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Liebesbetrug: “Allein bei uns 30 bis 40 Fälle”

11.03.2023 • 22:30 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Franz Valandro vom AK-Konsumentenschutz. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Franz Valandro vom AK-Konsumentenschutz. Klaus Hartinger

Love-Scamming, zu Deutsch Liebesbetrug, ist eine weit verbreitete Masche. AK-Konsumentenschützer Franz Valandro kennt die perfiden Methoden der Täter und die Folgen für die Opfer.

Es fängt mit einem harmlosen Chat an und endet oftmals in einer teuren Liebesfalle. „Love Scammer“ erschleichen sich zuerst das Vertrauen, dann das Herz und am Ende auch das Geld ihrer Opfer. Die Summen, die die organisierten Onlinebetrüger erbeuten, sind gewaltig. Erst Anfang dieser Woche wurde ein Fall eines 57-jährigen Unterländers bekannt, der einer vermeintlichen US-Soldatin 332.000 Euro überwies. Einen Love-Scam-Fall mit derart hoher Schadenssume hatte AK-Konsumentenschützer Franz Valandro zwar noch nicht auf dem Tisch, aber er kennt die Tricks und Maschen der Betrüger.

Gibt es das idealtypische Opfer von Love bzw. Romance Scammern?Franz Valandro: Es sind meist alleinstehende Personen mittleren Alters, die in sozialen Medien oder auf Online-Partnerbörsen aktiv sind. Gerade letztere sind für die Betrüger eine wahre Fundgrube. Das betrifft hauptsächlich Männer. Frauen werden über Social-Media-Kanäle kontaktiert. Sie sind meist etwas älter als die männlichen Opfer. Oft sind es Menschen, die sich einsam fühlen, verwitwet sind oder sich auf dem normalen Partnermarkt schwertun.

<span class="copyright">Parin Pix Shutterstock</span>
Parin Pix Shutterstock

Die Betrüger setzen also bei zutiefst menschlichen Bedürfnissen an?Valandro: Ja, da geht es um Emotionen und große Gefühle. Die Geschichten, die bei der Anbahnungsphase erzählt werden, haben oft mit persönlichen Tragödien und Schicksalsschlägen zu tun.

Im „normalen“ Leben würden wahrscheinlich die wenigsten Opfer einer fremden Person so viel Geld geben. Warum tun sie es hier doch?Valandro: Das Ganze ist sehr manipulativ. Die Betrüger versuchen möglichst viel über ihre Opfer zu erfahren. Es wird emotionale Nähe erzeugt. Die Täter spiegeln die Bedürfnisse ihrer Opfer wider, schenken ihnen Aufmerksamkeit, machen Komplimente. Irgendwann gibt es den „Point of no return“. Die Opfer haben dann schon so viel an Ressourcen, Zeit und Emotionen investiert, dass sie gar nicht mehr zurückkönnen. Und irgendwann fließt auch Geld.

Wie ist der typische Ablauf bei dieser Betrugsmasche? Valandro: Nach der Kontaktaufnahme kommt es zu einem vermehrten Austausch von privaten Nachrichten auf unterschiedlichen Kanälen. Irgendwann fangen die Betrüger an, ihre Geschichte zu erzählen. Wenn Frauen dahinterstecken, geht es oft um Scheidung und Trennung. Sie stellen sich häufig als Krankenschwester oder Lehrerin dar. Bei den männlichen Betrügern ist die US-Soldaten-Masche oder der Arzt im Krisengebiet beliebt. Die Betrüger stellen ein Treffen in Aussicht, geben dann aber vor, in einer Notsituation zu sein und bitten um Geld, sei es wegen eines Unfalls, der Behandlung einer Krankheit oder für ein Visum. Wenn die Betrüger merken, dass nichts weitergeht oder keine Zahlung getätigt wird, bricht der Kontakt relativ schnell ab.

<span class="copyright">Klaus Hartinger</span>"Das sind organisierte Tätergruppen": Franz Valandro.
Klaus Hartinger"Das sind organisierte Tätergruppen": Franz Valandro.

Zahlt man, ist das Geld für immer weg, oder?
Valandro: Ja, eigentlich schon. Denn es handelt sich meist um Bargeldtransfers ins außereuropäische Ausland. Direkte Banküberweisungen gibt es selten. Dass jemand aus einem „Love Scam“ Geld zurückbekommen hätte, habe ich jetzt noch nicht gehört. Die Bank hat natürlich gewisse Schutz- und Sorgfaltspflichten, aber wenn man das Geld unbedingt überweisen möchte, kann der Bankberater auch nicht viel tun. Wir hatten unlängst einen Fall, bei dem der Mann explizit darauf aufmerksam gemacht wurde, dass es sich wahrscheinlich um einen Betrug handelt. Trotzdem tätigte der Mann zwei Überweisungen nach Litauen, in der Höhe von 12.000 und 15.000 Euro.

