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Kein Platz für den Wolf in Vorarlberg?

18.11.2023 • 23:00 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Das Podium diskutierte über die Vereinbarkeit von Wolf und Landwirtschaft. <span class="copyright">Schad</span>
Das Podium diskutierte über die Vereinbarkeit von Wolf und Landwirtschaft. Schad

Beim Agrarforum der Landwirtschaftskammer ging es darum, ob sich der Wolf mit der Vorarlberger Alp- und Landwirtschaft verträgt. Es kam zu einer emotional aufgeladenen Diskussion.

Der Wolf hat keinen Platz in Vorarlberg. Der Meinung ist zumindest Marcel Züger. Er ist Biologe aus Graubünden in der Schweiz. Dort haben sich in der Zwischenzeit zwölf Wolfsrudel mit insgesamt 100 Wölfen angesiedelt. Demgegenüber steht dort die Alpwirtschaft mit rund 100.000 Nutztieren. „Früher hab ich den Wolf willkommengeheißen, fand ihn spannend und hab’ das Gute in ihm gesehen. Aber der Wolf ist nicht das, was man uns immer erzählt hat. Heute hab’ ich meine Meinung ändern müssen und ärgere mich darüber. Aber der Wolf ist schädlich für unsere Landwirtschaft.“

In seinem Impulsvortrag beim Agrarforum der Landwirtschaftskammer Vorarlberg berichtete er von seinen praktischen Erfahrungen mit dem Raubtier. Genau wie auch in Graubünden habe man in Vorarlberg nicht mehr eine „Natur-, sondern eine Kulturlandschaft“. Jeder Quadratzentimeter sei bewirtschaftet, und das mit mittlerweile langjähriger Tradition. „Das ist auch gut so. Deshalb können wir den Tourismus hier so leben, wie wir es tun, und den Alpenraum nutzen.“ Züger betont die Einzigartigkeit des Alpenraums und stellt unmissverständlich klar: Wenn der Wolf sich ungehindert ausbreiten kann, dann ist es damit vorbei.

Marcel Züger ist Biologe aus der Schweiz und konnte aus der Praxis berichten.<span class="copyright"> LWK Vorarlberg</span>
Marcel Züger ist Biologe aus der Schweiz und konnte aus der Praxis berichten. LWK Vorarlberg

Die Verhaltensweisen des Wolfs

Züger berichtete außerdem von seinen Beobachtungen, die verdeutlichen, mit welcher Geschwindigkeit der Wolf sich an neue Umweltsituationen anpasst. Ein Zaun, der in etwa 1,20 Meter hoch ist, kann ohne große Mühe von einem ausgewachsenen Wolf übersprungen werden. „Wenn er weiter dazu lernt, auch höhere Zäune“, ist sich der Biologe sicher.

Mit dieser Aussage sieht sich ein Großteil der rund 400 Landwirte, die an der Veranstaltung teilnehmen, bestätigt. Herdenschutz, in dem Maße, wie es die Wolfsbefürworter fordern, sei nicht nur kostspielig, sondern vor allem auch keine Garantie für das Gelingen, verdeutlicht Züger. Außerdem sei der Wolf nicht mehr scheu, wie es immer erzählt werde, sondern dem Menschen immer zugewandter. Damit ein Wolfsrudel satt wird, frisst es in etwa 250 Hirsche pro Jahr. „Wenn man sich jetzt überlegt, dass ein Hirsch schnell 700 Kilogramm hat, mein Schaf aber nur 40, dann kann man sich ausrechnen, wie viele Schafe einem Wolfsrudel zum Opfer fallen könnten“, sagt ein Montafoner Schafbauer.

Die rechtliche Seite

Albin Blaschka erzählt von der Arbeit des Österreichzentrum Bär, Wolf und Luchs. <span class="copyright">LWK Vorarlberg</span>
Albin Blaschka erzählt von der Arbeit des Österreichzentrum Bär, Wolf und Luchs. LWK Vorarlberg

Albin Blaschka vom „Österreichzentrum Bär, Wolf und Luchs“ stellte die Aufgaben des 2019 vom Landwirtschaftsministerium initiierten Zentrums vor. Es nimmt als Verein bundesländerübergreifend Aufgaben zum Thema „große Beutegreifer“ wahr, um innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine konfliktarme Koexistenz von Landnutzern und Beutegreifern zu erreichen. „Das Wildtiermanagement liegt in Österreich grundsätzlich in der Kompetenz der Länder und folgt Richtlinien wie der Abstimmung mit Interessengruppen, Sicherheit von Menschen, Monitoring und länderübergreifenden Abstimmungen oder Entschädigung und Vermeidung von Schäden“, so Blaschka. Dazu gehören auch Maßnahmen zum Schutz von Nutztieren und deren Überprüfung auf Anwendbarkeit. Mit dem Wolfsmonitoring gilt eine geregelte Vorgehensweise, die von der Situationsanalyse, der daraus resultierenden Einschätzung je nach Verhalten des Wolfs von der Vergrämung bis zur schnellen Entnahme reichen kann.

