“Für ORF-Seher soll es billiger werden”

Die Regierung ringt um die Finanzierung des ORF, der ein Millionenloch stopfen muss.
Es hat sich womöglich bald ausgeklingelt. Der unverhoffte Besuch von GIS-Mitarbeitern, die das Vorhandensein von Rundfunkempfangsgeräten kontrollieren, könnte ab 2024 Geschichte sein. Hintergrund: Eine Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs sieht vor, dass auch Streamingnutzung von ORF-Inhalten kostenpflichtig sein muss. Die Haushaltsabgabe, in Deutschland 2013 eingeführt, gilt als wahrscheinlichste Alternative. Die Regierung mit Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) muss entscheiden – und diese übt Druck auf den ORF aus, dem bis 2026 mehr als 300 Millionen Euro fehlen: Raab richtet Küniglberg-Chef Roland Weißmann harte Sparmaßnahmen und einen Kassasturz aus. ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger im Gespräch darüber, woher das ORF-Geld kommen soll, die Causa um ORF-Niederösterreich und das besiegelte Schicksal der “Wiener Zeitung”.
Langsam drängt die Zeit für die Neugestaltung der ORF-Finanzierung: Eine Finanzierung aus dem Budget, eine erweiterte GIS-Gebühr oder die Haushaltsabgabe. Was wird’s?
KURT EGGER: Die drei Möglichkeiten liegen am Tisch. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen.
Dass die Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger eine Budgetfinanzierung ins Spiel brachte, überraschte die ÖVP?
EGGER: Sie hat uns deswegen überrascht, weil sie über Monate die Budgetfinanzierung ausgeschlossen hat. Daher war es nicht erwartbar. Aber ich bin überzeugt, dass wir zusammenfinden werden. Das Gesprächsklima war in den letzten Monaten gut. Die zweite Möglichkeit wäre die Endgeräteabgabe, dabei geht es darum, die jetzige GIS-Gebühr um weitere Empfangsgeräte zu erweitern. Es stellt sich dabei nur die Frage, wie das kontrolliert wird. Und der dritte Weg ist die Haushaltsabgabe. Oder wir kombinieren mehrere Varianten.
Eine Kombination aus Budget und Haushaltsabgabe?
EGGER: Zum Beispiel.
Ist das etwas, über das diskutiert wird?
EGGER: Mir geht es darum, eine sinnvolle Lösung zu finden und da sollte man über den Tellerrand hinausschauen. Es gibt sicher bereits jetzt im Zusammenspiel Bundesregierung und nahe stehender Organisationseinheiten gute Beispiele, wo mit gemeinsamen Zielvereinbarungen gearbeitet wird und man so Weiterentwicklung finanziell unterstützt.
Was verändert sich für den ORF-Seher? Wird es billiger oder teurer?
EGGER: Für den ORF-Seher soll es billiger werden, digitaler und auch besser vom Angebot.
Und für den Nicht-ORF-Seher, der womöglich trotzdem zahlen muss?
EGGER: Fest steht, dass jeder die Möglichkeit haben soll, ein gutes Angebot zu bekommen und dass für jeden etwas dabei ist. Der Informationsauftrag muss erfüllt werden.
Gehen Sie davon aus, dass der ORF auch 2024 einen ähnlichen Betrag zur Verfügung haben wird, wie er es jetzt durch die Gebühren hat – rund 660 Millionen Euro pro Jahr?
EGGER: Man darf nicht vergessen, der ORF hat mit dem heurigen Jahr eine Gebührenanpassung von rund acht Prozent bekommen. Das heißt, die haben schon mehr bekommen. Es gilt zu analysieren, ob das ausreichend ist bzw. wo eventuell auch innerhalb des ORF noch optimiert werden kann. Am Ende des Tages entscheidet immer der Konsument und ich gehe davon aus, dass der ORF ein Programm produziert, das auf den Seher ausgerichtet ist.
Welche Rolle soll “orf.at”, die blaue Seite, künftig spielen?
EGGER: Diese Thematik wird im Zuge der aktuellen Verhandlungen auch diskutiert und kann nicht singulär betrachtet werden. Es geht auch darum, wie der öffentlich-rechtliche Auftrag definiert ist. Was gehört dazu, was nicht? Was ist ein Grundmaß an Information, die notwendig und für alle frei zugänglich sein soll? Gleichzeitig gilt es Maßnahmen zu setzen, um Arbeitgebern, wie Ihrem Haus, eine Zukunft zu ermöglichen. Indem recherchierte Inhalte, wo viel Arbeit dahintersteckt, auch entsprechend kommuniziert und angeboten werden können. Diese Ausgewogenheit wird sich in der blauen Seite widerspiegeln.
Das heißt konkret, weniger Inhalte auf der Seite” orf.at”?
EGGER: Ich weiß nicht, ob es weniger sein werden. Sie können in einem veränderten Umfang sein, sie können im Zusammenhang mit einem digitalen Content sein, wie es auch andere öffentliche Anbieter, etwa in Deutschland, handhaben. Das ist im Zuge der Diskussionen über die beiden Materien, Finanzierung und Digitalnovelle, noch abzuhandeln.
Anders als Blimlinger ging ÖVP-Medienministerin Susanne Raab bis gestern in Fragen um die Zukunft des ORF auf Tauchstation.
EGGER: Jeder hat seinen politischen Stil. Kollegin Blimlinger hat einige Male öffentlich nachgedacht, die Medienministerin hat eine andere Vorgehensweise gewählt. Beide Vorgehensweisen sind zu akzeptieren, beide zielen darauf ab, eine gute Lösung zustande zu bringen.

Wird sich noch was bei der Qualitätsjournalismus-Förderung ändern? Es gab da ja einige Kritikpunkte.
EGGER: Ja, ganz sicher. Es hat in der Begutachtungsfrist einiges an Vorschlägen gegeben, die werden wir jetzt bewerten.
Worum geht es konkret?
EGGER: Es geht u. a. um die Mindestzeichenanzahl pro Jahr für Online-Medien und um die Unique Clients. Das muss man sich Punkt für Punkt ansehen. Da gibt es gute Ideen.
In Niederösterreich wird dem ORF-Landesdirektor von den eigenen Redakteuren vorgeworfen, der Landespolitik hörig zu sein. Ein Einzelfall?
EGGER: Ich würde da jetzt bitten, das Ergebnis der Kommission abzuwarten. Ich kenne auch nur die Informationen aus den Medien und würde sehr stark dazu raten, dass wir die Emotionen herausnehmen und die Faktenlage betrachten. Ich darf nur erinnern, was mit Landeshauptmann Wallner in Vorarlberg passierte. Der wurde medial hingerichtet und jetzt, am Ende des Tages stellt man fest: Ganz so viel ist da nicht dahinter.
Wird sich am Plan für die “Wiener Zeitung” und damit dem Ende ihrer Existenz als gedruckte Tageszeitung noch etwas ändern?
EGGER: Nein. Wir begleiten die Zeitung in das digitale Zeitalter. Es verlagert sich sehr vieles in die digitale Welt, warum nicht auch eine “Wiener Zeitung” mit einer ausreichend ausgestatteten Redaktion, um Qualitätsjournalismus zu betreiben?
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