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„Bis zum Schluss ein gutes Leben“

05.05.2023 • 20:08 Uhr / 9 Minuten Lesezeit
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Vor Kurzem entsetzte ein Stall im Bezirk Feldkirch, wo die Tiere in katastrophalen Zuständen gehalten wurden. Sehr viele Bauern aber sorgen gut für ihre Tiere.

Den 37-jährigen Alfred Hammerer aus Egg-Großdorf könnte man als „kuahnäsch“ (verrückt nach Kühen) bezeichnen. Zumindest erzählt das sein WC: Es ist nicht weiß oder unifarben gehalten, sondern überall mit Bildern von Kühen bedruckt. Selbstverständlich tragen diese Hörner, denn das tun auch die eigenen Tiere des Bauern. Das ist ihm und seiner Freundin Anne Bauch (37) sehr wichtig. „Ich würde es nicht übers Herz bringen, sie zu enthornen“, sagt der Großdorfer. Wenn, dann würde er nur genetisch hornlose Kühe halten oder gleich Ziegen oder Schafe.
Alfred Hammerer, der die Landwirtschaft vor 15 Jahren von seinem Vater übernommen hat, weiß genau, warum er seinen bio-zertifizierten Betrieb so führt, wie er das tut. Auf die Frage etwa, weshalb seine zwölf Tiere Original Braunvieh sind, antwortet er ohne nachzudenken: „Das sind die richtigen Kühe für diese Gegend. Dadurch, dass sie klein sind, können sie sich gut auf den Alpen bewegen und das Futter, das es hier gibt, passt für sie.“ Neben Gras und Heu brauchen sie kein Kraftfutter, sondern bekommen nur Dinkelkleie zugefüttert, die vom Martinshof in Buch stammt.

Milch gibt solch eine Kuh freilich weniger als die in Vorarlberg vorherrschende Brown-Swiss. Ihre oben erwähnten Vorteile und der Umstand, dass sie keine Antibiotika benötigt, wiegen das für den Vollzeitbauern und seine Freundin aber auf. Außerdem ist das Original Braunvieh vom Aussterben bedroht, und hier einen gegenteiligen Beitrag zu leisten, ist für die beiden wichtig. Deshalb halten sie auch Schwarze Alpschweine, die ebenfalls in ihrem Bestand bedroht sind.
Alfred Hammerer und Anne Bauch, die Teilzeit an einer Montessori-Schule unterrichtet, leben nach der früher im Bregenzerwald typischen Dreistufenwirtschaft. Das bedeutet: Bevor und nach der Alpe ist das Vieh samt Besitzern für circa einen Monat im Vorsäß, einer Zwischenstufe von Alpe und Tal. Im Mittelbregenzerwald ist der Großdorfer einer der wenigen, der das noch macht. Dadurch, dass seine Kühe klein sind, haben sie Platz in den eher kleinen Ställen der Vorsäße im Mittelwald.
Wenn die Tiere im Tal sind, leben sie in einem Anbindestall. Bevor Alfred Hammerer die Landwirtschaft übernahm, begann er mit der Planung eines neuen Stalles und zog dabei auch einen Laufstall in Betracht. Aber: „Ein Laufstall braucht viel Platz, vor allem, wenn die Kühe Hörner haben. Ich wollte nicht so viel Boden verbauen. Zudem sind die Kühe im Vorsäß und auf der Alpe auch angebunden und sind das durch den Stall im Tal schon gewohnt.“ Deshalb baute der Bauer, der auch gelernter Tischler ist, einen hohen, hellen, gut durchlüfteten Stall, in dem die Tiere nicht dicht an dicht stehen.

