Wenn das Busfahren zum Zahlenrätsel wird

Mittlerweile haben die Busse schon mehrere Wochen neue Nummern. Wie es den Fahrgästen damit ergangen ist und damit geht.
Wenn man jahrelang im Schlaf die Nummerierungen der Busse auswendig wusste, kann es plötzlich verwirrend sein, wenn die Linie 19 plötzlich 125 heißt.

ember einigen Vorarlbergern, als das Busnummernsystem dreistellig wurde. Manchmal kann es dann stressig werden, wenn ein Bus einfährt und ein Wartender erst in der App nachschauen muss. Außerdem hat nicht jeder ein Smartphone. Ältere Personen greifen oft lieber zum gedruckten Fahrplan. Doch gerade dieser wurde im Jahr der Umstellung erstmals nicht mehr an die Haushalte verschickt.
Dies begründet Mobilitätslandesrat Daniel Zadra mit der Energiekrise und den gestiegenen Papierkosten. Auch der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Vorarlberg, Christian Hillbrand meint dazu: „Der Aufwand hinsichtlich Ressourcen, Energie und Umwelt ist sehr groß. Die verschickten Fahrplanbücher landeten in der Vergangenheit zu einem großen Teil gleich im Müll, das ist für uns als Unternehmen mit einem großen Klimaschutzauftrag nicht tragbar.“

Fahrplan vergriffen
Er verweist auf die in sämtlichen Lebensbereichen fortgeschrittene Digitalisierung und die erkennbare Steigerung von Online-Zugriffszahlen. „Wir verzeichnen mittlerweile vier Millionen Fahrplanauskünfte über unsere Website beziehungsweise mobil über die ‚cleVVVer mobil‘-App als erste Anlaufstelle für die Planung der Öffi-Fahrten“, führt er aus.

Trotzdem war die Nachfrage nach dem gedruckten Fahrplan dann doch so enorm, dass er ab Ende Dezember vergriffen war. Die Schwarzacherin Annemarie William etwa ging mit leeren Händen aus: „Ich habe immer noch keinen Fahrplan bekommen, weil er ausverkauft ist.“ Sie weist auf ihre fehlende Affinität für Smartphones hin. Die Fahrpläne wurden inzwischen als Reaktion auf die Nachfrage nachbestellt und sollen ab Montag in den Vmobil-Servicestellen wieder erhältlich sein. Insgesamt liegt die Auflage laut VVV dabei dann bei 12.000 Stück.

Die 69-Jährige ist nicht die Einzige, die anfangs Schwierigkeiten hatte. Bei Gesprächen mit mehreren Menschen, die am Dornbirner Bahnhof auf ihren Bus warteten, fielen mehrmals die Schlagworte „Landbus“ und „Stadtbus“. So nehmen die Fahrgäste teilweise die neue Nummerierung der Landbusse als komplizierter als die der Stadtbusse wahr. Denn aus dem Stadtbus 1 in Dornbirn wurde beispielsweise die Nummer 201. Es wurde nur die „2“ für die Region Dornbirn vorne hinzugefügt, die „1“ hinten blieb dabei gleich. Hingegen wurde beispielsweise der Landbus Unterland 52 durch die Fahrplanänderung zur 161. Eselsbrücken können in diesem Fall nur schwer gebildet werden.

Eine Frau, die anonym bleiben möchte, hat damit immer noch Schwierigkeiten: „Ich komme immer noch durcheinander. Ich fahre täglich mit dem Bus zu Kunden und bin sogar schon falsch ein- und ausgestiegen.“ Andere berichten, dass sie sich daran gewöhnt haben.
Busnummern wie Sudoku
Solche Veränderungen fordern nämlich unterschiedlich stark. „Grundsätzlich ist jeder Mensch ein Gewohnheitstier, und Veränderungen brauchen Zeit“, so die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Mobile Hilfsdienste, Simone Bemetz-Kochhafen. Die Dauer kann je nach Häufigkeit des Nutzungsverhaltens und des Alters variieren. Bemetz-Kochhafen sieht auch einen Unterschied bei Herangehensweisen. Während junge Leute womöglich eine App zur Hilfe heranziehen, würden ältere Leute sich beispielsweise an der Uhrzeit anstatt der Nummer als Lösungsweg orientieren. Ältere Personen hätten noch mehr Gewohnheiten und bräuchten länger dafür. Sie zeigt auch eine positive Seite auf: Statt Sudoku kann nun das Busfahren als Gedächtnistraining dienen.

