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„Zeit bei und für Patienten ist weniger geworden“

12.05.2023 • 18:58 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Am Freitag konnten sich Interessenten in Dornbirn über den Pflegeberuf informieren. <span class="copyright">Hartinger</span>
Am Freitag konnten sich Interessenten in Dornbirn über den Pflegeberuf informieren. Hartinger

Anlässlich des Internationalen Tag der Pflege am 12. Mai informierten am Freitag Personen aus dem Pflegebereich über den Beruf. Denn Personal wird dringend gesucht.

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Dass am Anfang in der Coronazeit die Leute am Balkon immer geklatscht haben, das war schön, aber für die Zukunft bringt es uns leider nichts“, kritisiert Pflege- und Gipsassistent Sandro Willi, der seit elf Jahren im LKH Bludenz tätig ist. Denn den derzeitigen Personalmangel spüren nicht nur die Patienten, die auf einen Operationstermin warten. Dass Arbeitskräfte in diversen Pflegebreichen fehlen, macht auch dem bestehenden Pflegepersonal zu schaffen. Was würde statt Klatschen besser helfen? „Wir brauchen mehr Geld, mehr anwesende Arbeitskollegen, damit ich mich nicht um zehn Patienten gleichzeitig kümmern muss und mehr Mitarbeiter, damit wir wieder mehr Freizeit haben“, fordert der 33-Jährige.

Der Personalmangel hat Auswirkungen auf Patienten und Pflegemitarbeiter. <span class="copyright">Hartinger</span>
Der Personalmangel hat Auswirkungen auf Patienten und Pflegemitarbeiter. Hartinger

Fehlende Planbarkeit

Derzeit sei vor allem die Dienstplansicherheit ein Problem, wie Gespräche mit mehreren Anwesenden bei der Informationsveranstaltung anlässlich des Internationalen Tags der Pflege in der Dornbirner Innenstadt aufzeigen. „Die Leute können sich nicht mehr auf den Dienstplan verlassen und dadurch ist die Lebensqualität nicht mehr gegeben“, erzählt Willi. Das fehlende Personal führt zu mehr Arbeitsaufkommen für die einzelnen Pflegekräfte. Dieser Stress kann wiederum zu Ausfällen durch Krankenstände führen. Einsprungsdienste für kranke Kollegen etwa sind die Folge.

Frage und Antwort stand unter anderem Pflege- und Gipsassistent Sandro Willi. <span class="copyright">Hartinger</span>
Frage und Antwort stand unter anderem Pflege- und Gipsassistent Sandro Willi. Hartinger


Dies kann besonders für Mütter, die Teilzeit arbeiten, Schwierigkeiten beim Managen des Familienlebens sein. „Sie können sich auf den Dienstplan derzeit nicht verlassen“, so Thomas Steurer, Vorsitzender der Gesundheitsgewerkschaft (GÖD). Dadurch werden teilweise Überstunden gesammelt, die dann nicht abgebaut werden können, wie Stefan Spangenberg, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des LKH Feldkirch ergänzt. Er erzählt von einer Pflegekraft, welche in den vergangenen drei Jahren 340 Überstunden als Teilzeitkraft von 50 Prozent angesammelt habe.


Auch Betriebsratsvorsitzende im LKH Bludenz Elke Zimmermann bestätigt das Problem. Sie bekomme oft die Rückmeldung, dass die Planungssicherheit fehle und kein Dienstplan halte. Ihrer Meinung müssten sowohl mehr Personal auf die Stationen kommen, als auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit das bestehende Personal gehalten werden könne.

Die Forderungen sind vielfältig. <span class="copyright">Hartinger</span>
Die Forderungen sind vielfältig. Hartinger

Mit einem Lächeln nach Hause

Unter dem fehlenden Personal leidet das Zwischenmenschliche, welches für einige Pflegende gerade das Schöne am Beruf darstellt. Willi schätzt etwa vor allem die Begegnungen und Gespräche mit den Menschen. Ihn macht es glücklich, wenn er sieht, dass er den Leuten helfen kann: „Sie kommen mit dem Hubschrauber zu uns in die Ambulanz und gehen mit einem Lächeln trotzdem wieder heim.“

Derartige Gespräche, in denen etwa einem 80-Jährigen die Angst vor dem erster ersten MRT-Untersuchung genommen werden kann, kommen derzeit jedoch teilweise zu kurz. „Die Zeit, die du am Patienten verbringen kannst und für den Patienten hast, ist weniger geworden“, resümiert Spangenberg die Entwicklung der vergangenen Jahren. Er war zuvor 15 Jahre lang Pfleger auf einer akutoperativen Station. Grund dafür sei unter anderem der gestiegene Dokumentationsaufwand oder auch die veränderte Liegedauer. Er erzählt von einem inneren Konflikt, der so in Pflegekräften teilweise ausgelöst werden könne. Man wisse zwar, dass die Person etwa mit Verband oder Schmerzmittel medizinisch ausreichend versorgt sei, es fehle aber die Zeit für zwischenmenschliche Gespräche.

Bei der Infoveranstaltung wurden Informationen über den aktuellen Stand der Pflege kundgetan. <span class="copyright">Hartinger</span>
Bei der Infoveranstaltung wurden Informationen über den aktuellen Stand der Pflege kundgetan. Hartinger

Damit wieder mehr Kapazität für Zwischenmenschliches bleibt, müssen neue Pflegekräfte gewonnen werden und bestehende gehalten werden. Als ausschlaggebend für die Gewinnung neuer Pflegekräfte werden von Steurer sowohl Dienstplan­sicherheit und notwendige Zeitmodelle für Mütter genannt, damit diese nach der Karenz wieder einsteigen können.

Auch finanzielle Attraktivität für Quereinsteiger sieht Spangenberg als wichtig an. Das betrifft besonders die Ausbildung. Viele Interessierte würden sich mit 18 Jahren noch nicht bereit fühlen, sich aber später sehr wohl den Wechsel in einen Pflegeberuf vorstellen können. Dann sei wichtig, dass etwa ein 36-Jähriger zweifacher Familienvater mit einer Hausfinanzierung sich die Ausbildung auch leisten könne, führt er aus.

Perspektivenlosigkeit

Bis zur Beruhigung der Lage ist das aktuelle Pflegepersonal verstärkt gefragt. Diese verspüren die Motivation, im Notfall Zeit etwa in Überstunden oder Einspringdiensten zu investieren, wie sich mehrere Anwesende am Freitag einig waren. Jedoch fehle dabei die Gewissheit eines Zeitpunktes, bis wann sich die Lage erhole: „Das Problem ist, dass uns die Perspektive fehlt.“

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