Der Spiegel namens Respekt

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Ein Element des Zusammenlebens, das mir ganz besonders wichtig ist, ist Respekt. Allen Menschen gegenüber, allen Lebewesen, allem, was uns unser Universum zum einfachen Sein zur Verfügung gestellt hat. Wir könnten es auch „Nächstenliebe“ nennen. Andererseits, Respekt erfordert nicht zwangsläufig Liebe, denn aus Respekt mir gegenüber muss ich auch nicht alles und jeden um mich herum lieben. Spinnen zum Beispiel mag ich gar nicht, aber ich respektiere sie, deshalb versuche ich auch, sie nicht bei jeder Gelegenheit umzubringen. Zugegeben, bei Lebensmittelmotten und Fliegen ist das krass schwer. Aber ich schweife ab. Letztens hatte ich einmal wieder Lust und Laune, auf Facebook zu stöbern. Das hab ich nicht lange gemacht, weil egal, welche Postings ich herausfilterte, irgendwo war immer jemand dabei, der miese Stimmung verbreitete. Die Umgangsformen auf diesen sozialen Medien lassen zu wünschen übrig. Anschuldigungen andern Bevölkerungsgruppen gegenüber, persönliche Beleidigungen und Kränkungen bis zu tatsächlichem Hass, der ganz offen und unreflektiert hinausposaunt wird.
Und auf diesen Plattformen bewegen sich meine Kids. Naja, nicht unbedingt Facebook, das ist schon für die „Alten“, aber auf TikTok und Co. geht es nicht anders zu. Zwischendrin bin ich bemüht, meinen Mädels klarzumachen, dass in solch einer Form, ob über das Internet oder von Auge zu Auge, ein Zusammenleben nicht funktionieren kann. Der Mensch spiegelt, was er von außen zu spüren bekommt. Gemeinheiten werden Gemeinheiten generieren, Respektlosigkeit eine ebensolche. Dasselbe gilt aber auch für Positives. In jeder mir bekannten Religion ist dieser Respekt, Nächstenliebe oder wie auch immer man das nennen will, ein Grundkonzept. Dann kann das doch nicht so falsch sein?
Letztens kam meine Tochter zu mir, weil irgendjemand ihr etwas ziemlich Böses geschrieben hatte. Sie wollte etwas Dementsprechendes (eben gespiegelt) zurückschreiben, hat mir aber zuerst davon erzählt. „Weißt du, mach nicht denselben Blödsinn. Wenn er fies zu dir ist, sei nicht auch fies zu ihm. Dann hört dieses Spiel nämlich nie auf. Sei weiser, zeig Respekt und versuche, eine Lösung zu finden, die besser ist, als ebenso grob zu sein“.
Sie hat nachgedacht und hat zurückgeschrieben (es folgt eine freie Interpretation des Teenie-Jargon): „Digga. Es isch ok, wenn du mi ned magsch. Musst eh nicht. Wenn dr a Problem hosch, was ma lösa müasan, säg is gern m Direktor. Der hilft üs sicher dabei. Denn gohts üs bedna wieder besser.“ Ich fand das sehr gescheit.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.