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„Bleiben wir neugierig und liebevoll“

28.05.2023 • 23:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
„Bleiben wir neugierig und liebevoll“
Ein ganzes Wochenende im Zeichen der LGBTIQA+-Community.daniellaphoto

Am 3. Juni findet in Bregenz der Christopher Street Day Vorarlberg statt.

Vorurteile gibt es wohl schon, seit der Mensch ein Mensch ist. In jeder gesellschaftlichen Schicht, in jedem sozialen Umfeld, in jedem Land und zu jeder Zeit. Oftmals kann man sie entkräften, manchmal bleiben sie. Wohl nur wenige Gruppen haben so sehr mit ihnen zu kämpfen wie die ­LGBTIQA+-Community (­Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Asexual und weitere). Wessen sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität nicht in die noch geltende Norm passt, der muss damit ­rechnen, in seinem Leben einen oft ­steinigen Weg gehen zu müssen.

„Ich würde mir wünschen, dass jeder, der uns diskriminiert, einmal einen Nachmittag mit einer transidentitären oder sexuell anders ausgerichteten Person verbringt und ihr wirklich zuhört, wenn sie von den Kämpfen spricht, die sie ausfechten muss. Dann wäre schnell ein Umdenken da“, sagt Emanuel Wiehl (39), Obperson des Vereins Christopher Street Day Pride Vorarlberg.

Der Verein veranstaltet kommendes Wochenende zum zweiten Mal das Pride Weekend in Bregenz rund um die große Parade am Samstag. Seit 2022 wird das Thema „gesellschaftliche Vielfalt und Sichtbarkeit“ besonders von der Stadt Bregenz gefördert, die auf Emanuel Wiehl als erfahrenen Veranstalter von Events in der queeren Szene zukam.

Emanuel Wiehl: „Ohne das Team und dessen Engagement geht es nicht.“ <span class="copyright">stiplovsek</span>
Emanuel Wiehl: „Ohne das Team und dessen Engagement geht es nicht.“ stiplovsek

Diskriminierung

Der CSD soll eine bunte und vielfältige Gesellschaft feiern, aber auch aufklären und informieren. Das ist nach wie vor wichtig, denn: „Es gibt immer noch viel Diskriminierung“, so Wiehl. „Es werden Regenbogenbänke zerstört, es werden Pride-Flaggen angezündet. Da frage ich mich schon, wie viel Hass oder Angst vor etwas da ist, wenn ich in Kauf nehme, dass ein Haus brennt, weil ich eine Regenbogenfahne anzünde, die dran hängt.“

Mögliche Erklärungen gibt es viele, eine davon ist für Wiehl die Angst vor Veränderung: „Wenn man sein Leben lang in einer sehr starren, heteronormativen und patriarchalen Form sozialisiert wurde, entstehen Unbehagen und manchmal auch Angst, wenn jemand daran kratzt. Diese Leute empfinden das als Angriff auf ein Schema, mit dem sie sich identifizieren.“

Christopher Street Day 2022 <span class="copyright">daniellaphoto</span>
Christopher Street Day 2022 daniellaphoto

Viele seien möglicherweise auch verwirrt, wüssten nicht, um was es geht, weil sie außer dem binären Mann-Frau-System nichts kennen. Und: „Ganz oft sind Menschen, die selber unter einem entsprechenden Verbot gelitten haben, gegen diese neue Freiheit“, sagt Wiehl. „Wenn etwa die jüngere Generation sagt, dass ihr Teilzeitarbeit reicht, weil sie mehr Freiheit erleben will, fühlen sich jene, die ihr Leben lang gebuckelt haben, vielleicht um die eigene Freiheit betrogen.“

Teil der Gesellschaft

Unterschiedliche Geschlechter­identitäten und sexuelle Ausrichtungen sind jedoch weder Betrug noch Bedrohung, sondern Teil der Gesellschaft: „Wenn man die Community als Randgruppe bezeichnet, separiert man sie. In Kern und Rand zu denken, trennt. Ja, es gibt Menschen, deren Lebensentwurf nicht der Norm entspricht, aber solange das nichts Widergesetzliches ist oder jemandem wehtut, gilt es, die Norm zu hinterfragen und nicht den Menschen“, ist der CSD-Obmann überzeugt. Es gebe nicht immer und überall klare Antworten und Systeme. „Das Leben ist nicht so einfach, es ist nicht schwarz-weiß, sondern bunt. Bleiben wir neugierig und liebevoll!“

Mit dem Land Vorarlberg und besonders der Stadt Bregenz hat man zwar, insbesondere für den CSD, starke und unterstützende Partner gefunden, trotzdem sei die Politik noch deutlich mehr gefordert, wie Wiehl feststellt. Es hapert immer noch an Solidarität und Anerkennung von gesellschaftlicher Vielfalt. Ein großes Problem ist auch die medizinische und psychologische Versorgung: „Wer eine ­medizinische oder psychische Betreuung braucht, wartet teilweise ein halbes Jahr bis zu neun Monate auf ein Erstgespräch. Gerade, wenn man ein Teenager ist, der sowieso schon viele Themen im Kopf hat, kann das desaströs sein.“ Auch ein respektvoller Umgang mit Sprache oder die ­Geschlechterwahlmöglichkeit „divers“ auf einem Formular seien wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Christopher Street Day 2022 <span class="copyright">daniellaphoto</span>
Christopher Street Day 2022 daniellaphoto

Wer sich informieren und solidarisieren will, ist von der Community herzlich eingeladen, am reichhaltigen Programm des Christopher Street Day teilzunehmen. Und auch Gemeinden können etwas tun: Auf der Website des CSD Pride Vorarlberg kann man seinen Ort als Unterstützer registrieren.