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Pioneers stecken noch im Identitäts-Wirrwarr

05.02.2023 • 13:11 Uhr / 10 Minuten Lesezeit
Pioneers stecken noch im Identitäts-Wirrwarr
Die Pioneers verdichten gerade gegen die Top-Teams geschickt die Zone vor dem eigenen Tor. Dietmar StiplovsekAbseits vom Eis fehlte es dagegen an der klaren Identität.

Saisonende für die Bemer Pioneers Vorarlberg rückt immer näher.

Die Debütsaison der Pioneers in der ICE-Liga neigt sich dem Ende zu. Den Feldkirchern fehlen sieben Runden vor Ende des Grunddurchgangs 13 Punkte auf Platz zehn, diesen Rückstand werden die Pioneers nicht mehr aufholen, zumal sie zuletzt den Kader verschlankt haben. Gestern setzte es nicht zuletzt deshalb eine klare 1:5-Niederlage bei den Capitals. Den Kehraus in die Länge zieht die mit heute beginnende Länderspielpause, den letzten Saison-Auftritt werden die Mannen von Marc Habscheid mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit heute in drei Wochen in Graz haben. Zeit für ein Fazit.

Geburtsstunde

Am 18. Mai 2022 wurden die Feldkircher per Umlaufbeschluss in die ICE Hockey League aufgenommen, damit ging ein langgehegter Traum in Erfüllung: Der Standort Feldkirch war zurück in der ersten Spielklasse. Der heutige Name stand damals noch nicht fest, klar war nur, dass man nicht als VEU Feldkirch genannt hatte. Unter dieser Bezeichnung wären die Oberländer wohl eher nicht aufgenommen worden. Stattdessen bastelte man an einer Vorarlberger Allianz und damit an einem gemeinsamen Vorarlberger Team mit Dornbirn, Lustenau und dem Bregenzerwald. Das machte Eindruck bei den ICE-Liga-Klubs. Doch aus dieser Allianz wurde aus den verschiedensten Gründen nichts – die Macher sprachen zwar miteinander, redeten dabei aber nicht vom selben. Außerdem blieb viel zu wenig Zeit, um das Projekt zu stemmen. Gespräche über einen Zusammenschluss gab es zwar immer wieder mal, so richtig ernst wurde der Plan aber erst im April kurz vor der ICE-Nennung.

Am 30. Mai enthülten die Feldkirchre, hier mit Präsident Pit Gleim, mit Pioneers Vorarlberg ihren neuen Verein. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Am 30. Mai enthülten die Feldkirchre, hier mit Präsident Pit Gleim, mit Pioneers Vorarlberg ihren neuen Verein. Klaus Hartinger

Neuer Verein
Letztlich gründeten die Feldkircher ohne Beteiligung von außen einen neuen Verein und präsentierten am 30. Mai mit Pioneers Vorarlberg den Namen, mit dem man ab September in der ICA-Liga an den Start gehen würde. Bei der Präsentation stellten die Feldkircher auch gleich die ersten Spieler vor: Alex Caffi, Kevin Macierzynski, Alexander Pallestrang, Patrick Spannring sowie Jungspund Yannik Lebeda.

Die Feldkircher präsentierten auch ihr Konzept bei der Kaderplanung: An erster Stelle stünden die Vorarlberger, dann die Österreicher, und erst an dritter Stelle kämen die Importspieler. Als Trainer stellten die Pioneers am 18. Juli den Deutschkanadier Marc Habscheid vor, der sich in Kanada einen großen Namen als Talentformer gemacht hat – er gewann als Coach unter anderem mit dem Team Canada Junioren-WM-Gold. Bei den Importspieler wiederum zeigte sich rasch, dass der Sportliche Leiter Michael Lampert und Geschäftsführer Christian Groß vor allem auf College-Spieler aus Übersee setzten. Einen ersten Dämpfer bekam das Vorhaben, als sich die Legionäre Clayton Kirichenko und Matt Revel zu Saisonbeginn schwer verletzten und die gesamte Spielzeit ausfielen.

