Land würdigt verstorbenen Martin Purtscher

APA/CHRISTIAN JUNGWIRTH
Altlandeshauptmann wird von vielen als überzeugter Europäer und Vorbild gelobt.
Über die Parteigrenzen hinweg wird der am Freitag verstorbene Altlandeshauptmann Martin Purtscher (1928–2023) gewürdigt. „Er wird uns allen als glühender Europäer, mutiger Politiker und warmherziger Mensch in Erinnerung bleiben. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Weggefährten“, so Neos-Landessprecherin Sabine Scheffknecht, die Purtscher als visionären Politiker mit Weitblick würdigte.

Philipp Steurer
„Politik, so wie ich sie verstanden habe, darf nicht vorgaukeln, auf alles eine Antwort zu haben oder gar letzte Antworten. Und für verwerflich halte ich eine Politik, die Angst macht.“
Martin Purtscher,
bei seinem Rücktritt als Landeshauptmann 1997
Die Landessprecher der Grünen, Daniel Zadra und Eva Hammerer, bezeichneten den Verstorbenen als Vorbild für die nachfolgende Politikergeneration: „Martin Purtscher wird in die Geschichte eingehen als einer der Wegbereiter des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union. Mit der Gründung der heutigen Fachhochschule und dem Verkehrsverbund hat er bleibende Meilensteine für das Land erreicht.“ Beide lobten auch seinen Einsatz für die Illwerke sowie für Kunst und Kultur.
„Martin Purtscher verstand Politik stets als geistigen Wettbewerb, in dem man den politische Konkurrenten nicht als Gegner betrachtet, sondern Konsens und Toleranz im Vordergrund stehen müssen“, erklärte ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück. Man verliere mit Purtscher „einen langjährigen Weggefährten und guten Freund“, so Landeshauptmann Markus Wallner. Das Mitgefühl gelte der Familie.
Überzeugter Europäer
Purtscher, der von 1987 bis 1997 Landeshauptmann gewesen war, hatte in seiner Abschiedsrede vor dem Landtag den Familienzuschuss, den Pflegezuschuss, die leistungsorientierte Spitalsfinanzierung, die Schaffung des Verkehrsverbundes und die Gründung der Fachhochschule als Erfolgsprojekte seiner Regierungen genannt.
„Stolz bin ich, daß wir es geschafft haben, die Illwerke vorzeitig zu ‚Vorarlberger Illwerken‘ zu machen. Und stolz bin ich, daß unsere großen Reformanstrengungen gefruchtet haben und die Vorarlberger Landesverwaltung zu den modernsten und effizientesten gehört und auch keinen Vergleich scheuen muss“, so Purtscher damals weiter.

Die europäische Integration Österreichs war Purtscher ein besonderes Anliegen. Vor und während der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union machte er nicht nur bei den übrigen Landesregierungen Stimmung für die Mitgliedschaft. Die Währungsunion nannte er bei seinem Abschied im Landtag „unbedingt notwendig“ und bedauerte, dass der EU-Beitritt für weite Teile der Vorarlberger Textilindustrie leider zu spät gekommen sei.
Martin Selmayr, der Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich, bezeichnete Purtscher als „einen der Wegbereiter des Beitritts Österreichs zur EU“. Kommissar Johannes Hahn erklärte, man habe es Purtschers Weitsicht zu verdanken, dass Österreich den Beitrittsprozess rasch begonnen und abgeschlossen habe.
Dem verstorbenen Altlandeshauptmann waren immer wieder Ämter in der Bundes- oder Europapolitik angetragen worden, die er stets ablehnte. Er habe seine Aufgabe „nicht in Wien und nicht in Brüssel“, sondern „hier in Vorarlberg“ gesehen.
Mann mit Prinzipien
Martin Purtscher hatte vor seiner Zeit als Landeshauptmann von 1974 bis 1987 als Landtagspräsident gedient und maß dem Landesparlament stets hohe Bedeutung bei. Der Landtag werde „von den Bürgern so ernst genommen, wie er sich selber ernstnimmt“, mahnte er bei seinem Abschied aus dem Landhaus. „Nicht der flotte Zwischenruf ist entscheidend, und nicht der schnelle Sager in Richtung Pressebank.“
Als negative Begleiterscheinung der Politik sah Purtscher, dass „auch die Familie mit in die Öffentlichkeit tritt. Es ist eine moralische Belastung, die gewünschte Gemeinsamkeit mit Frau und Kindern zu missen, und gleichzeitig aber zu wissen, dass persönliche Angriffe die Familie oft noch schmerzlicher berühren als einen selbst.“
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