„Dieser Wert muss nicht verunsichern“

Gerald Fleisch, Direktor der Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG), über Personalmangel, in welchem Spital es ihn nicht gibt und was er vom Wahlarzt-System hält.
Am Ende des Jahres 2021 waren Sie besorgt, weil das Krankenhauspersonal so belastet war. Wie stark ist diese Belastung heute, ein Jahr später?
Gerald Fleisch: Sie ist noch höher. Zum einen beschäftigt uns Covid immer noch, wir haben über 30 Patienten im Durchschnitt und deren Behandlung sowie Pflege sind wegen der Schutzausrüstung und den Isolierstationen anstrengend. Zum anderen haben wir – wie überall in der Gesellschaft – viele Krankenstände aufgrund von Influenza und anderen Infektionskrankheiten. Ein weiterer Grund der großen Belastung ist, dass die Krankenhäuser viele Leistungen abfangen, die eigentlich im niedergelassenen Bereich geleistet werden müssten. Niedergelassene Ärzte sind nicht durchgehend erreichbar beziehungsweise sind die Ordinationen eingeschränkt geöffnet, weshalb die Patienten zu uns kommen. Wir haben eine sehr hohe Ambulanzfrequenz, 400.000 Patienten pro Jahr. Davon sind zwei Drittel nicht krankenhauspflichtig. Das ist eine sehr hohe Zahl. Zudem sind circa zehn Prozent unserer Betten belegt mit Patienten, die in ein Pflegeheim gehören würden.
Wie könnte die Versorgung im niedergelassenen Bereich gewährleistet und dadurch die Krankenhäuser entlastet werden?
Fleisch: Viele niedergelassenen Ärzte zeigen einen sehr hohen Einsatz und ihre Praxen werden überrannt. Es gibt aber auch Ärzte, die nicht sehr versorgungswirksam sind, die kurze Öffnungszeiten haben und aufgrund der Finanzierungssituation weniger arbeiten. Österreich hat im internationalen Vergleich eine hohe Ärztedichte, gesamthaft haben wir also genügend Mediziner. Man müsste daran arbeiten, dass alle versorgungswirksam tätig sind.

Sie meinen Privatärzte?
Fleisch: Ja. Das Wahlarzt-System ist ein Unwesen, und da muss man eingreifen. Dann würde auch das Krankenhauspersonal entlastet werden.
Die unlängst veröffentlichte AK-Studie „Zfrieda schaffa im Krankahus“ ergab unter anderem, dass beim Krankenhauspersonal jeder Vierte daran denkt, den Beruf zu wechseln. Schrillen Ihre Alarmglocken, wenn Sie so etwas hören?
Fleisch: Zuerst möchte ich hervorheben, dass diese Studie gemeinsam vom Zentralbetriebsrat, der Arbeiterkammer und der KHBG durchgeführt wurde. Zu den Ergebnissen: Man kann kritisch anmerken, dass nicht immer schlüssig ist, welcher Wert in Erinnerung bleibt. So stehen etwa jedem Vierten, der ans Aufhören denkt, 79,1 Prozent entgegen, die sagten, sie würden wieder für die Landeskrankenhäuser arbeiten. Das ist ein hoher Wert, über den man sich freuen darf und der wichtig ist. Aber es schrillen schon auch die Alarmglocken bei dem Ergebnis der Studie, dass viele Mitarbeiter selbst dann arbeiten, wenn sie krank oder kränklich sind. Es ist aber auch zu sagen, dass die Situation im internationalen und österreichischen Vergleich recht gut ist. Dennoch dürfen wir nicht ausruhen und müssen am Ball bleiben, damit das System langfristig erhalten bleibt.
Wie kann das gelingen?
Fleisch: Das Wichtigste ist, dass der Beruf der Pflege nicht schlecht geredet wird, wie das bei den Lehrern geschehen ist und wofür die Gewerkschaft verantwortlich ist. Beim Pflegeberuf droht dasselbe. Die Pflege ist zwar ein herausfordernder Job, aber er ist auch sehr abwechslungsreich und gut bezahlt. Wir haben eine Werbekampagne gestartet, sie heißt „Mein Job fürs Leben“. Unter dem Motto „Viele Gründe dagegen, noch mehr dafür“ erklären Mitarbeitende, was ihnen an diesem Beruf gefällt. Wir haben dafür mit den Mitarbeitern gesprochen und sie haben auch aufgezeigt, was sie belastet. Unter dem Strich ist es aber ein erfüllender Beruf für sie. Wir spüren erste Auswirkungen der Kampagne. Es gibt Spitäler, wo es eine Warteliste gibt für Menschen, die in der Pflege arbeiten wollen.
“Das Wichtigste ist, dass der Beruf der Pflege nicht schlechtgeredet wird.“
Gerald Fleisch, Direktor KHBG
In welchen Krankenhäusern müssen Bewerber für den Pflegeberuf abgewiesen werden, weil es genügend Personal gibt?
Fleisch: Am LKH Hohenems. Man muss auch wissen: An den Landeskrankenhäusern arbeiten über 2200 Pflegekräfte und durchschnittlich sind immer an die 50 Stellen offen. Wir reden im Moment davon, dass circa zwei Prozent der Stellen unbesetzt sind. Das ist kein Wert, der völlig verunsichern muss, und wir stehen auch nicht vor dem Zusammenbruch. Das Problem ist, dass sich manche unbesetzten Stellen in einigen Abteilungen konzentrieren, etwa in der Psychiatrie in Rankweil.
Am LKH Rankweil stehen wegen Personalmangels 50 Betten leer. Können sie in nächster Zeit wieder geöffnet werden?
Fleisch: Wir müssen uns gemeinsam anstrengen, damit wir die offenen Stellen langfristig nachbesetzen können. Wir gehen davon aus, dass sich die Situation 2023 besser darstellen wird.

