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Reife Jahre von Marbod Fritsch

19.05.2023 • 18:24 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
<span class="copyright">Wolfgang Ölz</span>
Wolfgang Ölz

Interview. Marbod Fritsch feiert seinen 60. Geburtstag im Dezember schon mal vor mit zwei Ausstellungen in Bregenz, im Bildraum Bodensee und in der Galerie Arthouse.

Im Hauptraum des Bildraums Bodensee ist ein spezieller Vorhang zu sehen, der bei genauem Hinsehen ein Zitat des Landart-Künstlers Andy Goldsworthy aus dem empfehlenswerten Film „Rivers and tides“ beinhaltet. „Manchmal staune ich, dass ich tatsächlich lebe“ ist ein philosophisches Statement, in dem das freudige Erschrecken über die eigene Existenz verbal verdichtet zu Tage tritt.
In der Galerie Arthouse ist Marbod Fritsch seit 30 Jahren zu Hause. Herbert Alber hat seine Qualität sehr früh erkannt. Die abstrakten Arbeiten mit Kugelschreiber auf Holzplatte zeigen die Reife eines Künstlers, der sich über die Jahrzehnte einen Stil erarbeitet hat, der nichts mit willkürlichen Abstraktionsschüben zu tun hat, wie sie sonst im Land festzustellen sind.

60 Jahre Marbod Fritsch. Welche künstlerische Bilanz ziehen Sie?
Marbod Fritsch: Diese könnte ich erst im Dezember ziehen, ich bin jetzt noch 59! (lacht) Aber im Ernst, ich bin niemand, der so etwas macht. Ich bin eher getrieben von dem, was noch kommt. Leider ist die Unsicherheit und kritische Haltung meinem eigenen künstlerischen Tun gegenüber mit den Jahren leider nicht weniger geworden. Was mir positiv aufgefallen ist: Je radikaler ich künstlerisch arbeite, umso mehr Freiräume schaffe ich mir.

<span class="copyright">wolfgang ölz</span>
wolfgang ölz

Woran soll sich die Vorarlberger Kunstgeschichte – sagen wir – 2050 erinnern, wenn Sie an den Künstler Marbod Fritsch denkt?
Fritsch: Meine Frau sagt, dass auf meinem Grabstein ein Haken für „erledigt“ gut passen würde. Das heißt, ich möchte alle Aufgaben so gut es geht erfüllen. Was die Nachwelt dann darüber denkt, ist mir letztendlich egal. Da meine Mutter heuer 91 wird, stehen die Chancen nicht schlecht, dass ich 2050 noch ins Atelier geschoben werde.

Warum gibt es zum Jubiläum gleich zwei Ausstellungen? Was ist im Bildraum Bodensee, was in der Galerie Arthouse für Besucher zu sehen?
Fritsch: Ich habe aus Fehlern gelernt: Zwei Einzelausstellungen in einem Jahr in derselben Stadt – da fehlt mir die Zugkraft. Da die beiden Ausstellungen nur mich als gemeinsame Konstante vorweisen, kann ich hier an zwei Orten meine künstlerische Bandbreite präsentieren. Im Bildraum Bodensee gibt es eine große Rauminstallation zu sehen. In der Galerie Arthouse sind Zeichnungen auf Holz ausgestellt. Beide Werkgruppen sind neu und waren bis jetzt noch nirgends zu sehen.

Ist das Verhältnis von Ich und Wir das Schlüsselthema einer Zeit, in der die Öffentlichkeit in tautologische Echokammern zu zerfallen droht?
Fritsch: Wenn sich gleichzeitig mehrere Ausstellungen und Theater diesem Thema widmen, dann dürfte das schon etwas sein, was uns als Gesellschaft sehr beschäftigt. Gerade die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, dass es nur wenig braucht, um diese Echokammern zu großen (Lügen-)Fallen werden zu lassen.

