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Mutter-Tochter-Vererbung

26.09.2023 • 08:38 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. <span class="copyright">NEUE</span>
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Als Elternteil geben wir gewisse Dinge an unsere Kinder weiter, sei es über unsere Verhaltensweisen oder ganz klassisch über unsere Gene. Mein Körper hat zum Beispiel das wunderbare Nahrungsmittelspeicherverhalten meiner Mutter geerbt. Über Generationen hat uns dieses geholfen, in Eiszeiten nicht zu verhungern und Hungersnöte zu überstehen. Hat er doch die Gabe, eine Kartoffel zu vervierfachen und als Vorratspolster an gewissen Körperstellen zu speichern.

Super, ohne diese Besonderheit hätten unsere Gene wohl die Steinzeit nicht überlebt. An Verhaltensmustern habe ich von meiner Mutter das verlegene Kratzen an der Nase mitgenommen. Immer wenn ich mich selbst dabei ertappe, wie meine Hand Richtung gestupstes Riechorgan wandert, habe ich das Gefühl, meine Mutter ist ganz kurz in meinen Körper gerutscht. Wenn man solche Dinge an sich selbst wahrnimmt, fragt man – also ich – sich unvermittelt, was haben denn meine Töchter von mir? Mein Hang zu kreativem Schaffen kann es nicht sein.

Eine will (derzeit) in der Finanzabteilung eines Vorarlberger Energieunternehmens Fuß fassen und die andere unbedingt mit Tieren arbeiten. Weder das eine noch das andere lässt sich irgendwo in meinem Gen- oder Verhaltenspool finden. Wenn dann der Wecker meiner Tochter von 5 Uhr früh bis 7 Uhr alle 15 Minuten klingelt, wird mir klar, was ich hier weitergegeben habe. Großtochter kann in der Früh nicht aufstehen. Um ihren Körper seelisch auf die Qualen des frühen Wachwerdens einzugrooven, stellt sie sich den Wecker mindestens zwei Stunden vor der angepeilten Aufstehzeit. Wäre es anders, sie würde verschlafen. (Dass sie mich, die von einer Amsel emotional ebenso weit weg ist wie ein Elefant von einer Primaballerina, dabei auch um fünf Uhr morgens weckt, ich aber nicht mehr über die teeniehaften Einschlafqualitäten verfüge, ist eine andere Kolumne wert.) Ich habe meiner Tochter meinen Morgenmuffel vererbt. In einer menschlichen Gesellschaft, in der alles auf Morgenarbeit eingestellt ist, wird sie noch einiges daran zu knabbern haben. Ich weiß, wovon ich spreche.

Aber, letztens hat sich mich liebevoll umarmt und „Danke“ gesagt. Als ich verdattert gefragt habe, wofür (außer dem Wäschewaschen, Kochen, Wohnung-halbwegs-Sauberhalten, Lebensmittel-Kaufen, Schulsachen-Organisieren etc.) meinte sie freudig: „Für meinen super Po!“ Naja, irgendwann wird sie sich auch für ihre Schlauheit bedanken, falls diese denn von mir kommt, falls … PS: Den Po verdankt sie übrigens ebenso meiner Mutter und deren Mutter und deren Mutter, diese Lorbeeren gehören nicht mir alleine.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.