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KI und Frau Salmhofers Ängstlichkeit

26.03.2023 • 13:46 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
<span class="copyright">Neue </span>Kopfkino von Heidi Salmhofer
Neue Kopfkino von Heidi Salmhofer

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Ich mag Neues. Ich mag Entwicklung und Fortschritt und bin in den seltensten Fällen ängstlich diesem gegenüber, weil im Groben ist er – der Fortschritt – doch ganz gut. Er hat dafür gesorgt, dass wir bequemer und länger leben, als wir es noch vor 100 Jahren, 500 Jahren oder gar 5000 Jahren konnten. Wenn ich meine Töchter sehe, die sich nicht überlegen müssen, ob das nächste Mammut groß genug ist, um durch den Winter zu kommen, bin ich recht froh. Jetzt kommt aber etwas Sience-Fiction-Mäßiges daher, das mir doch glatt etwas Unbehagen in der Magengegend bereitet. Programme, die für uns das Denken übernehmen. Da schüttelt so eine künstliche Intelligenz schon einmal einen vermeintlich wissenschaftlichen Text aus dem virtuellen Ärmel, dass es sich gewaschen hat. Es ist jetzt schon schwer genug, Realität von Fiction zu unterscheiden. Cyrano de Bergerac wird zum Google Chatbot, der uns auf brillant gefällige Art Texte (und Fotos) liefert, mit denen wir unseren Angebeteten romantisch einlullen können.
Und dann, um Himmels Willen, stelle man sich vor, meine Kids bekommen dieses teuflische Zeug in die Finger. Jedes erzieherische Argument würde mir mittels KI-Textfragmenten im Keim erstickt werden und ich müsste zu diktatorischen Maßnahmen greifen, um meine Töchter unbeschadet in die Erwachsenenwelt begleiten zu können. Abgesehen davon, würde sich nicht unser Leseverhalten total ändern, wenn wir davon ausgehen müssten, dass zum Beispiel diese Hotelbeschreibung nicht dem Herzen eines Menschen entspringt, sondern aus einer herzlosen Zusammenstellung von Erfahrungswerten aus dem Internet besteht?

Oder aber, und das ist die vielleicht erstaunlichere und positive Seite: Ermöglicht uns diese neue Form der Intelligenz, unseren Horizont zu erweitern? Fantasie ist das Gießen von schon Erlebtem und Gesehenem in neue Formen. Je fantasievoller man ist, umso spannender werden diese. Die KI kann aus einer weltweiten Quelle von Lebenswelten schöpfen, das ist genauer betrachtet ein unfassbarer Reichtum. Jetzt müssen wir sehen, wie wir diesen Reichtum nicht manipulativ, sondern positiv nutzen und unsere eigenen, menschlichen Stärken damit verbinden, mit dem Herz und der Seele.

Abgesehen davon muss ich sagen, was die KI nicht hat, ist Humor. Meine Mutter hat mal versucht, meine Kolumne von der KI weiter schreiben zu lassen, das war nichts. So aalglatt kann nicht einmal Klopapierwerbung sein. Somit kann ich mich noch beruhigt zurücklehnen. Aber: Ich bin auf der Hut!

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.

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