Über Gewohnheiten, Autofahren und ein paar Pferde

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Ich war letztens in Deutschland. Es ist, bei genauerer Betrachtung, wirklich nett dort. Etwas irritiert war ich davon, dass sich die Menschen dort nicht grüßen, wenn sie aneinander vorbeigehen. Dort, wo einem hier überall ein „Hoi“ und „Zervas“ entgegenlächelt, geht Herr und Frau Deutsch – zumindest in jenen Gefilden, in denen ich mich aufhielt – lieber kommentarlos aneinander vorbei. Als ich dann im Dunkeln wieder Richtung grüßender Heimat gefahren bin, kam es. Das was den Menschen scheint’s an menschlicher Nähe beim Spaziergang in der Wintersonne fehlt, holen sie einfach beim Autofahren wieder auf. Diese langen Schnellstraßen mit Dauergegenverkehr und dem Lichtkegel des Hinterautos, das an einem dranklebt wie ein Abfangjäger aus Top Gun, haben leichte Todesängste in mir ausgelöst.
Zu Hause angekommen stellte sich mir die Frage, warum sich in anderen Ländern andere Fahrverhalten etabliert haben. Die Italiener, die aus einer Zwei-Spur-Fahrbahn gerne mal eine dreispurige machen, die Holländer, die gemächlich um jede Kurve bremsen, die Deutschen, die Können mit Geschwindigkeit verwechseln, die Schweizer, die mehr kriechen als fahren. Hat das Fahrverhalten per se immer etwas mit den geografischen Begebenheiten zu tun oder geht da auch ein wenig gesellschaftliche Prägung einher – und: War das früher auch so? Mit den Pferden? „Himmel, ein Deutscher, der galoppiert an mir dran und dann ist er erst nicht schneller in der nächsten Absteige!“ Womöglich kommt das, weil das Kaiserreich so riesig war und man schnell von einem Ort zum anderen musste. Das ist ihnen geblieben.
„Jössas, schau mal der Holländer, das Pferd scheut bei jeder Kurve!“ – „Die Italiener immer mit den kleinen, wendigen Ponys, man glaubt gar nicht, wie zügig die von A nach B kommen. Und in den engen Gassen ist das total von Vorteil.“ Und schon spinnt mein Kopfkino weiter. „Also wirklich, Junker Harald, wozu so einen dicken Rappen kaufen, wenn Sie nur Landwege reiten?“ Daraufhin Junker Harald: „Man gönnt sich ja sonst nichts, außerdem frisst er nur fünf Kilo Heu auf 20 Kilometer!“ – „Also meiner ist mit seiner PS von 0 auf 40 km/h in drei Minuten. Da gönne ich mir die drei Kilo Heu mehr, die er verdrückt!“ Daneben stehen zwei junge Burgfräuleins und philosophieren kichernd. „Ich glaube, die zwei müssen ihre Schwertlänge kompensieren!“
Auch wenn es bei mir manchmal ausartet, prinzipiell macht es immer mal Sinn, Dinge zu hinterfragen, die sich als Gewohnheit in unser Leben eingepflanzt haben. Nächste gedankliche Herausforderung: Warum „dürfen“ Frauen keinen Bart tragen? … Fortsetzung folgt.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.
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