Wenn hörende Kinder mit Zeichen kommunizieren

Kinder wollen schon, bevor sie sprechen können, sich mitteilen. Oft endet das mit Frust. Zeichen sollen helfen.
Josefine ist viel zufriedener und weniger frustriert“, erzählt Johanna Roth, was sich für ihre 14 Monate alte Tochter verändert hat, seit diese mit der Zwergensprache kommunizieren kann. Das sind Handzeichen für bestimmte Worte, welche von noch nicht sprechenden Kindern eingesetzt werden.
Zufriedenheit statt Frust
Die neu gewonnene Zufriedenheit äußert sich bei Josefine darin, indem sie weniger weint und fröhlicher ist. Denn sie kann nun in manchen Situationen auch anders signalisieren, was sie möchte oder eben nicht möchte. Dafür verwendet sie bestimmte Zeichen, die sie im Kurs „Zwergensprache“ in Wolfurt seit fünf Wochen lernt.

„Ich möchte Josefine eine Chance geben, zu zeigen, was sie möchte, ohne schreien zu müssen“, erklärt die Orgelbauerin, warum sie den Kurs besucht. Dort erlernen Eltern die Babyzeichen im Rahmen von unter anderem Spiel und Gesang. Diese bringen sie dann den Kindern im Alltag nebenbei bei, indem sie gleichzeitig in der passenden Situation das Zeichen machen und das Wort sagen.

„Kinder wollen schon früh sich mitteilen, doch sind sprachlich noch nicht in der Lage“, beschreibt die Kursleiterin Monika Markota, warum solche Zeichen den Alltag mit Kindern erleichtern können. Dies ist ihr erster Kurs, den sie zu dem Thema anbietet. „Die Zwergensprache ist die Brücke für die Zeit, in der sie etwas sagen wollen, aber noch nicht können“, ergänzt sie. Ab sechs Monaten seien Kinder motorisch in der Lage, die Zwergensprache anzuwenden.
Nur einzelne Wörter
Die Babysprache ist an die deutsche und österreichische Gebärdensprache angelehnt. Sie wurde jedoch vereinfacht und an die noch nicht so ausgeprägten motorischen Fähigkeiten von Kindern angepasst. Außerdem werden die Babyzeichen nicht von gehörlosen Kindern erlernt, sondern von Hörenden. Sie unterscheidet sich von der Gebärdensprache darin, dass sie nur aus einzelnen Worten besteht, während Gehörlose auch Grammatik lernen. Bei den Kindern steht also immer das wichtigste Wort im Fokus, das mit einem Zeichen unterstrichen wird.

Durch das gleichzeitige Ausdrücken in visueller und gesprochener Form der Eltern würden Kinder konzentrierter die Eltern anschauen, erzählt Roth. „Wenn ich ein Zeichen mache, lässt sich Josefine nicht so schnell ablenken.“ Außerdem müsse die 26-Jährige selbst konzentrierter sein und sich ihrer Tochter mit Augenkontakt auf deren Höhe zuwenden. Zeichen funktionieren nämlich nicht schnell nebenbei mit dem Handy in der Hand, wie es bei Gesprochenem womöglich passieren könnte.
Vorteile für beide Seiten
Auch Markota erwähnt, dass sowohl die Kinder als auch deren Eltern einen Profit aus dieser Art des Kommunizierens schöpfen. Es würden zwar viele Studien beweisen, dass dadurch die Sprachentwicklung gefördert werde, sagt die Wolfurterin. Doch Frühförderung sei nicht das Hauptmotiv. Es gehe nicht um einen Wettbewerb bei der Entwicklung des Kindes, so die 32-Jährige.

Beispielsweise führt Josefine manche der Zeichen nicht ganz korrekt aus. Etwa wäre das Zeichen für „Essen“ eigentlich mit drei Fingern vorgesehen, Josefine verwendet nur einen Finger. Das Zeichen für „müde“ führt sie mit einer statt mit zwei Händen aus. Denn auch für Mütter ist es oft einfacher, im Alltag das Zeichen mit einer Hand vorzuzeigen, wenn sie nur diese frei haben. Eine perfekte Ausführung sei jedoch nicht wichtig, sind sich sowohl Markota als auch Roth einig.

Verstehen vor Perfektion
„Das langfristige Ziel ist trotzdem, die gesprochene Sprache zu erlernen“, so Markota. Außerdem beschränkt sich diese Art von Kommunikation auf eine gewisse Zeit und meist den familiären Bereich. Roth meint dazu: „Das ist in Ordnung, wenn sie die Zeichen nicht ganz korrekt macht. Es ist keine Sprache, die sie für die die ganze Welt können muss.“ Dem pflichtet auch Markota bei: „Es geht dabei um das Verstehen.“ Und das tut Josefine. „Seit Josefine sich ausdrücken kann, nehme ich sie viel ernster und bin erstaunt, wie viel sie eigentlich versteht“, erzählt Roth. „Wir sind durch die Babysprache mehr auf Augenhöhe gerückt.“

Wenn Kinder selbst bestellen
Auch würden die Kinder selbstständiger werden, ergänzt die 32-jährige Kursleiterin, die selbst Mutter ist. Markotas Sohn Valerian hat etwa im Urlaub, als er noch nicht wie jetzt reden konnte, eigenständig durch die Babysprache an der Bar Kekse bestellt, wie sie erzählt. Die Eltern zeigten dem Kellner die Zeichen für „Kekse“ und später für „fertig“, damit damals der mittlerweile 21 Monate alte Bub und der Barkeeper sich verständigen konnten.
Das ist nicht immer notwendig, denn einige Zeichen sind selbsterklärend. So kann es auch mal vorkommen, dass Josefine im Alltag das Zeichen für „Essen“ zeigt, wenn jemand ein Brot in der Hand hält und wird dann auch von Menschen verstanden, die die Zwergensprache nicht beherrschen oder kennen.
Genau an solchen Bedürfnissen im Alltag orientieren sich die Zeichen, die unter den Kursteilnehmern zu den Favoriten zählen. Die Besucher des Kurses sind zwischen sechs Monate und 16 Monate alt. Mit bis zu 24 Monaten können Kinder teilnehmen. Sobald sie beginnen zu reden, ist das Erlernen der Babysprache nicht mehr sinnvoll.

Bis dahin ist besonders für mehrsprachige Kinder die Zwergensprache von Vorteil. So könnte das Zeichen gleich mit zwei Vokabeln verknüpft werden, so die gelernt Kindergarten- und elementare Musikpädagogin Markota.
Am beliebtesten sind dabei „Stillen“, „mehr“, „Essen“, „fertig“. Die Kinder suchen sich selbst aus, welche Zeichen sie interessieren. Markota beobachtet drei Kategorien bei den Vorlieben. Die „praktischen Kinder“ würden etwa „Essen“ oder „Milch“ bevorzugen, die „Zoologen“ Tiere und die „Romantiker“ Zeichen wie „Licht“ oder „Blume“.

Je nach Alter dauert der Lernprozess unterschiedlich lang. Je älter Kinder sind, umso schneller setzen sie Zeichen im Alltag um. Josefine hat schon nach dem ersten Kurs „Essen“ gezeigt. Hingegen hat „noch mal“ mehrere Wochen gedauert.