Eine Brandstiftung führte zu getöteten Kindern

In Dornbirn bricht im Juli 1930 ein Brand aus, ein Jahr später werden ein Mann und eine Frau wegen Mordes in Wien verhaftet.
Kommunistische Mörder und Brandstifter stünden vor Gericht, berichtete das „Vorarlberger Volksblatt“ im September 1931. Hinter der politisch aufgeheizten Schlagzeile verbirgt sich die soziale Trostlosigkeit der damaligen Zeit und das traurige Schicksal einer jungen Frau.
Die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 hat die Zahl der Arbeitslosen explodieren lassen, viele Menschen ziehen auf der Suche nach Beschäftigung umher, so auch Friedrich Ehn, genannt Fritz, und Anna Straßmayer. Er kommt aus Stirneusiedl in Niederösterreich und hat zuletzt in Kienbach im deutschen Baden gearbeitet, von wo er nach Vorarlberg zieht. Sie stammt aus Ebensee in Oberösterreich und muss seit frühester Kindheit schwere Arbeit verrichten. Das Elternhaus ist zerrüttet. Anna Straßmayer zieht daher früh fort. „Seither war das Leben des Mädchens ein ewiges Suchen nach Arbeit“, wird eine Zeitung später berichten. Zunächst geht Straßmayer nach Innsbruck, findet aber keine Anstellung und zieht weiter nach Vorarlberg. In Dornbirn findet sie Arbeit als Hausangestellte und den Bauarbeiter Fritz Ehn, mit dem sie eine Beziehung beginnt.
Eine fatale Brandstiftung
Ehn ist wie viele Arbeiter, von der wirtschaftlichen und sozialen Situation frustriert. Immer mehr Arbeitslose werden ausgesteuert, verlieren also die Versicherung. In Österreich gibt es wieder bittere Armut. Nach Vorarlberg, wo die Situation aufgrund der Nähe zur Schweiz etwas besser ist, zieht es in dieser Zeit etliche Innerösterreicher. Doch sie müssen mit Ressentiments kämpfen und bekommen oft keine oder nur niedere Arbeit. Ehn hat außerdem juristische Hypotheken, neun Mal stand er bereits vor Gericht, er hat Strafen mit insgesamt 20 Monaten Kerker erhalten.
Geläutert ist er dadurch nicht. Als Ehn am Abend des 3. Juli 1930 auf dem Heimweg durch Dornbirn spaziert, trifft er auf seinen Bekannten Rudolf Karner. Dieser hat sich gerade mit seiner Freundin zerstritten. Gemeinsam wollen sie ihren Frust an jemandem auslassen, der mehr hat als sie: „Vor der Sägerbrücke sagte Karner auf einmal, man sollte den Bauern die Häuser anzünden, damit man wieder Arbeit hat“, gibt der Bauarbeiter Ehn später zu Protokoll. Er gibt noch die zu befürchtende Haftstrafe zu bedenken, doch am Ende siegt die Wut. An der Brücke steht das Haus der Familie Schwendinger samt Wirtschaftsgebäude. Viele Vorarlberger betreiben damals im Nebenerwerb oder zur Selbstversorgung Landwirtschaft. In der Tenne lagert Heu, das die beiden Brandstifter mit einem Holzkamm, den sie an einen Stock gebunden haben, anstecken.
Im Haus gegenüber sieht der Hilfsarbeiter Johann Fäßler die Flammen und die beiden flüchtenden Brandstifter und schlägt Alarm. Der Nachbarschaft gelingt es gerade noch, die Familie Schwendinger zu wecken. Das Wirtschaftsgebäude und das Dachgeschoss des Wohnhauses brennen nieder. Der Schaden beläuft sich auf 50.000 bis 60.000 Schilling, heute wären es über 200.000 Euro. Doch nicht nur die Schwendingers werden zum Opfer der Tat, auch eine selbstständige Näherin, die sich im Wirtschaftsgebäude eingemietet hat, verliert Waren und Werkzeug im Wert von 1500 Schilling.
Das zweite Verbrechen
Die Brandstiftung bekommt bald eine politische Schlagseite. In der Unterkunft, in der auch Ehn lebt, wohnen bekannte Sozialisten. In Vorarlberg sind sie eine gefürchtete Minderheit. Nachdem die Stadtpolizei Dornbirn den beiden auf die Schliche gekommen ist, legt Karner schließlich ein Geständnis ab und belastet Ehn und dessen Lebensgefährtin Anna Straßmayer in einer weiteren, noch schwerwiegenderen Sache. Die beiden sind auf der Suche nach Arbeit und wohl auch auf der Flucht vor der Polizei längst in die Schweiz und anschließend nach Wien weitergezogen. Straßmayer hat ihre Anstellung in Dornbirn zuvor verloren. Ehn bekommt wieder nirgendwo Arbeit. Beide finden schließlich im Arbeiterbezirk Favoriten als Untermieter ein Zimmer. Straßmayer verdient ein wenig Geld mit Hausarbeiten.

Am 20. Juni 1931, dem Tag, nachdem Ehn eine Anstellung erhalten hat, als sich ihr Schicksal endlich zu wenden scheint, kommt ein vernichtendes Telegramm aus Vorarlberg. Das Landesgericht Feldkirch hat Haftbefehle gegen beide erlassen, das Wiener Sicherheitsbureau nimmt sie noch am selben Samstag in ihrem Zimmer in der Van-der-Nüll-Gasse 3 fest.
Ehn wird die Brandstiftung vom vergangenen Juli vorgeworfen, außerdem ermittelt man gegen beide wegen Mordes. Anna Straßmayer hat am 7. Oktober 1930 entbunden. Als sie schwanger wird, will sie Ehn zunächst heiraten, doch beide sind völlig mittellos. Am Abend als die Wehen einsetzen, geht Ehn, so gesteht er später, zu anderen Mitbewohnern in seiner Arbeiterunterkunft in Dornbirn. Er solle „das Kind wegtun“, hätten ihm diese geraten. Anna Straßmayer bringt Zwillinge zur Welt, die der Vater nach der Geburt erwürgt, wie er vor Gericht zugibt. Der öffentliche Aufschrei trifft aber zunächst die Mutter. Die Zeitungen in ganz Österreich berichten von Straßmayers Verhaftung. Die Frau habe ein Kind „mit bloßen Händen“ erwürgt und anschließend in den Bodensee geworfen, heißt es.
Immer wieder wird auch das Arbeitermilieu der mutmaßlichen Täterin und die Abneigung gegen das „rote Wien“ thematisiert. Die „Vorarlberger Landstimmen“ hoffen auf ein strenges Urteil gegen die Frau: „In Wien kam leider schon mancher gräßlicher Kindermord straflos davon.“
Tatsächlich begräbt Ehn die Leichen der Säuglinge. Sie werden später exhumiert. Vor Gericht gibt Straßmayer an, nichts von der Tötungsabsicht ihres Lebensgefährten gewusst zu haben. Gegen sie wird auch keine Anklage erhoben.
Friedrich Ehn beginnt bei seinem Geständnis zu weinen, doch das „Vorarlberger Volksblatt“ hat mit ihm kein Mitleid: „Ein solcher Verbrecher weiß, wie man sich vor dem Gericht und den Geschworenen zu benehmen hat, um ein mildes Urteil zu erlangen.“ Das Urteil fällt nicht milde aus. Ehn wird wegen Brandstiftung und Mordes zu 18 Jahren schweren Kerkers verurteilt.