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Mathias Netzer-Raich hat “Mut es anders zu machen”

30.10.2023 • 08:46 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Mathias Netzer-Raich vor seinem Laden. <span class="copyright">Schad</span>
Mathias Netzer-Raich vor seinem Laden. Schad

Mathias Netzer-Raich eröffnet in Gaschurn Muams Wohnzimmer – ein Ort der Zusammenkunft und Dienstleistungen jeglicher Art. Von klassischer Hilfe wie Mähen und Fensterputzen bis zu einem rund um die Uhr geöffneten Laden mit regionalen Produkten und einem gemütlichen Ambiente.

Ob Hilfe beim Mähen, Unterstützung beim Stallausmisten und Zäunen oder beim Fensterputzen, die Montafoner können ab sofort Muam anrufen und erhalten Hilfe. In Person von Mathias Netzer-Raich. Und das zu einem festen Stundenlohn. Was am Anfang etwas befremdlich klingen mag, ist ein Konzept, das sich der Montafoner Familienvater gründlich überlegt hat. „Mut es anders zu machen“ lautet daher die Langversion seines Firmennamens Muam. „Ich habe die Landwirtschaftsschule besucht, später eine Lehre in der Elektrotechnik absolviert und dann lange im Marketing gearbeitet“, begründet er seinen Schritt und das vielfältige Angebot. Einmal selbstständig zu sein, davon habe er schon lange geträumt. Nun also hat er den Schritt gewagt. „Ich musste rund 250.000 Euro in den Aufbau des Geschäfts investieren“, erklärt der Gaschurner. Neben der Anschaffung diverser Gerätschaften, wie Anhängern, Mähmaschinen und Co., hat er außerdem zwei Elektrofahrzeuge angeschafft und eine Ausbildung zum Taxifahrer abgeschlossen.

Der Brotladen im Wohnzimmer. <span class="copyright">Schad</span>
Der Brotladen im Wohnzimmer. Schad

Ich wollte einfach die Lücke, die es hier bei uns im Montafon gibt, schließen“, meint er. Dabei sei es ihm wichtig gewesen, keine Konkurrenz zu anderen Anbietern darzustellen, sondern ein eigenes Konzept auf die Beine zu stellen. Ein Taxiunternehmen habe es schon lange gebraucht – insbesondere zur Hauptsaison gibt es in der Talschaft eine große Nachfrage, weiß der Mann, der selbst viele Jahre im Tourismus tätig war und ­Gemeindevertreter in Gaschurn ist.

Muams Wohnzimmer in Gaschurn

Aber nicht nur klassische Dienstleistungen im eigentlichen Sinne bietet Netzer-Raich an. Das Herzstück von Muam ist im Dorfzentrum von Gaschurn entstanden. Dort ist ab sofort Muams Wohnzimmer. Dort soll nun ein Ort der Zusammenkunft entstehen. Im Gebäude, in dem zuvor ein Supermarkt untergebracht war, hat der Gaschurner diverse Spielgeräte wie einen Billardtisch, Tischfußball oder eine Dartanlage aufgestellt. Außerdem gibt es einen Kühlschrank mit diversen Getränken. Wer es lieber gemütlicher mag, kann sich auf einer der Sitzgelegenheiten niederlassen und gemütlich verweilen. Von Montag bis Samstag öffnet außerdem ein kleiner Brotladen, der im Wohnzimmer beherbergt ist, und bietet Brot frisch vom Bäcker an. Dazu gibt es dann auch Kaffee oder heißen Leberkäse. „Ich möchte, dass sich die Gäste hier fühlen, wie daheim“, so Netzer-Raich.

Noch stehen hier Bänke, bald sollen gemütliche Sitzecken folgen.
Noch stehen hier Bänke, bald sollen gemütliche Sitzecken folgen.