Auch VEU-Legende Conny Dorn war bei Präsentation des neuenVereins dabei. Sonderlich glücklich schien der langjährige Spieler und spätere Co-Trainer von Ralph Krueger nicht. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Auch VEU-Legende Conny Dorn war bei Präsentation des neuenVereins dabei. Sonderlich glücklich schien der langjährige Spieler und spätere Co-Trainer von Ralph Krueger nicht. Klaus Hartinger

Junges Team

Die Pioneers gingen ob ihres überschaubaren Budgets mit einem sehr jungen, unerfahrenen und qualitativ für die ICE-Liga sicher grenzwertigen Kader in die Saison. Zur großen Überraschung feierte man dennoch schon am zweiten Spieltag den ersten Sieg: Bei der Heimpremiere schlugen die Habscheid-Cracks den KAC mit 2:1.
Die taktische Ausrichtung war bereits zu Saisonbeginn klar ersichtlich: Die Pioneers wollten die neutrale Zone verdichten und setzten auf Gegenstöße. Mit Fortdauer der Saison konzentrierten sich die Feldkircher dann vor allem darauf, die Zone vor dem eigenen Tor zu verengen und von dort aus umzuschalten. Das war nicht immer schön anzusehen, aber gerade gegen die Top-Teams funktionierte diese Marschroute. Man schlug je zwei Mal den KAC und Bozen, düpierte Linz, Salzburg und Fehervar.

Pioneers-Coach Marc Habscheid hatte viel zu tun in dieser Saison. <span class="copyright">GEPA</span>
Pioneers-Coach Marc Habscheid hatte viel zu tun in dieser Saison. GEPA

Gegen Teams aus der zweiten Tabellenhälfte funktionierte der Ansatz wenig überraschend überhaupt nicht, nicht zuletzt deshalb, weil diese Teams selbst eher abwartend spielten. Auf elf Siege und 33 Punkte haben es die Pioneers in ihren bisherigen 41 Spielen gebracht. Eine wahrlich beachtliche Ausbeute, die den Montfortstädtern wohl niemand zugetraut hätte. Obwohl die Pioneers also als Tabellenletzter die Play-offs deutlich verpassen, fällt das sportliche Fazit durchaus positiv aus. Denn wirklich chancenlos war man selten. Sehr oft lieferte man dem Gegner einen harten Abnützungskampf. Von den Übersee-Importen hat sich keiner dauerhaft so in den Vordergrund gespielt, als dass eine Vertragsverlängerung alternativlos wäre. Von den jungen Vorarlbergern überzeugte vor allem ECB-Leihgabe Julian Metzler und Aron Summer; beide dürften das Interesse einiger ICE-Klubs geweckt haben.

Julian Metzler war wohl der beste Österreicher bei den Pioneers in dieser Saison: Die Kärntner ICE-Klubs haben längst ein Auge auf ihn geworfen. <span class="copyright">GEPA</span>
Julian Metzler war wohl der beste Österreicher bei den Pioneers in dieser Saison: Die Kärntner ICE-Klubs haben längst ein Auge auf ihn geworfen. GEPA

Wenig Fans

Das große Problem der Feldkircher ist, dass sie mit ihrem Pioneers-Projekt noch überhaupt nicht in Vorarlberg angekommen sind. Der Zuschauerschnitt liegt bei mageren 1399 Besuchern. Wenn man dann noch weiß, wie großzügig Freikarten verteilt wurden und wie oft es offizielle Ticketaktionen gab, wird schnell klar: Die Pioneers kamen im Schnitt wohl kaum auf tausend voll zahlende Besucher – und das, wo doch eigentlich große Euphorie herrschen müsste. Doch den Pioneers Vorarlberg fehlt es an Identität. So ein bisschen hat man das Gefühl, dass die Feldkircher selbst nicht wissen, welche Richtung sie mit dem neuen Verein einschlagen wollen.

Pioneers stecken noch im Identitäts-Wirrwarr
Viele leere Ränge in der Vorarlberghalle – ein gewohntes Bild in dieser Saison. Die Pioneers werden einen Weg finden müssen, mehr Zuschauer in die Halle zu bringen. Roland Paulitsch

Förderung
Auf der Liga-Homepage sind die großen Erfolge der VEU samt dem Euroliga-Sieg im Vereins­porträt angeführt, mit Schwarz, Weiß und Rot trägt man auch die Farben der VEU. Gleichzeitig will man aber nicht mehr mit der VEU gleichgesetzt werden – sondern als Vorarlberger Team wahrgenommen werden, das lediglich seinen Standort in Feldkirch hat. Das Dilemma ist: Den hartgesottenen VEU-Fans ist das viel zu wenig VEU, sie boykottieren die Pioneers-Spiele beharrlich.

