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Mowgli im Dschungel der Klimakrise

08.05.2023 • 18:50 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Die zehn internationalen Tänzerinnen und Tänzer der Akram Khan Company performen „Jungle Book reimagined“.<br><span class="copyright">Ambra Vernuccio (2)</span>
Die zehn internationalen Tänzerinnen und Tänzer der Akram Khan Company performen „Jungle Book reimagined“.
Ambra Vernuccio (2)

Beim Bregenzer Frühling war die Akram Khan Company am Freitag mit einer innovativen animierten Version des Dschungelbuchs zu erleben.

Es regnet. Ein Gewitter wird zur Flut und der Eiffelturm versinkt zusammen mit dem Big Ben im Wasser, wo die gezeichneten Linien der Fischen das Bild durchziehen. Der Choreograf Akram Khan hat eine neue, moderne tänzerische Version von Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“ gezaubert und das Stück nicht nur thematisch, sondern auch visuell in die heutige Zeit versetzt.

Tänzerische Illusion

In einer dystopisch-poetischen Kulisse verwandeln sich die zehn Tänzerinnen und Tänzer der Akram Khan Company nur durch Bewegungen in Tiere, die mit animalischer Geschmeidigkeit die Bühne einnehmen und das Publikum in ihre Geschichte eintauchen lassen. Die Körper verwirklichen realistische tierische Verhaltensweisen genauso wie menschliche Züge, sie werden zu Wölfen, Schimpansen oder zum Teil der Schlange, die aus voneinander losgelösten Würfeln bedrohlich über den Boden schwebt.

Jungle Book reimagined
Jungle Book reimagined

Es ist eine Geschichte über die unsicheren Zeiten, über Entwurzelung von Tieren und Menschen und über Mowgli, ein kleines Mädchen, das sich – von der Mutter getrennt – zwischen den Tieren wiederfindet, wo sie gefürchtet, beschützt und bedroht wird und als menschlicher Dosenöffner Verwendung findet. Die Zuschauer begegnen den bekannten Figuren aus Kiplings Roman wie dem Panther Bagheera und dem Bär Baloo, die sich mit der mächtigen Schlange Kaa verbünden, um Mowgli zu befreien. Eine Bande von ehemaligen Laboraffen hat Mowgli entführt, weil sie nach ihrem Vorbild zu Menschen werden wollen.

Die Tiere in der Stadt

Das Besondere an Khans „Jungle Book reimagined“ ist, dass die Figuren auf der Bühne mit den animierten Visualisierungen fast verschmelzen. Umrisse von Elefanten, Kamelen und Giraffen stapfen durchs Bild, berührend verfolgt Mowgli die Trennung von ihr und ihrer Mutter und ein gezeichneter Vogel begleitet das Mädchen in verschiedenen Szenen. Behutsam interagieren die Figuren auf der Bühne mit dem fein gezeichneten Elementen der Animation, wodurch sich ästhetische und stimmungsvolle Wirkungen ergeben.

Auf ähnliche Weise funktioniert auch das sehr reduzierte Bühnenbild (Miriam Buether), in dem aus Kartons unterschiedliche Kulissen gebaut und durch technologische Mittel zu zerstörten Bibliotheken, Regierungsgebäuden, Supermärkten oder Müllhalden werden. Die Natur hat begonnen, den Lebensraum wieder einzunehmen. Über die Beziehung von Mowgli zu den Tieren des Dschungels kommt Khan auf die Beziehung zwischen der Macht des Planeten und der Stadt zu sprechen.

Nicht Mowgli kommt in den Dschungel, sondern die Tiere haben sich in der verwüsteten Stadt aus ihren Käfigen befreit und versuchen sich demokratisch zu organisieren. Je nach Begegnung wird das Mädchen zum schützenswerten Kind, zur Gefahr oder zum Objekt, dass sich die Tiere zunutze machen, um die urbanen Territorien für sich einzunehmen. Mit Mowgli wirft Khan einen Blick in die Zukunft auf ein Kind, dass sich in einer vom Klimawandel veränderten Welt der Zerstörung bei den Tieren Zuflucht findet.

Fantasievolle Inszenierung

Als Kind hat Akram Khan selbst Mowgli getanzt, nun kreiert er eine Choreografie, die sich in die atmosphärische Originalmusik (Jocelyn Pook), ins Drehbuch von Tariq Jordan und die Dramaturgie (Sharon Clark) einfügt und eine spannende Geschichte erzählt. Die Tänzer bewegen sich erstaunlich präzise zur Synchronisation von Tiergeräuschen und Sprachelementen und schaffen durch gezielte, dynamische Bewegungen eine Illusion der Tierwelt. Einzelne Körper bringen klar die unterschiedliche Tiere zum Ausdruck und gemeinsam formen sich die Tänzer zu kraftvollen Allianzen zusammen oder verkörpern in grazilen Bewegungen die Lebendigkeit der Natur.

Zusammen mit eingeblendeten Texten, visuellen Effekten und feingliedrigen Animationen wird das Stück zu einem kreativen und fantasievollen Kunstwerk, das die Zuschauer auf verschiedenen Ebenen mitreißt. Zwar vermittelt es im Hintergrund eine komplexe und tiefgründige Handlung, doch holt Jungle Book reimagined Erwachsene und auch Kinder mit leicht zugänglichen gefühlsbetonten Szenen ab und führt sie tänzerisch durch eine dramatische und magische Inszenierung.
www.bregenzerfruehling.com

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