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Sanna Marin: Politrockstar, bald ohne Bühne?

02.04.2023 • 13:10 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die Sozialdemokratin führte Finnland von der Neutralität in die Nato
Die Sozialdemokratin führte Finnland von der Neutralität in die Nato (c) APA/AFP/JONATHAN NACKSTRAND (JONATHAN NACKSTRAND)

Finnlands Regierungschefin Sanna Marin muss bei den heutigen Wahlen um ihr Amt bangen.

Als Sanna Marin Ende 2019 Ministerpräsidentin Finnlands wurde, erregte das viel Aufmerksamkeit: Sie war zu diesem Zeitpunkt mit 34 Jahren die jüngste Regierungschefin der Welt. Schnell wurde die Sozialdemokratin aus einfachen Verhältnissen zu einem Politsuperstar. Neben ihrem jugendlichen und oft lockeren Auftreten auf Rockfestivals, machte sie aber auch durch ihre Politik von sich reden.

Von der Neutralität zum Militärbündnis

Binnen weniger Monate schaffte es die Mutter einer Tochter, mit der Neutralität die Säule der finnischen Sicherheitsarchitektur umzustoßen. Als Russland nach Kriegsbeginn an der Grenze zu Finnland Raketen positionierte, gab es zwei Optionen: dem Druck zu weichen oder dagegenzuhalten. Besonnen kündigte die 37-Jährige an, den Nato-Beitritt zu prüfen. Mit dem nun beschlossenen Beitritt führte eine junge Frau, die bei einem Staatsbesuch schon auch einmal eine markige Lederjacke trägt, Finnland von der Neutralität zu einem Militärbündnis – und das mit breiter Zustimmung des Volks.

Sanna Marin: Politrockstar, bald ohne Bühne?
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Marin wiederum überbiete mit ihrer “harten Linie” gegenüber Russland sogar die oppositionellen Konservativen, die sich als frühere Bannerträger der Nato-Mitgliedschaft Finnlands nun in einer “völlig neuen Situation” wiedergefunden hätten, erklärt die Journalistin Veera Luoma-aho.

Keine Fortführung der Koalition

Inwiefern ihr die Zustimmung des Volkes bei den heutigen Parlamentswahlen allerdings sicher ist, bleibt abzuwarten. In jüngsten Umfragen liegen die Sozialdemokraten, die konservative Sammlungspartei und die weit rechts stehenden Basisfinnen praktisch gleichauf. Eine komplizierte Situation. In jedem Fall braucht die Gewinnerpartei weitere Koalitionspartner für eine Mehrheit. Sicher ist: Die bisherige Fünf-Parteien-Koalition wird nicht länger halten. Die Liberalen verweigern Marin die weitere Zusammenarbeit. Ob die Konservativen sich bei einem Sieg nach rechts lehnen oder Marin die Hand geben, weiß keiner. Experten bezweifeln, dass die Regierungschefin mit dem Nato-Beitritt auf den letzten Metern Pluspunkte sammeln konnte. Immerhin propagierten alle Parteien die Mitgliedschaft.

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Zum Verhängnis könnten Marin vor allem gestiegene Staatsschulden (nicht zuletzt durch den Russland-Krieg), ein kränkelndes Gesundheits- und schwächelndes Schulsystem werden. Der “Partygate-Skandal” scheint Marin hingegen nicht nachhaltig geschadet zu haben. Im Sommer sorgte ein Tanz-Video der Regierungschefin für Aufregung. Eine Debatte um die Integrität der jungen Politikerin entbrannte.

Die einst jüngste Ministerpräsidentin der Welt pocht hingegen nach wie vor darauf, nach Leistung beurteilt zu werden: “Wenn ich es nicht schaffe – und wir wissen, dass das in der Politik passieren kann –, möchte ich nicht, dass es heißt: Das war ja klar, gescheitert, weil sie eine junge Frau ist.”