikt, der Klimawandel mit immer stärker werdenden Naturkatastrophen, der Terroranschlag in Wien, die Pandemie und die Flüchtlingskrise haben dazu beigetragen, dass die Bedrohungslage steigt. Das wird mittel- bis langfristig auch so weitergehen. Dieses Bewusstsein ist mittlerweile in der Bevölkerung und in der Politik angekommen. Wie man sieht, haben wir ein deutlich höheres Budget, welches wir in den nächsten Jahren Schritt für Schritt weiter erhöht bekommen.

Die Soldaten des Bundesheers haben vielfältige Aufgaben zu bewältigen. <span class="copyright">BMLV/Kerschat</span>
Die Soldaten des Bundesheers haben vielfältige Aufgaben zu bewältigen. BMLV/Kerschat

Immer wieder wird auch über die hohe Zahl an Untauglichen bei der Musterung und über mehr Übungen bei der Miliz diskutiert. Braucht es in diesen Bereichen noch Verbesserungen?
Hessel:
Es ist sicher ein Problem, dass wir derzeit diese geringen Einrückungsstärken haben und zu wenig zum Üben kommen. Es gibt diesbezüglich Konzepte und Ideen, die in Ausarbeitung sind, um diese Schwachstellen auszumerzen.

Wie sehen Sie allgemein die Situation des Bundesheers und dessen Zukunft? Sind Sie positiv gestimmt?
Hessel:
Ich bin leider positiv gestimmt, und das ist kein Widerspruch. „Leider“ deswegen, weil die Bedrohungen zunehmen und sich die Sicherheitslage verschlechtert. Ich bin zutiefst überzeugt, dass das Bundesheer und die Landesverteidigung deswegen wieder an Stellenwert gewinnen und die Budgetzahlen entsprechend hoch sein werden. Und es werden wieder Rahmenbedingungen geschaffen, sodass wir Soldaten unsere Kernkompetenz der Landesverteidigung wieder so aufbauen, dass wir ein guter Garant für die Sicherheit Österreichs sind..

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