Ein Anbauort für alle und jeden

Die Essbare Stadt ist zum Vorzeigeprojekt mit Bürgerbeteiligung in Dornbirn geworden.
Geboren wurde die Idee für die essbare Stadt im Jahr 2018. Nach dem Motto „Tomorrow – die Welt ist voller Lösungen“ begann eine Gruppe dann im Jahr darauf, unter der Leitung von Stefanie Rüscher und Thomas Mathis, zu buddeln, zu graben, einen Nutzgarten anzulegen. Das Ungewöhnliche dabei: Die Beete befinden sich im öffentlichen Raum, im Kulturhauspark in Dornbirn. An zentraler Stelle wachsen seither Kartoffeln, Tomaten, Kräuter, Kren, ein Lorbeerbusch, Pflücksalate, Kohlrabi, Radieschen, Gurken, Zucchini, Randig, Kohl, Popcornmais und Kresse „to go“. Aber auch Ringelblumen, Facelia und Borretsch, ein Holderbusch und darunter Brennnesseln, alles auch für die Insekten.
Die Koordinatorin der Essbaren Stadt, Lucia Emerich-Rüdisser, erklärt: „Im Kulturhauspark gibt es viele alte Bäume, die zu unserem Projekt passen, es gibt einen Spielplatz und viele Jugendliche, die hier die Seele baumeln lassen. Hier herrscht eine Art Zugehörigkeitsgefühl.“ Welches wiederum auch von der essbaren Stadt erzeugt wird. Kinder füllen mit Hingabe rote, gelbe und grüne Gießkannen, Kindergärten und Vereine nutzen die Hochbeete und pflegen sie, Erwachsene sitzen zusammen und tauschen sich aus, packen die Jause aus und schneiden sich rasch noch einen Schnittlauch, während ihre Kinder in der Jurte aus wachsenden Weiden sitzen oder mit dem Roller über einen Erdhügel kurven.

Garten für alle
Die Fläche gehört der Stadt. Anfangs war man sich dort nicht sicher, dass alles so funktionieren wird wie geplant. Inzwischen ist es ein Vorzeigeprojekt, wobei vieles spontan und aus der Interaktion heraus entsteht und überraschend wenig geplant ist. Die Bürgerinitiative bekommt den Platz zur Verfügung gestellt und eine öffentliche Förderung, lebt aber von Spenden. 2018 wurde ein Crowdfunding gestartet, wobei erst einmal das Bewusstsein dafür geschaffen wurde, was die Essbare Stadt überhaupt sein soll.
Es ging darum, einen „dritten Ort“ zu schaffen, also einen öffentlichen Raum ohne Konsumzwang, zu dem jeder hinkommen und in dem Austausch stattfinden kann – auch interkulturell. Kindergartenkinder bekommen da schon mal Gänseblümchen in die Suppe, können die primäre Erfahrung des Matschens, des Arbeitens mit Erde, der Begegnung mit Würmern, der Auseinandersetzung mit den Elementen, machen. „Für Erwachsene ist es ein Ausgleich zum Bürojob. Der Erfolg nach dem Pflanzen ist schnell sichtbar. Ein ,für immer fertig‘ gibt es nicht, aber gemeinsam gestalten wir ein Stück“, sagt Emerich-Rüdisser.
„Wir haben die Verantwortung für die Fläche, und es gibt eine Gruppe von ungefähr zehn Leuten, die sich im Hintergrund um alles kümmern“, erklärt sie. Der Zugang zum Garten soll niederschwellig sein, die 600 Quadratmeter für jeden nutzbar. „Am Anfang hat sich kaum jemand getraut, mal Beeren zu pflücken oder einen Salat zu ernten. Inzwischen müssen wir regelmäßig nachsetzen“, sagt Emerich-Rüdisser. Sie lacht zufrieden, so ist es gedacht. „Stell dir vor, es gibt einen Garten, und jeder geht hinein“, so könnte das Motto lauten.
Der Garten wird ökologisch bewirtschaftet, Pestizide und Ähnliches müssen draußen bleiben. Die Anlage ist auch optisch ein Hingucker, sorgsam wurden wenige Wege durch die Beete angelegt. Ein Sitzplatz mit Tisch und Bänken gehört zum Areal, ein umfunktioniertes Weihnachtsmarktstandhäusle wurde zum Geräteschopf. Wasser, Erde, es ist alles da. „Wir möchten auch für Kinder Bildungs- und Bewusstseinsarbeit leisten, gerade für solche, die in Kindergarten oder Schule keinen Garten haben, vielleicht auch nicht zu Hause. Sie erleben zum Beispiel, dass man vor dem Ernten säen muss, wie Lebensmittel wachsen, und wie viel Kraft man benötigt, eine Schubkarre zu schieben. Zum Gießen wird jede Hand gebraucht. Das gilt auch für Erwachsene, ganz egal ob Mann, Frau oder divers, gerade mit Beschäftigung oder ohne, hier geboren oder woanders, jeder ist hier herzlich willkommen“, sagt Lucia Emerich-Rüdisser. Denn vor den Pflanzen sind alle gleich.
