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Europäische Zeichensprache

02.06.2023 • 15:57 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
MOLDOVA-EU-POLITICS-DIPLOMACY
MOLDOVA-EU-POLITICS-DIPLOMACY (c) APA/AFP/LUDOVIC MARIN (LUDOVIC MARIN)

Russland und Belarus auf der einen, alle übrigen Länder auf der anderen Seite: Der Mega-Gipfel “Europäische Gemeinschaft” ist eine gute Basis, aber kein Entscheidungsträger.

Putins Krieg hat auf der politischen Ebene viel bewirkt: Die Nato bekommt neue Mitglieder, Europa verringert seine Energieabhängigkeit, und die EU träumt von Erweiterung in großem Stil. Buchstäblich und auch im engeren Sinn vor der Nase des Kreml-Diktators fand sich nun zum zweiten Mal die “Europäische Politische Gemeinschaft” EPG zu einem Gipfel ein – in Moldau, quasi im russischen Hinterhof und gerade einmal 20 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
Europa arbeitet mit Zeichensprache und viel Symbolik, um Russland zu zeigen, wie isoliert es dasteht und wie stark der europäische Zusammenhalt geworden ist. Die auf Emmanuel Macron zurückgehende und letzten Herbst in Prag zum ersten Mal praktizierte Idee einer europäischen Plattform, die weit über die EU hinausgeht und kleinen Ländern ebenso wie großen Drittländern (Großbritannien, Türkei) die Möglichkeit gibt, auf Augenhöhe über aktuelle Themen zu sprechen, hat ihren Reiz.

Die üblichen Grabenkämpfe, Wortklaubereien und Zwistigkeiten können ausbleiben. Es gibt keine Schlusserklärung, kein gemeinsames Positionspapier, keine schlechten Kompromisse. Stattdessen kommen die Staats- und Regierungschefs aus 47 Ländern und die Präsidenten der EU-Institutionen endlich einmal dazu, halbwegs entspannt in kleinen Kreisen ihre Positionen zu erörtern. Einer der Teilnehmer versicherte, dass sich das Format vom ersten zum zweiten Mal bereits weiterentwickelt habe.

Größere Verhandlungen

Tatsächlich ist es bei allen größeren Verhandlungen (nicht nur in der EU) so, dass die Entscheidungen nicht erst am Konferenztisch getroffen werden, sondern in den zahlreichen Absprachen und Meetings auf dem Gang und beim Essen. Die Ratstreffen und EU-Gipfel für die Entscheidungsfindung, der EPG zur Feinabstimmung mit allen und dazu als Leuchtsignal für den Rest der Welt: Diese Rechnung kann aufgehen.
Sie enthält aber auch zwei Gefahrenstellen: Die eine ist, dass der Supergipfel nicht abhebt. Jedes halbe Jahr (als nächste Gastgeber sind Spanien und Großbritannien vorgesehen) freundschaftlicher Austausch, hübsche Bilder und tolle Lippenbekenntnisse in zwei Dutzend Sprachen – aber keine Konsequenz daraus. Der zweite Stolperstein besteht darin, dass der erweiterte Kreis der Länder außerhalb der EU auf immer und ewig in diesem Zwischenraum gefangen bleibt.

EU Beitritt

Das wäre für die Ukraine und Moldau ebenso fatal wie für die Westbalkanländer, die schon so lange auf eine Fortsetzung und den Abschluss des Beitrittsverfahrens warten. Auch die kleineren Länder, die gar nicht in die EU wollen, dürfen nicht das Gefühl bekommen, sie seien am Tisch der Union nur gelegentlich geduldet. Die äußeren Bedrohungen, der russische Angriffskrieg und die wirtschaftlichen Verwerfungen, mit denen Europa zu kämpfen hat, erfordern eine klare, gemeinsame Antwort. 47 Länder zeigen, dass sie dazu imstande sind. Jetzt müssen sie es “nur noch” durchziehen.