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Bertsch-Pleite bleibt spannend

20.12.2022 • 19:36 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Zwischen den Bilanzen 2019 und 2020 der Bertsch-Tochterfirma Bertsch Energy gibt es gravierende Unterschiede. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Zwischen den Bilanzen 2019 und 2020 der Bertsch-Tochterfirma Bertsch Energy gibt es gravierende Unterschiede. Stiplovsek

Wechsel des Wirtschaftsprüfers hatte 2020 Auswirkungen auf den Jahresabschluss.

Die Insolvenz des Bludenzer Kraftwerksanlagenbauers Bertsch Energy GmbH & Co. KG wurde zur bislang zweitgrößten Firmenpleite in Österreich im Jahr 2022.

Die Aufarbeitung der Umstände, die zu dieser millionenschweren Insolvenz geführt haben, dürfte unterdessen noch spannend werden. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie sich die Bilanzen des Unternehmens in kürzester Zeit so massiv verschlechtern konnten.

Nur bist 2018 beim Firmenbuch

Die aktuelle Entwicklung bei Bertsch Energy aufmerksam verfolgen dürfte jedenfalls der frühere Wirtschaftsprüfer aus Oberösterreich, die Confirm Wirtschaftsprüfung GmbH aus Leonding. Sie hat nach wpa-Informationen über mehrere Jahre hinweg bis einschließlich des Geschäftsjahres 2019 die Jahresabschlüsse geprüft und bestätigt. Allerdings sind die Abschlüsse wie berichtet nur bis 2018 beim Firmenbuch in Feldkirch veröffentlicht worden. Ebenso aufmerksam zusehen dürften die früheren Geschäftsführer von Bertsch Energy. 

Auftragseingänge erhöht

Der noch öffentlich vorliegende Abschluss 2018 zeigt in der Bilanz ein Eigenkapital von 9,4 Millionen Euro und in der Gewinn- und Verlustrechnung ein Betriebsergebnis von 2,4 Millionen Euro. Im per 28. März 2019 attestierten Lagebericht für 2018 heißt es, dass sich die Auftragseingänge von 148 Millionen Euro auf 176 Millionen Euro erhöht hätten. „Mit dem positiven Ergebnis 2018 konnte wiederum die Trendumkehr bestätigt werden (…) Für das Jahr 2019 planen wir ein deutlich positives Ergebnis“, steht dort zu lesen.

Kennzahlen

Die Jahresabschlüsse 2019 und 2020 liegen zwar noch nicht offiziell zur Einsichtnahme beim Firmenbuch auf, da sie vom Unternehmen entgegen der rechtlichen Verpflichtung noch nicht veröffentlicht wurden. Der Wirtschaftspresseagentur.com wurden jedoch aus gut informierten Wirtschaftskreisen ein paar Kennzahlen für die Jahre 2019 und 2020 zur Kenntnis gebracht. Daraus ergibt sich folgendes Bild: Anstatt des erwarteten deutlich positiven Ergebnisses stand demnach 2019 ein negatives Betriebsergebnis von minus 9,5 Millionen Euro in den Büchern. Das Eigenkapital war mit 14,7 Millionen Euro aber noch immer positiv.

Die gleichen Kennzahlen für 2020 zeigen unterdessen eine rapide Verschlechterung der Bilanz. So drehte das Eigenkapital angeblich von vormals plus 14,7 Millionen Euro auf minus 42,5 Millionen Euro. Und das alles bei einer Bilanzsumme im Jahr 2018 in Höhe von 112,5 Millionen Euro. In der GuV verschlechterte sich das Betriebsergebnis von minus 9,5 Millionen Euro in 2019 auf minus 60 Millionen Euro in 2020.

Corona keine Erklärung

Gut informierte Kreise weisen darauf hin, dass der Hund in dieser Angelegenheit vor allem bei absichtlich oder unabsichtlich nicht korrekt durchgeführten Bewertungen laufender Großprojekte für die Bilanzerstellung und bei der korrekten Verbuchung von Umsatzerlösen begraben sein dürfte. Allein über das operative Geschäft seien Verschlechterungen in diesen Dimensionen von einem auf das andere Jahr kaum möglich. Auch mit den Folgen der Coronamaßnahmen ab Ende März 2020 könne man solche Zahlensprünge nicht erklären.

Völlig anderes Bild

Dabei gibt es einen weiteren Unterschied: Der Jahresabschluss 2019 wurde noch von der Confirm Wirtschaftsprüfung GmbH geprüft und bestätigt. Jener für 2020 wurde unterdessen vom Wirtschaftsprüfer HLB International geprüft und bestätigt, der auch einen Standort in Vorarlberg unterhält. Wie es heißt, sollen unter anderem die involvierten Banken auf die Bestellung eines neuen Prüfers gedrängt haben. Der lieferte dann ein völlig anderes Bild von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, das möglicherweise eher der Realität entsprach, wie die darauffolgenden Entwicklungen bis herauf in die Gegenwart zeigen. Darüber hinaus heißt es, dass ein Mitglied des freiwillig installierten Beirates der Firmengruppe Bertsch den Stein mit ins Rollen gebracht haben soll, da ihm die Bewertungen der Großprojekte in der Bilanz nicht schlüssig erschienen. 

Mögliche Haftungsansprüche

Der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter Wilhelm Klagian dürfte derzeit vor allem mit dem bestmöglichen Verkauf jener Unternehmensteile beschäftigt sein, für die sich ein Käufer findet. Danach könnte er sich unter Umständen aber auch mit der Frage beschäftigen, wer für die früheren Bilanzerstellungen verantwortlich zeichnet, ob die Zahlen fachlich nachvollziehbar und begründbar sind oder aber ob sich mögliche Haftungsansprüche ergeben. Das betrifft nicht nur den früheren Wirtschaftsprüfer, sondern auch die damaligen Geschäftsführer von Bertsch Energy.

Günther Bitschnau/wpa

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