Lässt Erdoğan Annäherung zu?

Griechische Helfer kamen, als es in der Türkei bebte.
Griechenland hat sich mit seiner spontanen Hilfe beim Erdbeben in der Türkei viele Sympathien erworben. Was machen nun die Politiker? Öffnet sich eine Tür zur Annäherung der beiden Regierungen? Darum geht es auch beim Besuch des US-Außenministers Antony Blinken, der jetzt beide Länder besucht.
“Bilder, die wir nie vergessen werden”
“Es sind Bilder, die wir nie vergessen werden”, sagt Kostas Athanasopoulos. Eine Woche war der griechische Feuerwehrmann als Retter im Katastrophengebiet in der Südosttürkei im Einsatz, in der schwer verwüsteten Stadt Antakya. Fünf Menschen konnte das griechische Rettungsteam lebend befreien. Als die Männer vergangene Woche ihre Arbeit beendeten und nach Griechenland zurückflogen, gingen sie durch ein Spalier applaudierender Menschen zu ihrem Abfluggate. Die regierungsnahe Tageszeitung “Hürriyet” schrieb in großen Lettern und auf Griechisch: “Efharisto poli file!” – “Vielen Dank, Freunde!”
Auch in Athen hofft man auf eine Entspannung. Als einer der ersten ausländischen Regierungschefs rief der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis nach dem Beben den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan an, um zu kondolieren. In einem Interview sagte Mitsotakis, er glaube zwar nicht, dass ein Land wie die Türkei seine Außenpolitik “von einem Moment zum nächsten” ändere. Nach der Katastrophe gebe es “ein Klima der emotionalen Nähe zwischen den beiden Völkern”. Er fühle sich persönlich verpflichtet, das für eine Annäherung zu nutzen, so Mitsotakis.
“Wir müssen die Gespräche fortsetzen”
Der griechische Außenminister Nikos Dendias reiste ins Katastrophengebiet und wurde von seinem türkischen Kollegen Mevlüt Çavuoğlu mit einer Umarmung empfangen. “Wir sollten nicht bis zum nächsten Erdbeben warten, um unsere bilateralen Beziehungen zu verbessern”, so Çavuoğlu. Er sprach von “einer neuen Seite” im Verhältnis zu Griechenland und versicherte: “Wir wollen Stabilität und Frieden in unserer Region.” Es gelte, die “Gespräche fortzusetzen”.
Ob sich dieser Wunsch erfüllt, hängt vor allem von Erdogan ab. Der schweigt bisher zum Thema: Kurz vor dem Erdbeben drohte er mit Raketenangriffen auf Athen, beschwor das Feindbild Griechenland. Jetzt könnte er es mehr denn je gebrauchen: Spätestens in vier Monaten gibt es Parlaments- und Präsidentenwahlen. Die Bebenkatastrophe bringt Erdoğan unter Druck, die Kritik am Krisenmanagement wächst. Er könnte versuchen, mit neuen Verbalattacken gegen den “äußeren Feind” Griechenland von eigenen Fehlern abzulenken.