Wie sieht es in den Krankenhäusern bezüglich Ärztemangel aus?
Fleisch: Bei 830 Dienstposten sind 31 Stellen zurzeit nicht besetzt. Solche Zahlen hatten wir immer, und das wird auch in Zukunft so sein. Die Situation in den Landeskrankenhäusern ist im Großen und Ganzen gut, vor allem deswegen, weil wir ein sehr gutes Image bei Jungärzten haben. Die große Herausforderung ist vielmehr, sich der neuen Zeit zu stellen: Es gibt viel mehr Frauen im Ärzteberuf und den zunehmenden Wunsch nach Kompatibilität von Arbeit und Familie, nach Teilzeitarbeit und nach Arbeiten in einem Team.
Die Landeskrankenhäuser bieten vermutlich Kinderbetreuung an?
Fleisch: Wir haben Kleinstkinder-, Kleinkinder-, Kindergarten- und Schülerbetreuung. Die Öffnungszeiten sind sehr dienstnehmerfreundlich und den Diensten angepasst.
Kommen wir zu einem anderen Thema, der Energie. Die Stromkosten der Landeskrankenhäuser werden sich im nächsten Jahr auf mehr als 4,3 Millionen Euro verdoppeln, die Gasrechnungen steigen um zehn Prozent. Wie spart ihr Energie?
Fleisch: Wir bemühen uns, beim Verbrauch sehr sparsam zu sein, teils mit einfachen Maßnahmen wie dem Ausschalten des Lichts. Wir achten auch darauf, noch mehr alternative Energien zu beschaffen und einzusetzen. Wir haben bereits eine der größten Fotovoltaik-Anlagen des Landes, in Feldkirch etwa sind die Dachflächen voll davon. Unser Technikteam ist sehr groß und es kümmert sich sehr darum, dass wir energieeffizient sind.

Wie lange können die Krankenhäuser bei einem Blackout den Betrieb aufrechterhalten?
Fleisch:Je nach Standort einige Tage. Wir haben Öl-Lager für unsere Notstromaggregate und sind in guten Gesprächen mit den Illwerke vkw, dass wir bei einem Blackout eine Sonderstellung haben.
Welche Projekte stehen im neuen Jahr an?
Fleisch: Das wichtigste Thema ist die Entlastung des Personals, was besonders im Pflegeberich wichtig ist. Wir werden dazu – neben anderem – die Zusammenarbeit der Häuser weiter intensivieren für Poollösungen. Ein weiters großes Projekt ist, den Neubau der Psychiatrie in Rankweil weiterzuführen. Und dann gibt es eine Fülle kleinerer Projekte, wie das Etablieren der Ausbildungszentrum GmbH oder der Intensivierung der Kooperation mit der Fachhochschule Vorarlberg.
Zum Schluss noch einmal ein Blick zurück: Was war positiv im zu Ende gehenden Jahr?
Fleisch: Dass die Dankbarkeit der Bevölkerung für unsere Leistungen und Arbeit sehr groß ist. Wir dürfen nicht übersehen, dass wir im Grunde ein tolles Gesundheitswesen haben, das aufgrund politischer Agitation schlecht geredet wird.
Ausbildungszentrum
Um gegen den Personalmangel in der Pflege vorzugehen, hat die KHBG mit der Stadt Dornbirn und den Krankenpflegeschulen Unterland, Rankweil und Feldkirch eine Ausbildungszentrum GmbH gegründet. Die Schulstandorte bleiben bestehen, es werden aber Synergien genutzt, etwa bei den Aufnahmeverfahren und dem pädagogisch-inhaltlichen Konzept. Die operative Umsetzung läuft, formaler Start ist am 1. Jänner 2023.