Eine moralische Dekonstruktion

Eine weitere Dokumentation über einen der bestdokumentierten Politiker. Ab heute im Kino.
In „Projekt Ballhausplatz“, dem neuen Kinofilm von Regisseur Kurt Langbein über Sebastian Kurz, wird die komplexe Karriere des einst jüngsten Regierungschefs Europas beleuchtet. Langbein schöpft aus dem Vollen, wenn er auf Archivmaterial zugreift und die Zeitleiste mit bekannten TV-Bildern füllt. Und so beginnt die Politdoku im „ZiB 2“-Studio“, wo sich der Ex-Kanzler kritischen Fragen stellen muss. Es ist das bereits überschrittene Ende jenes titelgebenden Politprojekts, das den ehemaligen JVP-Chef ins Kanzleramt befördert hatte. Unterhaltsames liefert immerhin Archivmaterial aus Zeiten, in denen Kurz noch den lässigen Jungpolitiker gab. Das Posieren des selbstinszenierten Posterboys samt Entourage mit einem Geländewagen der Marke Hummer – dem mittlerweile berühmt-berüchtigten „Geilomobil“ – fördert zumindest unfreiwillige Komik zutage. Ab dann wird es ernst. Sowohl für Kurz, als auch für den Film. Säuberlich wird im Laufe der Doku nicht nur ein Hummer fachgerecht auseinander genommen. Vor allem Kurz wird moralisch dekonstruiert. Und so lässt die Ernsthaftigkeit der Themen wenig Platz für Unterhaltung, etwa bei eingeblendeten Flüchtlingsbildern. Kommentiert und angeprangert wird der politische Zynismus ausführlich, von Journalistinnen und Journalisten, Wissenschaftern, Oppositionsvertreterinnen und -vertretern.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Mysterium
Das „Projekt Ballhausplatz“ selbst bleibt auch im Film ein wenig greifbares Mysterium. Zwar werden Kurz‘ einstige „Prätorianer“ erwähnt. Mehr Licht fällt auf das Umfeld – auch aus Mangel an Archivmaterial – nicht. Zitiert wird aus bekannten Chats, wie etwa jenen von Thomas Schmid. Zu Wort kommen aber auch Betroffene des angeprangerten politischen Zynismus, wie eine alleinerziehende Mutter und eine Pflegerin. Wer alles nicht zu Wort kommen wollte, listet die Doku am Ende akribisch auf: Und zwar alle handelnden Personen von Kurz abwärts. Es bleibt NEOS-Gründer Matthias Strolz überlassen, in der Mitte des Films die Methoden der Kurz-Clique auf den Punkt zu bringen: Die „neue“ ÖVP sei damals mit einer Kaltschnäuzigkeit unterwegs gewesen, „die diese Republik noch nie gesehen hat“.