Mobilitätstraining
Trainiert wurde die Mobilität im Rahmen der Busnummernumstellung auch im Institut für Sozialdienste. Es mussten manche Klienten mit Down-Syndrom oder Autismus teilweise vorbereitet werden, auch wenn diese zuvor selbstständig den Weg bewältigten konnten. Wie etwa durch Erklärungen, das Mitgeben eines Zettels oder dass Mitarbeiter des IfS die betreffenden Personen auf dem Weg wenige Male begleiteten.
Die Leiterin des Fachbereichs Spagat, Barbara Capelli erzählt: „Wir hatten auch einen Fall, der immer auf die Busnummer geschaut hat und dann nach Liechtenstein gefahren ist. Diese Person mussten wird dann suchen.“ Inzwischen beobachtet die 54-Jährige keine Schwierigkeiten mehr.

Auch die Buslenkerin bei Rheintal-Bus, Laura Dziuvyte, nahm zu Beginn einen erhöhten Informationsbedarf der Fahrgäste wahr. „Am Anfang haben mich viele Fahrgäste gefragt, und ich musste dann erst selbst nachschauen“, erzählt die 40-Jährige. Sie sei das neue System selbst auch noch nicht gewöhnt. Das brauche Zeit. Für solche Fälle ist sie ausgestattet und hat einen Plan dabei. Darin ist eine Übersicht der Änderungen aufgelistet. Mittlerweile beobachtet sie, dass die Fahrgäste nicht mehr zu ihr kommen.

Eingewöhnungsphase vorbei
Zadra berichtet auch, dass Rückfragen inzwischen abgeflacht seien. Zuvor habe es in den ersten Wochen im Dezember bei ihm im Büro aber auch nur wenige, etwa eine Handvoll Meldungen zu den Busnummern gegeben. Dabei ging es hauptsächlich um Fragen zur Notwendigkeit der Linienänderung oder zur Auskunft zu einer bestimmten Liniennummer. Die überwiegende Anzahl der Fahrgäste sei jedoch gut vorbereitet gewesen. „Eine Veränderung braucht Zeit, bis sie voll ankommt“, ergänzt Zadra. „Für eine derartig große Veränderung bin ich positiv überrascht“, resümiert er.

Doch warum kam es zur Umstellung? Für Zadra sei es wichtig gewesen, dass es ein einheitliches Bussystem für Stadt- und Landbusse gibt, welches auch das nächste Jahrzehnt Bestand habe. Auch Hillbrand spricht an, dass das neue System logisch und für Angebotserweiterungen geeignet sei. „Das Busangebot in Vorarlberg ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, was eine sehr gute Entwicklung ist. Aber natürlich war die Anordnung der Linien dann für die Fahrgäste im Lauf der Zeit nicht mehr logisch“, sagt er. Bis die neuen Nummern für alle logisch sind, wird es wohl noch dauern.

Umfrage: Wie war für Sie die Umstellung der Busnummern und Haben Sie sich inzwischen daran Gewöhnt?

Leonie Nußbaumer, 15 Jahre
Ich schaue immer in der Vmobil-App nach, welchen Bus ich nehmen muss, und nicht so sehr auf die Nummer auf den Bussen. Deswegen habe ich mich schnell umgewöhnt.

Margit Bohle, 86 Jahre
Man muss sich erst daran gewöhnen, dass sich die Nummern geändert haben. Ich habe junge Leute daheim, die mich informieren. Wer alleine auf sich gestellt ist, hat es schwer.

Peter Krasl, Dornbirn
Ich habe mit der Änderung kein Problem gehabt. Ich fahre seit Jahren mit derselben Linie zum Messepark zur Arbeit, und mir ist dabei egal, ob da 4 oder 204 draufsteht.

Peter Elmar, 80 Jahre
Ich weiß gar nicht, warum die Nummern umgestellt wurden. Das hat mich auch nicht interessiert. Ich gehe an meine Haltestelle, und welche Nummer dann auf dem Bus steht, ist mir egal.

Emma Bereuter, 76 Jahre:
Für mich war es am Anfang schwierig. Am ersten Tag habe ich überhaupt nicht gewusst, welcher Bus der richtige ist. Jetzt habe ich immer einen Prospekt dabei, und so ist es einfacher.

Jonathan Graber, 15:
Ich habe eine Zeit lang weiterhin die Busse bei der alten Nummer genannt. Wenn der Bus herfährt, sucht man reflexartig die Nummer. Einmal bin ich in den falschen Bus eingestiegen.

Caroline Kobalt, 36 Jahre:
Schwer ist es, wenn man suchen muss. Vorher wusste man, welchen Bus man nehmen muss. Stadtbusse gehen besser als die Landbusse. Bei täglichen Routen habe ich mich daran gewöhnt.
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