Den Eishockey-Fans außerhalb von Feldkirch ist es wiederum viel zu viel an VEU, das da in den Pioneers steckt. Mit Pit Gleim, Michael Lampert und Christian Groß an vorderster Front und vielen eifrigen Helfern in der zweiten Reihe stammen ja auch die handelnden Personen alle von der VEU. Namen hin oder her: Letztendlich ist es ja auch die VEU, die in der ICE spielt, nur eben nicht als VEU.

Ob die Feldkircher mit diesem Konstrukt wirklich in Vorarlberg Fuß fassen können, bleibt abzuwarten. Ein Gerücht aus dem Herbst, das sich hartnäckig hielt, hat sich jedenfalls nicht bewahrheitet. Lange wurde vermutet, die Feldkircher hätten ob des neuen Vereinsnamens eine höhere Landesförderung erhalten. Der NEUE liegen die Zahlen vor: Die Pioneers erhielten vom Land Vorarlberg 210.000 Euro an Strukturförderung, die noch nicht abgerechnete Förderung für die Fahrtkosten dürfte sich auf rund 55.000 Euro belaufen. Die Feldkicher haben auch keine Einmalförderung als Starthilfe bekommen.
Die Pioneers erhalten damit die Standardbeträge. Was die Landesförderung betrifft, hat sich die Umbenennung also nicht gelohnt.

Sportlandesrätin Martina Rüscher bei der Vorstellung des Pioneers-Projekts. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Sportlandesrätin Martina Rüscher bei der Vorstellung des Pioneers-Projekts. Klaus Hartinger

Abgänge

Es wird in Feldkirch wohl eine Weiterentwicklung des Konzepts benötigen, wobei da guter Rat teuer ist: Dass es doch noch zu einer echten Kooperation mit einem der großen Vorarlberger Eishockeyvereine kommt, ist nicht zu erwarten. Und eine neuerliche Umbenennung ist erstmal ausgeschlossen. Nicht förderlich für die Schärfung des Profils ist sicher auch die aktuelle Kaderreduktion. Die Feldkircher sparen mit den Abgängen von Alex Caffi, Richard Jarsusek, Patrick Spannring und Layne Viveiros, der heute zum VSV ausgeliehen wurde, sowie dem Nichtnachbesetzen der Langzeitausfälle Hampus Eriksson und Tyler Sandhu sicherlich einiges an Gehältern. Und damit Geld für die Saison 2023/24. Doch die Feldkircher halten damit nicht Wort. Noch vor wenigen Wochen meinte Lampert, dass man es den Saisonkartenbesitzern schuldig sei, „dass wir mit der besten Mannschaft auflaufen“.

Als Anfang Jänner diese Aussage fiel, hatten die Pioneers freilich noch zarte Play-off-Hoffnungen, die jetzt eben verwelkt sind; gut ankommen tut der Aderlass jedoch weder bei der Liga noch bei den Pioneers-Fans.

Mit Layne Viveiros verlässt ein vierter Spieler vorzeitig die Pioneers. <span class="copyright">GEPA</span>
Mit Layne Viveiros verlässt ein vierter Spieler vorzeitig die Pioneers. GEPA

Frage des Geldes

Perspektivisch wird viel davon abhängen, ob sich die Pioneers in die Herzen der Fans spielen können; und dafür braucht es, so unromantisch das klingen mag, eher Siege als viele einheimische Talente auf dem Eis.

Erfolgreichen Pioneers wird man den Identitäts-Wirrwarr nachsehen, nicht erfolgreichen Pioneers eher nicht. Es wird also von der Konkurrenzfähigkeit der Feldkircher abhängen, wie das Projekt Pioneers ankommt. Am Ende ist alles, wie so oft im Leben, eine Frage des Geldes. Wie viel davon die Pioneers haben, wissen nur die Macher in Feldkirch.

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