„Die Dunkelziffer ist sehr hoch, da sich viele Opfer aus Scham nicht melden.“

Franz Valandro, AK-Referent

Wer sind die Betrüger? Was weiß man über solche Täter?
Valandro: Das sind organisierte Tätergruppen. Sie sitzen hauptsächlich in westafrikanischen Ländern, aber auch in Osteuropa. Die Betrugsmasche ist mit großem Aufwand verbunden. Es werden Fake-Profile erstellt, Dokumente gefälscht und, und, und. Da braucht es eine gewisse Struktur dahinter.

Wie viele Love-Scam-Fälle haben Sie im Jahr?
Valandro: Bei uns kommen übers Jahr 30 bis 40 Meldungen rein. Manche gehen direkt zur Polizei. Allerdings ist die Dunkelziffer sehr hoch, da sich viele aus Scham nicht melden. Wir schätzen, dass auf jedes Opfer, das sich meldet, zehn weitere kommen, die sich nicht melden.

<span class="copyright">Terro Vesalainen Shutterstock</span>
Terro Vesalainen Shutterstock

Was tun Sie, wenn sich ein Opfer bei Ihnen meldet?
Valandro: Wir versuchen, die Opfer zu einer Anzeige zu bewegen, was dann aber die wenigsten machen. Und wir versuchen, mit der Hausbank zu reden. Aber wie gesagt, das Geld ist meist unwiederbringlich verloren.

Wie geht es den Betroffenen, wenn sie realisieren, dass sie betrogen wurden? Valandro: Wenn sie sich bei uns melden, sagen sie erst einmal, dass sie einen Blödsinn gemacht haben. Sie schämen sich natürlich. Zum finanziellen Verlust kommt die emotionale Verletzung. Da bricht eine Welt zusammen. Für alleinstehende ältere Menschen, die auf eine Beziehung gehofft haben, kann das mitunter sehr bitter sein.

Und wer sind die Opfer? Zieht sich das durch die Gesellschaftsschichten?
Valandro: Das Bildungsniveau spielt keine Rolle. Es trifft den Akademiker genauso wie den einfachen Arbeiter. Die Annahme, dass die Opfer alle dumm sind, ist jedenfalls nicht richtig. Im Prinzip kann es jeden treffen.

<span class="copyright">Klaus Hartinger</span>"An Unbekannte sollte kein Geld überwiesen werden": Ak-Konsumentenschützer Franz Valandro.
Klaus Hartinger"An Unbekannte sollte kein Geld überwiesen werden": Ak-Konsumentenschützer Franz Valandro.

Was raten sie den Menschen? Wie kann man sich gegen die Liebesbetrüger schützen?
Valandro: Klar ist, dass an unbekannte Personen kein Geld überwiesen werden solle. Vorsicht geboten ist auch bei der Kontaktaufnahme in sozialen Medien oder auf Online-Dating-Plattformen. Angehörige und Bekannte sollten betroffene Personen unbedingt auf ihren Verdacht hinweisen und empfehlen, sich mit einer neutralen Person zu unterhalten. Das kann mitunter schwierig sein, da die Betroffenen für rationale Argumente oft nicht mehr zugänglich sind – das hören wir zumindest aus dem Umfeld. Da schaltet das Hirn aus. Da wird das Haus verpfändet, das Erbe verprasst oder der Bausparvertrag des Kindes aufgelöst.

Haben die Betrugsfälle während Corona zugenommen?
Valandro: Ja, ganz enorm. Die Menschen hatten viel Zeit, um sich im Internet zu bewegen. Auch jene, die vorher eher wenig bis gar nicht online waren, sind auf einmal mit dem Medium in Berührung gekommen. Die Nachwirkungen sind groß. Auch in anderen Bereichen wie Online-Gewinnspielen und Fake-Streaming-Portalen.

Zur Person

Franz Valandro

Geboren 1973

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Wohnort: Hörbranz

Beruflicher Werdegang: Studium der Politikwissenschaft und Geschichte, seit 2002 in der Erwachsenenbildung und seit 2014 Konsumentenberatung der Arbeiterkammer Vorarlberg tätig