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Außerdem: Er lässt die Kühe, wenn sie im Winter nur noch im Stall sind, mindestens zweimal die Woche ins Freie, je nach Wetter dürfen die Rinder im Winter auch täglich hinaus. „Ich glaube, dass man Kühe in einem Anbindestall ebenfalls tiergerecht halten kann“, sagt der 37-Jährige. Zudem sei die Beziehung zwischen Mensch und Tier bei solch einer Stallform intensiver.
Alfred Hammerer und Anne Bauch ist es wichtig, mit der Natur zu arbeiten. Das beinhaltet für sie drei Punkte. Erstens sind ihre Tiere wie bereits erwähnt an die Umgebung angepasst und brauchen nicht viel mehr als das Futter, das es hier gibt – das gilt auch für die Schweizer Alpschweine. Dadurch ergibt sich eine Kreislaufwirtschaft, die der zweite Punkt ist. Kreislaufwirtschaft erklärt Anne Bauch folgendermaßen: „In den Hof kommt von außen nicht viel herein, und wenn etwas zugekauft wird, ist es regional.“ Der dritte Punkt ist eine bodenschonende Wirtschaftsweise: Auf dem Hammerer-Hof wird kein Kunstdünger verwendet, und es wird einmal weniger als in der Höhenlage üblich geheut.
Unter artgerechter Tierhaltung verstehen Alfred Hammerer und Anne Bauch, dass das Vieh genügend Auslauf hat, der Stall hygienisch und sauber ist und das Schlachten in der Nähe erfolgt. „Alfred geht mit allen Tieren zum Metzger mit“, erzählt seine Freundin und fügt zusammenfassend hinzu: „Artgerecht bedeutet für uns, dass jedes Tier bis zum Schluss ein gutes Leben hat.“ Er ergänzt: „Es ist im Interesse jedes Bauern, dass es seinen Tieren gut geht. Wenn das nicht so ist, kann eine Kuh keine Leistung bringen.“
Zum Fall des katastrophalen Stalles im Bezirk Feldkirch, der auch die beiden entsetzt hat, sagt Alfred Hammerer: „Dem Besitzer ist es schon lange, bevor der Stall in den Medien war, nicht mehr gut gegangen, vermute ich. Vielleicht handelt es sich um einen alleinstehenden Bauern, der keine Unterstützung von anderen Menschen bekommen hat.“ Anne Bauch ergänzt: „Das Thema psychische Probleme bei Bauern ist immer noch ein Tabuthema.“

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Ein weiteres Beispiel für Bauern, die ihre Kühe gut halten, sind Renate und Thomas Kaufmann aus Nenzing. Sie führen einen etwas größeren Betrieb mit 45 Milchkühen.

Wie ein Kuhalltag im Frühling ablaufen kann: Am Morgen wird die Kuh gemolken, dann liegt und frisst sie, am Nachmittag ist sie draußen, liegt und frisst, am Abend kommt sie wieder in den Stall und wird gemolken, danach liegt und frisst sie erneut. Das hört sich doch gut an. Wenn dann noch – so wie bei Kaufmanns aus Nenzing – ein sauberer und im Sommer kühler Stall dazukommt sowie täglicher Auslauf im Winter samt Besitzern, die sich um die Kühe kümmern, geht es den Tieren gut.
Renate Kaufmann (53) stammt von dem Hof, den sie und ihr Mann Thomas Kaufmann 1999 übernommen haben. Im Jahr 2000 bauten sie den Stall in einen Laufstall um, 2020 wechselten sie von einem Silo- zu einem Heumilchbetrieb. Sie haben 45 Kühe und einiges Jungvieh, sonst keinerlei Tiere. „Jedes Tier braucht Pflege und Zeit, deshalb konzentrieren wir uns auf die Kühe“, erklärt Renate Kaufmann.

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Der Laufstall verfügt über einige moderne Errungenschaften. So gibt es einen Melkstand, wo acht Kühe gleichzeitig gemolken werden, der Hauptgang wird alle zwei Stunden automatisch von einem Mistschieber gereinigt und die Kühe von zwei großen Bürsten geputzt, was für sie auch eine Massage ist. Über dem Eingang zum Melk­stand hat der 55-jährige Thomas Kaufmann, der im Zweitberuf die Sennerei Schlins führt, eine Kuhdusche montiert. Der Sprühregen, der daraus auf die Kuh niedergeht, vertreibt die Fliegen, wodurch weniger von diesen Insekten in den Melkstand gelangen.
Jede Kuh der Kaufmanns trägt ein Band mit einem Chip. Damit wird automatisch jedes einzelne Tier erkannt, ihre Milchmenge erfasst und genau die Menge des Kraftfutters ausgegeben, das sie braucht.
Im Sommer sind circa fünf Kühe und das ganze Jungvieh auf der Alpe Gamp, die anderen bleiben im Tal. Hier können sie jeden Tag weiden.

Die Kaufmanns kümmern sich in dieser Zeit um die Heuernte. Dafür haben sie Geräte, die die Arbeit erleichtern. „Freizeit und Feierabend gehören auch zu unserem Beruf dazu, es soll unseren Söhnen ebenfalls Freude machen“, meint Renate Kaufmann. Alle drei Söhne helfen am Hof mit, am meisten jedoch der Mittlere. Er wird den Hof vermutlich übernehmen.

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