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Weibliche Körperbilder und eine tote Mutter

27.01.2023 • 17:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
"Oder ein Schiefer im Stamm" mit Bühnenbild von Klara Steiger.    <span class="copyright">Mandy Hanke</span>
"Oder ein Schiefer im Stamm" mit Bühnenbild von Klara Steiger. Mandy Hanke

Gestern war die Uraufführung der Kosmodrom-Stückentwicklung „Oder ein Schiefer im Stamm“, welche ein Zusammentreffen zweier gekränkten Frauen zeigt.

Zwei Verwandte begegnen sich vor der Beerdigung. Der Tisch ist gedeckt und der Wein steht bereit. Den werden sie auch brauchen, denn anstatt gegenseitiger Anteilnahme und emotionaler Unterstützung bringt der Tod von Valeries Mutter lange in sich getragene Kränkungen hervor, die im Zusammentreffen von Tante und Tochter in hohen Wogen über sie hereinbrechen. Es wird nicht gespart mit Aggressionen und gegenseitigen Anschuldigungen, nur in einem sind sie sich offensichtlich einig: Dass sie die Gertrud beide nicht mochten. Auf eine eigentümliche Weise trauert Valerie dennoch um ihre Mutter, von der sie unterdrückt und ins traditionelle Rollenbild der Frau als gefügige Ehefrau und Mutter gedrängt worden sei.

Carmen Jahrstorfer (Valerie) und Katja Klemt (Hanni).  <span class="copyright">Mandy Hanke</span>
Carmen Jahrstorfer (Valerie) und Katja Klemt (Hanni). Mandy Hanke

Konfrontation

Es ist eine unbehagliche Begegnung. Demonstrativ stehen sich die beiden Frauen wie im Kampf an den Tischenden gegenüber, fast wird er umgeworfen, Stühle fliegen, Gläser kippen und der Wein wird getrunken und wieder eingegossen, bis er über den Glasrand und am Tisch hinunterläuft. Es hat doch etwas Zusammenhangloses, wenn Valerie gerade noch beim Üben der Rede, sich schlagartig in einer feindseligen Konfrontation mit ihrer Tante wiederfindet, die zwischendurch in ein gemeinsames Singen von Kinderliedern übergeht. Einmal macht die Tante ihr die Haare, dann sitzt sie auf ihrem Schoß, später liegt sie unter dem Tisch. Dialoge schweifen ab, gehen von der Mutter zum Schicksal der Tante über, bis Valerie dann über Sexualität und Schwalben zum Publikum spricht. Wut und Trauer ertrinken sie im Wein. Wenigs­tens die Tante Hanni hatte eine schöne Kindheit, denn es „fängt ja niemand von vornherein mit der Verzweiflung an.“

Szenenbild <span class="copyright">Mandy Hanke</span>
Szenenbild Mandy Hanke

Erste und weitere Schritte

„Oder ein Schiefer im Stamm“ ist eine Kosmodroms-Stückentwicklung vom Theater Kosmos, bei der jungen Autoren die Möglichkeit gegeben wird, ihre Texte in relativ kurzer Zeit im professionellen Rahmen zu einem Kurzdrama zu entwickeln. Als Textvorlage diente eine Skizze vom Autor Raoul Eisele über das Leben von Valerie, von der die Szene der Beerdigung gewählt wurde. In enger Zusammenarbeit haben die Regisseurin Michaela Vogel und die Schauspielerinnen die rohe Bühnenfassung weiter ausgearbeitet.
Eisele entwirft im Stück zwei Frauen, die beide hochemotional, fast hysterisch und irrational reagieren und mit dem plötzlichen Todesfall und ihren Gefühlen zueinander nicht zurechtkommen. Er wolle im Stück die in der Gesellschaft verankerten Körperbilder der Frau thematisieren, wie er im anschließenden Gespräch sagt und doch verlieren sich die Figuren zu sehr in Klischees. Die eine wirkt labil und ist vom Unfalltot ihres Mannes gebrochen, die andere sucht nach Unabhängigkeit, während sie alle Schmähungen aus der Kindheit als große Bürde durchs Leben trägt. Die Beisetzung der Mutter wirkt als Auslöser, um unterdrückte Gefühle loszuwerden. Carmen Jahrstorfer (Valerie) und Katja Klemt (Hanni) überzeugten mit einer sehr lebendigen und kraftvollen Inszenierung.

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