Marbod Fritsch mit Herbert Alber in der Galerie Arthouse<br><span class="copyright">Wolfgang Ölz</span>
Marbod Fritsch mit Herbert Alber in der Galerie Arthouse
Wolfgang Ölz

Was ist ein guter Künstler, eine gute Künstlerin? Wie sehen Sie sich als Kunstpromoter im ORF-Funkhaus?
Fritsch: Gute Künstlerinnen und Künstler zeichnen sich dadurch aus, dass sie Aspekte unseres Lebens verhandeln, die wir so noch nicht so gesehen haben. Sie lassen in ihrem Werk aber genug Platz für uns und unsere Geschichte. Meine Rolle im ORF-Funkhaus besteht darin, die Künstler in ihrem Tun zu unterstützen und als „Katalysator“ deren Entscheidungsprozesse zu beschleunigen.

Sie sind mit Projekten wie Klara-Edition zugunsten des jungen Schwesternordens in Bregenz, dem Meditationsweg auf den Gebhardsberg und einer Arbeit zum 400. Todestag des Heiligen Fidelis hervorgetreten. Wieviel Katholizität steckt in Marbod Fritsch?
Fritsch: Als Sohn einer ehemaligen Religionslehrerin und Internatsschüler der Jesuiten steckt sicherlich mehr katholischer Hintergrund in mir, als mir bewusst ist. Aber das ist nun einmal mein Hintergrund. Natürlich könnte man die negativen Aspekte des Katholizismus thematisieren, aber das interessiert mich nicht. Ich versuche meine Beziehung zu etwas Undefinierbarem zu verhandeln. Dieses Verhältnis ist nicht nur beim katholischen Glauben, sondern in (fast) allen Religionen inhärent.

Das mediale Sperrfeuer zur Bahnschranke im Harder Becken ist noch gut in Erinnerung. Wieviel Ironie und Till Eulenspiegel verträgt die Vorarlberger Provinz?
Fritsch: Grundsätzlich fällt es der Kunst in Vorarlberg schwer, Humor einzusetzen. Sowohl Produzenten als auch Konsumenten haben Angst, dass dadurch die Wertigkeit und das Niveau der Auseinandersetzung leiden könnte. Mir gefällt jedoch das Doppelbödige, wenn etwas aus einer Ernsthaftigkeit heraus auch einen gewissen Witz in sich trägt. Ein empfehlenswertes Beispiel dafür ist das Werk der Malerin und Bildhauerin Nicole Eisenman.

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wolfgang ölz

Wie bedingen sich Konzeptkunst und Zeichnung in ihrem Werk? Welchen Stellenwert haben diese beiden künstlerischen Seinsweisen bei Ihnen?
Fritsch: Die Konzeptkunst, bei der natürlich unzählige Skizzen entstehen, mache ich meistens anlassbezogen – für eine Ausstellung, einen Wettbewerb oder einen Auftrag. Dagegen zeichne ich immer – das ist mein künstlerisches Ausdauertraining. Und da mein Kopf groß ist, haben beide Arten von Kunst ihren Platz und den gleichen Stellenwert in meinem Werk.

Wie bewerten Sie das künstlerische Klima im Land? Wer sind für Sie die großen Player? Wo geschehen die relevanten Innovationen?
Fritsch: Es scheint, als gebe es zwei Arten von Künstlern: diejenigen, die häufig auf den Gesellschaftsseiten abgebildet werden, und diejenigen, die gute Arbeit im professionellen Umfeld zeigen. Letztere müssen sich jedoch mittlerweile den medialen Raum mit ersteren teilen. Die Berichterstattung in Vorarlberg differenziert hierbei viel zu wenig und trägt auch dazu bei, dass die Bezeichnung „Künstler“ mittlerweile inflationär geworden ist. Die internationale Drehscheibe ist natürlich das Kunsthaus Bregenz. Daneben passieren jedoch auch interessante Dinge im Dock 20, in der Johanniterkirche, im Kunstraum Dornbirn, im Magazin 4, im Kunstraum Remise und natürlich in der Kunsthalle FRO. (lächelt)

Marbod Fritsch: Ausstellungseröffnungen, heute 18 Uhr, Galerie Arthouse und 20 Uhr, Bildraum Bodensee. Infos unter: www.bildrecht.at, arthouse.at.

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