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Irans Frauen geben nicht nach, Mullahs unter Druck

15.03.2023 • 12:28 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Irans Frauen geben nicht nach, Mullahs unter Druck
APA/AFP/Ozan Kose

Vor sechs Monaten starb Mahsa Amini in der Gewalt der Religionspolizei. Die Demokratiebewegung hielt den Mullahs stand. Gelingt die Revolution?

Fünf junge Frauen tanzen auf einem Hof zwischen zwei Wohnblöcken und lassen sich dabei filmen. Was in anderen Ländern eine Alltagsszene wäre, ist im Iran eine Sensation, denn öffentliches Tanzen ist Frauen in der Islamischen Republik verboten. Außerdem tragen die Tänzerinnen bauchfreie Pullis und keine Kopftücher. Jetzt fahndet die Polizei nach ihnen.

Protestbewegung findet immer neue Wege

Das Tanz-Video wurde im Teheraner Stadtteil Ekbatan aufgenommen, einer Hochburg der Proteste gegen das iranische Regime, und im Internet innerhalb weniger Tage millionenfach angeschaut. Sechs Monate nach Beginn der Demonstrationen gegen die Islamische Republik ist der Clip ein Beispiel dafür, dass die Protestbewegung immer neue Wege des Widerstands gegen das Mullah-Regime findet. „Gesellschaft und Regime sind auf Kollisionskurs“, sagt der Berliner Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad.

Keine Kurskorrektur des Regimes

Eine Beilegung des Konflikts ist dem Iran-Experten Fathollah-Nejad zufolge nicht zu erwarten, weil die Führung der Islamischen Republik nicht daran denkt, Forderungen der Protestbewegung zu erfüllen. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Schiff der Islamischen Republik seinen Kurs korrigiert“, sagte er gegenüber der Kleinen Zeitung. „Das Regime hat nach wie vor keine politischen Antworten.“

Nach den Massenprotesten im Herbst befindet sich die Protestbewegung nach Einschätzung von Fathollah-Nejad in einer Übergangsphase, in der die nächsten Schritte vorbereitet werden. Dazu gehöre die Formulierung konkreter Forderungen an das Regime. Fathollah-Nejad verweist auf einen Katalog von zwölf Mindestforderungen, der im Februar von 20 Organisationen der iranischen Zivilgesellschaft wie Gewerkschaften und Studentengruppen veröffentlicht wurde. Zu diesen Forderungen gehören die Freilassung aller politischen Häftlinge, die Garantie der Meinungsfreiheit und die Gleichstellung der Frau.

Die iranische Exil-Opposition veröffentlichte vor wenigen Tagen eine eigene Charta, die den Weg zu einer säkularen Demokratie weisen soll. Das Papier sieht eine Volksabstimmung zur Legitimierung des neuen Systems sowie die Stärkung von Freiheits-, Frauen- und Arbeiterrechten vor. An eine Einigung unterschiedlicher Oppositionsgruppen auf ein solches politisches Modell wäre vor dem 16. September nicht zu denken gewesen: Die Proteste seit Aminis Tod haben die Arbeit der Regimegegner innerhalb und außerhalb des Iran an Alternativen zur Islamischen Republik beschleunigt.

Druck muss aufrechterhalten werden

Nun komme es darauf an, ob die Protestbewegung den Druck auf das Regime durch die Beteiligung von mehr Menschen an Demonstrationen und mit einer qualitativen Ausweitung der Proteste etwa mit großflächigen Streiks erhöhen könne, sagt Fathollah-Nejad. „Dann könnte der Iran in eine revolutionäre Situation kommen, in der in kurzer Zeit viel passieren kann, bis hin zum Kollaps des Regimes.“ Bleibe diese neue Phase aus, werde es immer wieder saisonal aufflackernde Proteste mit anschließender brutaler Repression durch das Regime geben. Strukturell sehe er im Iran auf mittlere und lange Sicht aber „die Stoßrichtung Regimewechsel“.

Das westliche Ausland kann die Protestbewegung nach Einschätzung von Ali Fathollah-Nejad mit eigenen Entscheidungen unterstützen. Dazu gehöre die Einstufung der iranischen Revolutionsgarde als Terrororganisation – ein Schritt, der in einigen Ländern der EU umstritten ist. Fathollah-Nejad argumentiert, dass die Aufnahme der Garde auf die Terrorliste ein unmissverständliches Signal an Teheran wäre: „Es würde dem Macht- und Sicherheitsapparat zeigen, dass er keine Zukunft hat.“

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