Wie Hierarchie immer noch die Welt prägt

Im Künstlerhaus Bregenz präsentiert Zoë Claire Miller in der Ausstellung „Dynastrees“ Verknüpfungen von Bäumen und Adel.
Für ihre erste institutionelle Einzelausstellung hat sich die Künstlerin Zoë Claire Miller durchdacht mit der Vergangenheit des Palais Thurn und Taxis auseinandergesetzt. In der Ausstellung „dynastrees“ greift sie das Phänomen des Adels auf und symbolisiert Hierarchien und Machtverhältnisse im Zusammenhang der gesellschaftlichen Kontexte.
Exotische Bäume
Rund 30 Jahre lang war das heutige Künstlerhaus im Besitz der Familie Thurn und Taxis. Die exotischen Bäume, die der Hofgärtner Wenzel Smetana für den „Prinzen“ Gustav „von“ Thurn und Taxis 1887 angelegt hat, hat Miller künstlerisch originell in die Innenräume verlegt. Im „Depression garden“ sind die Baumarten als Digitaldruck im Miniaturformat nachgestellt und mit Salzkristallen überwuchert. Historische Herbarbelege auf Stoffdrucken machen deutlich, wie Pflanzen früher kartografiert wurden. Im Untergeschoss wird auch der Geruch dieser unterschiedlichen Bäume in Form von ätherischen Ölen durch kleine Keramik-Duftbrunnen verbreitet. Farbig wechselnde Lichter sollen für ein sinnliches Waldfeeling-Erlebnis sorgen.
Über sprachliche Verknüpfungen vom Baumstamm zum Stammbaum macht die Künstlerin auch deutlich, wie Baummodelle genutzt wurden, um Gedanken zu strukturieren und hierarchische Machtverhältnisse aufzuzeigen.
Im ersten Stock wird thematisiert, wie im 18. und 19. Jahrhundert Bäume für hierarchische Modelle in der Wissenschaft sowie im christlichen Kontext herangezogen wurden. Modelle auf Stoffcollagen zeigen, wie beispielsweise der Wissenschaftler Ernst Haeckl ideologisch motivierte menschenverachtende Ordnungen wissenschaftlich rechtfertigte.

Insignien der Macht
Kritisch und mit subtilem Humor spielt Miller mit kleinen Details und sprachlichen Verknüpfungen, um sich den Verwachsungen des Adels und ihren Privilegien zu nähern. Keramiken verweisen auf die Insignien der Macht. Neben Schloss und Wappen (mit Posthorn und Dachs) gibt es den Ritterorden als Freundschaftsanhänger, das Malteserkreuz wie auch kirchliche Motive und Rituale. Starre fixe Symbole wie Schwert und Krone hat sie verbogen und verzerrt dargestellt, um einen weniger machtvollen Blick darauf zu ermöglichen. Ein Posthorn verweist auf das Postwesen, mit dem die Familie zu Reichtum gelangte. Wie feudalistische Systeme auch heute noch in unseren Denkmustern verwurzelt sind, wird im Dachgeschoss deutlich. Miller versucht, den gesellschaftlichen Blick auf den Adel – der heute oft durch die schwärmerische Klatschpresse bestimmt wird – aufzubrechen und in eine moderne Richtung zu lenken. Am Beispiel von Prinz Friedrich geht sie auf Restitutionsfragen ein und hinterfragt zudem die heutige Legitimität von Adelstiteln.
Zoë Clair Miller (1984 in Boston geboren) lebt und arbeitet in Berlin. 2021 erhielt sie den Will-Grohmann-Preis, der von der Berliner Akademie der Künste vergeben wird.
„Dynastrees“: Bis 25. Juni, Künstlerhaus Bregenz.

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