Das Besondere an dem Ort sind aber wahrscheinlich seine Öffnungszeiten. Rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche ist der Laden geöffnet. Zugang erhält man dabei über einen Code an der Eingangstür. Den kann man durch das Hinterlegen einiger Kontaktdaten und eines Geburtsdatums beim Inhaber beantragen. Im Innenraum ist alles videoüberwacht, sodass Netzer-Raich stets weiß, wer was und zu welcher Zeit im Wohnzimmer getan hat. „Sollte es zu Vandalismus kommen, wovon ich derzeit nicht ausgehe, könnte ich genau verfolgen, wer es war“, gibt er sich selbstsicher. Damit er den Jugendschutz gewährleistet, ist der Kühlschrank, in dem es alkoholische Getränke gibt, mit einem zusätzlichen Schloss gesichert. Nur, wer mindestens 16 Jahre alt ist, erhält den Code von Netzer-Raich. Damit der Code nicht weitergegeben werden kann, wird er kontinuierlich gewechselt.

Auch das Bezahlsystem ist besonders und von viel Vertrauen geprägt. Die Entnahme aus dem Kühlschrank gelingt ohne den Einwurf von Geld. Die Gäste scannen die Produkte selbstständig und bezahlen dann in eine Kasse hinein. Angst vor Missbrauch habe er nicht. „Ich glaube an das Gute im Menschen“, meint er lächelnd.

Auch Billard und Tischfußball können im Wohnzimmer gespielt werden.
Auch Billard und Tischfußball können im Wohnzimmer gespielt werden.

Unweit des Wohnzimmers befinden sich zwei Tanzlokale. Besonders in der Wintersaison ist dort bis spät in die Nacht reges Leben. Wenn dort geschlossen wird, fürchten Anwohner aus dem Dorf, könnten die bereits betrunkenen Gäste dort hinübergehen. Nachdem sich einmal die Tür durch eine registrierte Person öffnet, könnten theoretisch mehrere Leute hineingehen – auch, wenn sie nicht registriert sind. Ob das in Zukunft zum Problem wird, bleibt abzuwarten, Netzer-Raich jedenfalls gibt sich zuversichtlich.

Regionalität bei MUAM

Bei allen Produkten, die er im Wohnzimmer anbietet, legt der Eigentümer viel Wert auf Regionalität. Angefangen beim Kaffee, der aus einer kleinen Rösterei im Klostertal kommt, über Bier und Limo, die ebenfalls aus Vorarlberg kommen, bis hin zur Holz-Inneneinrichtung und der Kasse sind alle Produkte aus der Nähe. Das sei ihm wichtig, um einen Beitrag zu leisten und kleinere Unternehmen zu unterstützen. In Zukunft könnte er sich auch vorstellen, Gemüsekisten mit regionalem und saisonalem Gemüse anzubieten. „Da wird sich sicherlich viel entwickeln“, blickt er in die Zukunft.

Weil die Räumlichkeiten sehr großzügig sind, sei er auch offen, jemanden mit hineinzuholen, der ein eigenes Konzept oder Produkt anbietet, das zu Muam passt. Er sei offen für Gespräche und stehe im regen Austausch mit anderen. Außerdem bietet er die Räumlichkeiten für große Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten an. Bis zu 150 Plätze kann er so bereitstellen. Das Holzsystem, das er für die Sitz­ecken verwendet, ist flexibel ­umsteckbar und kann so zu Reihen oder Sitzgruppen umgebaut werden.

Seit Donnerstag in Betrieb

Am Donnerstag fand die feierliche Eröffnung statt. Bei Getränken, Burgern und guter Musik konnten sich die Montafoner einen ersten Eindruck vom neuen Wohnzimmer verschaffen. Seit Donnerstag ist auch der Brotladen in Betrieb, und Netzer-Raich freut sich über die gute Nachfrage. Nachdem der Familienvater viel Zeit und Geld investiert hat, ist er froh, dass es nun endlich so richtig losgeht, verrät er. Angst vor einem Flop habe er nicht. Muam sei so breit aufgestellt, dass er mit Sicherheit immer etwas zu tun habe. Außerdem ist er sich sicher, die Lücke, die er nun in Gaschurn schließe, entspreche den Wünschen der Montafoner. „Wo sonst geht man in Gaschurn mal einen Kaffee trinken?“, lacht er und freut sich, das nun anbieten zu können. Jetzt hat er Zeit, alles anlaufen zu lassen und erste Probleme zu identifizieren. Ab Dezember, so hofft er, geht es dann so richtig los.