Wie sich der Mangel an Personal auswirkt

In fast allen Branchen fehlen Mitarbeitende. Ein Überblick.
Bau: Mangel abgefedert
Die Baubranche hatte es in den vergangenen Monaten durch Teuerung und Lieferengpässe schwer und sucht zudem „händeringend“ nach Facharbeitern, wie Hilmar Müller von der Sparte Gewerbe und Handwerk berichtet. Der Personalmangel konnte bisher aber abgefedert werden durch die Optimierung von Konstruktionsabläufen und, indem auf Leasingpersonal zurückgegriffen wurde. Deshalb hat der Kunde vom Personalmangel nicht viel bemerkt. Die Branche blicke trotz schwieriger Zeiten noch optimistisch in die Zukunft, so Müller.

Transporte: Versorgung klappt
Zur Zeit werden an die 500 Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen in Vorarlberg gesucht. „Die Vorarlberger merken das aber nicht, denn die Versorgung ist noch sichergestellt, sei es bei Lebensmitteln oder im Baubereich“, erklärt Michael Zimmermann von der Sparte Transport und Verkehr. Engpässe können überbrückt werden, indem Fremdfahrzeuge auf dem Markt gekauft werden. Für die Zukunft wünscht sich Zimmermann, dass der Zugang für Drittstaatangehörige nach Österreich leichter wird, weil die Kluft zwischen Pensionierungen und jungen Menschen, die als Lkw-Fahrer beginnen, immer größer wird. Hier sei die Politik gefordert.

Schule: Freifächer werden gestrichen
Alexandra Loser, Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft Vorarlberg, sagt zum Thema Lehrermangel: „Die Lehrpersonen tun alles, damit es einen reibungslosen Ablauf gibt. Die Qualität des Unterrichts leidet nicht durch den Lehrermangel. Die Lehrpersonen sind aber sehr belastet.“ Sehr wohl könne es jedoch sein, dass Schulen keine Zusatzangebote wie ein Freifach Chor oder Theater anbieten können, da es an Lehrern fehlt. Auch weiß Loser von einer Kleinschule, in der vor den Ferien mehrere Lehrer krankheitsbedingt ausgefallen sind, sie nicht ersetzt werden konnten und es deshalb nur eine Betreuung mit Lernpaketen in der Schule gegeben hat.

Pflege: Operationen verschieben
Wegen Personalmangels in den Krankenhäusern werden einige planbare, nicht akute Operationen verschoben. Wie lange man warten muss, ist nicht generell zu beantworten, sagt Thomas Steurer vom Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser. Die Spitäler bekommen zudem den Mangel an Mitarbeitenden in den Pflegeheimen zu spüren: Wenn ältere Menschen zum Beispiel im Krankenhaus operiert worden sind, müssen sie manchmal länger dort bleiben, da sie noch nicht so weit erholt sind, dass sie nach Hause können, in den Pflegeheimen ist aber kein Bett für sie verfügbar.

Gastronomie und Hotellerie: Mehr Ruhetage und weniger Angebot
Kerstin Biedermann-Smith, Fachgruppengeschäftsführerin der Sparten Gastronomie und Hotellerie, berichtet: „In der Gastronomie sehen wir wegen des Personalmangels bereits folgendes: ein eingeschränktes Angebot, kürzere Öffnungszeiten und zwei Ruhetage oder auch mehr, teilweise an den Wochenenden.“ Es gebe nicht das eine Rezept, das allen Betrieben helfe, sondern die Betreiber würden zu verschiedenen Lösungen greifen. In einigen Hotels zeichne sich das selbe Bild. Hier werde es zudem zu einer Ausdünnung der Mitte kommen, das heißt, dass es entweder nur mehr sehr wenige Services oder eine Zunahme von Services und damit höhere Preise geben werde. In der Hotellerie und der Gastronomie sei zudem feststellbar: „Unternehmer versuchen oft, Personallücken selbst zu schließen, und arbeiten noch mehr, oft bis zur Verausgabung. Daher fordern wir ganz klar, dass Leistungen sich wieder lohnen müssen und Menschen, die mehr arbeiten möchten, nicht auch noch bestraft werden.“

Handel: Geschäfte schränken Öffnungszeiten ein
Im Handel bemerkt die Bevölkerung den Personalmangel insofern, als dass manche Geschäfte ihre Öffnungszeiten eingeschränkt haben. „Hierbei gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen“, erklärt Michael Tagwerker, Geschäftsführer der Sparte Handel. Manche Geschäfte öffnen am Samstagnachmittag nicht mehr, andere sperren erst am Montagnachmittag auf, und wieder andere schließen eine Stunde früher. „In eigentümergeführten und kleineren Geschäften federn manche Unternehmer selbst den Personalmangel ab und arbeiten, bis zur Erschöpfung“, berichtet Tagwerker. „Wir hoffen deshalb, dass es bald eine Entschärfung der Situation gibt.“
Selbstbediener-Kassen – sogenannte Self-Checkout-Kassen –, die es immer öfter gibt, seien keine Folge des Personalmangels, sondern hängen mit der Entwicklung der Digitalisierung zusammen. „Dieser Prozess ist schon lange vorher eingeleitet worden, könnte durch die jetzige Situation aber beschleunigt werden.“

Bus und Bahn: Verbindungen nicht eingeschränkt
Sowohl bei den ÖBB als auch beim Vorarlberger Verkehrsverbund (VVV) wird Personal gesucht, der einzelne Bürger bekommt das aber nicht zu spüren: Es werden keine Zug- oder Busverbindungen eingeschränkt. Im Gegenteil, der öffentliche Verkehr soll ausgebaut werden. Daniel Amann vom VVV berichtet, dass es eine eigene Projektgruppe gibt, die sich um die Personalsuche kümmert und zum Beispiel Kampagnen startet.

Industrie: Weniger Exporte
Christian Zoll, der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Vorarlberg, erklärt: „Wenn ein Industriebetrieb zu wenig Mitarbeiter hat, hat das auf den Einzelnen keine unmittelbare Auswirkung, weil der Betrieb dann weniger exportiert oder Schichten einschränkt.“ Allerdings könnte der Bürger die Folgen langfristig spüren: Sollte das Unternehmen die Produktion wegen Personalmangels in ein anderes Land verlegen, würden weniger Steuern und Abgaben bezahlt. Zudem würde die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes geschmälert.

Du hast einen Tipp für die NEUE Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@neue.at.