„Kein in Stein gemeißelter Pfad“

Landwirtschaftsstrategie “Landwirt.schafft.Leben” war zu später Stunde im Landtag Thema.
Auch an diesem Mittwoch wurde im Landtag teilweise hitzig diskutiert und oft auch scharfe Kritik an den politischen Mitbewerbern geübt. Sei es bei der Debatte um die Strompreise, sei es bei der Frage der U-Ausschuss-Reform.
Dass das aber bei Weitem nicht immer der Fall ist und die Zusammenarbeit der Fraktionen in manchen Angelegenheiten – trotz teilweise unterschiedlicher Ansichten – gut funktioniert, zeigte sich beim letzten Tagesordnungspunkt am Abend. Dabei wurde über die kürzlich fertiggestellte Landwirtschaftstrategie gesprochen. Die Mitglieder des Landtags bekannten sich in der abschließenden Abstimmung einstimmig zu deren Inhalten. Ebenso wurde beschlossen, dass das Landesparlament regelmäßig von der Landesregierung über die Umsetzung informiert wird.
Voneinander lernen
In dem Papier werde ein „Big Picture“ gezeichnet, sagte in der Debatte Neos-Landwirtschaftssprecher Johannes Gasser. In einem vorbildlichen Prozess sei es gelungen, unterschiedliche Meinungen und Aspekte zusammenzubringen und daraus ein stimmiges Bild zu zeichnen. Er habe zudem das Gefühl, dass alle Beteiligten voneinander lernen konnten und so mancher auch die eigene Sichtweise geändert habe, meinte der Neos-Abgeordnete. Ein wichtiger Aspekt für die weitere Entwicklung der heimischen Landwirtschaft ist für Gasser die Anpassung an die sich ändernden Vorlieben der Konsumenten. Es gebe einen Trend dazu, tierische Produkte durch pflanzliche zu ersetzen. Man müsse sich daher Gedanken machen, wie die bäuerlichen Betriebe in dem sich ändernden Umfeld weiterhin Wertschöpfung generieren können. Gerade auch im Bereich der Bergregionen, wo es keine wirkliche Alternative zur Milchwirtschaft gebe. Es brauche eine clevere Förderpolitik und gute Beratung, betonte der Landtagsabgeordnete.

Auch Daniel Allgäuer, FPÖ-Landwirtschaftssprecher und selbst Landwirt, lobte den Prozess zur Erarbeitung der Strategie. Es sei gelungen, dass diese „mehr als nur den kleinsten gemeinsamen Nenner“ abbilde. Von Bedeutung sei nun eine gelungene strategische Kommunikation sowohl nach innen als auch nach außen. Schließlich gebe es 120 Maßnahmen, welche nun umgesetzt werden müssten. Einerseits gehe es darum, „vom Schreiben ins Tun“ zu kommen. Andererseits könne die Landwirtschaft mithilfe der Strategie auch nach außen vermitteln: „Was können wir, was wollen wir und was wollen wir nicht.“
Herkunftskennzeichnung
Allgäuer hob zudem die Bedeutung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung hervor. Eine solche wäre der größte Hebel für die heimische Landwirtschaft im Bezug auf den Absatz regionaler Lebensmittel, meinte der Freiheitliche. Dem werde auch in der Landwirtschaftsstrategie Rechnung getragen. Allerdings werde in dieser Frage auf Bundesebene vor allem seitens des Wirtschaftsbunds zu stark gebremst, hatte der FPÖ-Landwirtschaftssprecher in einer vorangegangenen Debatte in der Landtagssitzung bereits bemängelt.