Im Anschluss an den Abend tauschte sich das Publikum aus. <span class="copyright">Schad</span>
Im Anschluss an den Abend tauschte sich das Publikum aus. Schad

„Die Auswertung der Ergebnisse und Aktivitäten des Monitorings sollen schon bald österreichweit und international abgestimmt werden. Solche Monitorings liefern die Grundlage für langfristige Entwicklungen und notwendige Entscheidungen“, erklärte Blaschka.

Diskussionsrunde im Anschluss an die Vorträge

Schon während der Impulsvorträge wurde deutlich, die Stimmung im Publikum brodelt. Auf einem prominent besetzten Podium, an dem Marcel Züger, Albin Blaschka, Erik Schmid, Landesrat Christian Gantner und der Präsident der Landwirtschaftskammer Vorarlberg, Josef Moosbrugger teilnehmen, diskutieren daher Wolfsbefürworter mit Wolfsgegnern. Landesrat Christian Gatner wies auf die bisherigen Maßnahmen des Landes hin, so zum Beispiel die neue Wolfsverordnung, die vom Rechtsausschuss des Landes beschlossen wurde. Moosbrugger stellte die Position der Landwirtschaftskammer klar: „Ich hoffe, die Romantiker lernen, was passieren kann, wenn man nichts unternimmt.“ Er fordert wolfsfreie Zonen in Vorarl­berg.

Die Diskussion war derweilen emotional aufgeladen. <span class="copyright">Schad</span>
Die Diskussion war derweilen emotional aufgeladen. Schad

Anders zur Thematik steht bekannterweise Erik Schmid, Fachtierarzt für Tierhaltung aus Götzis. „Der Wolf kann Jägern helfen, schwaches Rotwild zu entnehmen, und in meinen Augen hat die Alpwirtschaft größere Probleme als den Wolf.“ Außerdem sei der Herdenschutz erfolgsentscheidend. Auf diese Aussage folgten laute Pfiffe aus dem Publikum, und es wurde durchaus hitzig. Marcel Züger entgegnete darauf, dass die Schweiz dies schon viele Jahre versucht habe, und es ebenfalls illusorisch sei, Herdenschutzmaßnahmen als Allheilmittel zu sehen. Die Praxis habe das Gegenteil gezeigt. Moosbrugger warnte davor, französische Schafherden mit hunderten Tieren mit Vorarlberg zu vergleichen, wo oft nur 10 oder 20 Tiere in unwegsamem Gelände zu schützen seien. Das ginge nicht.

Beiträge des Publikums zur Diskussion

Alois Rinderer ist Obmann der Schafzüchter.<span class="copyright"> LWK Vorarlberg</span>
Alois Rinderer ist Obmann der Schafzüchter. LWK Vorarlberg

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung durfte dann auch das Publikum zu Wort kommen. Darunter auch Schafzüchter-Obmann Alois Rinderer und Ziegenzucht-Obmann Christoph Vonblon-Bürkle, die beide für Maßnahmen im Sinne der Alpwirtschaft gegen die Ansiedelung von Wölfen forderten. Alois Rinderer war selbst Opfer von Wolfsangriffen geworden. Ebenso wie Harald Bitschnau aus Bartholomäberg. Er betont: „Mir hat der Wolf zwei Schafe gerissen. 700 Meter weg vom Kinderspielplatz. Als die DNA-Analyse dann da war, war der Wolf über alle Berge.“ Er sorgt sich nicht nur um seine Tiere, sondern auch um die menschliche Zivilisation. Im Anschluss an den Abend ist er gegenüber der NEUE der Meinung, der Abend und die Berichte von Biologe Zügler hätten gezeigt, „in welche Richtung es geht“. Für ihn sei der Abend eine Bestätigung, dass die Bedenken der Vorarlberger Landwirte gerechtfertigt sind. „Man sieht an den Beispielen Frankreich und Schweiz, dass Herdenschutz nicht funktioniert. Man kann ja nicht, wie es kurz gesagt wurde, 30.000 Kilometer Zäune ziehen.“ Auch andere Schafsbauern berichten davon, dass sie sich unwohl mit der Gesamtsituation fühlen. So zum Beispiel eine Montafonerin. Sie berichtet, dass sie normalerweise um diese Zeit die Stalltür offen hätte, damit die Tiere mehr Frischluft bekommen. Mittlerweile getraut sie sich das nicht mehr. Zu groß ist die Angst, dass der Wolf ein Blutbad in ihrem Stall anrichten könnte. Deshalb bleibt ihre Tür vorerst geschlossen.

Harald Bitschnau hat selbst zwei Schafe an den Wolf verloren. <span class="copyright">Schad</span>
Harald Bitschnau hat selbst zwei Schafe an den Wolf verloren. Schad

Der Besuch und die Berichterstattung erfolgte in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer Vorarlberg.