Foto: Dietmar Stiplovesk
Die Bedeutung der neuen Strategie hob auch ÖVP-Landwirtschaftssprecher Bernhard Feuerstein hervor. Es gebe wohl keinen treffenderen Leitsatz für die Strategie als „Mutig im Tun“. Denn es brauche Mut, um Landwirt zu sein, betonte Feuerstein, der selbst in dem Beruf tätig ist. Angesichts der aktuellen Debatte um die Vier-Tage-Woche und der Bedeutung von Freizeit für viele Menschen grenze es beinahe schon an Übermut, dass zwei Drittel der Vorarlberger Betriebe im Nebenerwerb geführt werden. Es müsse daher das Ziel sein, zumindest jene Landwirte, die derzeit noch im Vollerwerb tätig sind, auch dort zu halten.
120 Maßnahmen für die Landwirtschaft
Nach der Präsentation im zuständigen Landtagsausschuss vor zwei Wochen wurde die Landwirtschaftsstrategie „Landwirt.schafft.Leben“ am 22. Februar in einer Aussendung offiziell vorgestellt. In dem etwas mehr als 50 Seiten umfassenden Papier sind insgesamt sechs Handlungsfelder definiert. In diesen werden jeweils fünf konkrete Ziele – also insgesamt 30 – beschrieben. Um diese zu erreichen, gibt es insgesamt je vier Maßnahmenvorschläge – insgesamt 120. Der Prozess zur Ausarbeitung der Strategie wurde im Jänner 2022 gestartet. Über 60 Personen haben sich daran beteiligt.
Zu den sechs Handlungsfeldern gehören die Themen „Boden, Umwelt, Klima und Biodiversität“, „Tierwohl in der Nutztierhaltung“ sowie „Stabile regionale Lebensmittelversorgung“. Weiters werden die Themenbereiche „Unternehmen Bauernhof“, „Chancenreiche Lebensräume“ sowie „Dialog und Sichtbarkeit“ behandelt. Berücksichtigt werden dabei auch die „Sustainable Development Goals“ („Ziele für nachhaltige Entwicklung“) der Vereinten Nationen.
Neben den Zukunftsplänen werden in der Strategie auch die derzeitige Situation der Landwirtschaft, historische Entwicklungen und künftige Herausforderungen beschrieben. Letztere sollen möglichst gemeinsam bewältigt werden. Daher werden in dem Papier auch zahlreiche Partner genannt, welche die Landwirte bei der Umsetzung der Strategie unterstützen sollen. Neben verschiedensten Institutionen und der öffentlichen Hand sind dabei auch die Konsumentinnen und Konsumenten genannt.
Weitere Infos auf: https://vorarlberg.at/-/landwirt-schafft-leben
Auch raumplanerische Fragen spielen aus Sicht von Feuerstein eine wichtige Rolle. Schließlich seien mittlerweile zwei Drittel der Flächen schon nicht mehr in landwirtschaftlicher Hand. Um die regionale Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern, müsse daher der Boden für die bäuerlichen Betriebe geschützt werden. Ebenso werde es künftig wichtiger werden, darauf zu achten, dass es um die Höfe Schutzzonen mit entsprechendem Abstand für andere Bebauungen gibt, um Konflikte zu vermeiden.

Zum Abschluss der Debatte nutzte auch der zuständige Landesrat Christian Gantner (ÖVP) die Gelegenheit, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Die Ausarbeitung der Strategie sei ein breiter Prozess gewesen, bei dem viele Teilnehmer ihre Zeit investiert, aber auch ihr Wissen und ihr Können eingebracht hätten. Der Landesrat bedankte sich auch bei allen Fraktionen im Landtag für den einstimmigen Beschluss und die Mitarbeit an der Strategie. Dies zeige zum wiederholten Male die Qualität des Landesparlaments, wenn es um wichtige Fragen gehe. Zudem sei es ein Zeichen der Wertschätzung und ein Vertrauensvorschuss für die heimische Landwirtschaft. Nun gehe es darum, in die Umsetzung zu kommen. Die Strategie solle jedoch „kein in Stein gemeißelter Pfad“ sein, sondern „ein agiler Prozess“, betonte Gantner.
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